Australische Politiker stellen sich hinter Julian Assange
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Julian Assange, Wikileaks-Gründer, grüßt auf dem Balkon der Botschaft von Ecuador.
© Quelle: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa/Archiv
Sydney. Julian Assange spaltet die Gemüter: Für die einen ist der Australier wegen seiner Enthüllungen ein Held, für die anderen ein Spion. Assange selbst sieht sich als Kämpfer für die Wahrheit. Bisher hat sich die australische Politik verhältnismäßig zurückhaltend verhalten, wenn es um den umstrittenen Wikileaks-Gründer ging.
Schließlich hat Assange mit Veröffentlichungen von mutmaßlichen US-amerikanischen Kriegsverbrechen auf der Enthüllungsplattform Wikileaks den engsten Verbündeten des Landes – die USA – brüskiert. Diese werfen Assange Spionage vor und fordern seine Auslieferung. 175 Jahre Gefängnis drohen dem Australier, sollte er jemals Fuß auf US-amerikanischen Boden setzen.
Das Tauziehen um Assange hält nach wie vor an: Vier Jahre sitzt Assange inzwischen im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh – ohne jemals für ein Verbrechen verurteilt worden zu sein. Anlässlich des vierten Jahrestages am Dienstag hat die australische Politik nun ein Zeichen gesetzt: 48 Abgeordnete und Senatoren haben die USA, den „engsten strategischen Verbündeten“ Australiens, in einem offenen Brief aufgefordert, die Verfolgung des Australiers einzustellen, da diese „einen gefährlichen Präzedenzfall“ für die Pressefreiheit schaffe und dem Ansehen der USA schaden würde. Den Brief, der laut eines Berichts der australischen Ausgabe des „Guardian“ an US-Justizminister Merrick Garland gerichtet ist, haben Politiker aller Couleur unterschrieben.
Mutmaßliche Kriegsverbrechen veröffentlicht
Bereits seit 2012 ist der 51-jährige Australier kein freier Mann mehr. Um nicht in die Fänge der US-Behörden zu gelangen, flüchtete sich Assange in die Botschaft Ecuadors in London, nachdem ihm das südamerikanische Land Asyl gewährte. Vorausgegangen war eine lange Saga: Der Whistleblower hatte Geheimdokumente veröffentlicht, die unter anderem Details über das Vorgehen der US-Streitkräfte im Irak- und Afghanistan-Krieg enthüllten. Auf Wikileaks stellte er Tausende Dokumente ein, die Kriegsverbrechen, Spionagefälle und Korruption zeigten. Vor allem ein Video, in dem zu sehen ist, wie von einem Hubschrauber aus auf zwei Reuters-Journalisten geschossen wird, schockierte die Welt.
Die vielen Jahre der selbstgewählten Haft sowie die spätere jahrelange Inhaftierung haben ihre Spuren hinterlassen. Im Januar 2021 hörte das britische Gericht, dass Assange bereits verschiedene Selbstmordpläne gemacht habe. Auch sein Vater, John Shipton, äußerte sich in einem Interview im gleichen Jahr besorgt. Seinem Sohn gehe es nicht gut, berichtete er damals. „Die Umstände der Inhaftierung von Julian, die vom UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, beschrieben wurden, sind zutreffend“, sagte er. Er sprach damals von fast zehn Jahren psychologischer Folter, die Großbritannien, Schweden und die Vereinigten Staaten zu verantworten hätten. „Ihre Absicht ist nicht, Julian ins Gefängnis zu bringen, sondern ihn zu töten“, sagte der Vater. Die Beteiligung Schwedens kommt daher, da zwei Frauen Assange Sexualdelikte in dem skandinavischen Land vorwarfen. Die Ermittlungen dazu wurden 2017 jedoch eingestellt.
Britische Innenministerin ordnet Auslieferung von Assange an
Die von der britischen Regierung betriebene Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA ist einen weiteren Schritt vorangekommen.
© Quelle: Reuters
Gefährlicher Präzedenzfall
In dem offenen Brief forderten die australischen Politiker nicht nur, „das Auslieferungsverfahren einzustellen“, sondern auch, Assange die Rückkehr nach Hause zu ermöglichen. Sollte es zu einer Auslieferung kommen, so würden „die Australier die Abschiebung eines unserer Bürger von einem AUKUS-Partner zu einem anderen – unserem engsten strategischen Verbündeten – miterleben“, so die Politiker. Der AUKUS-Pakt ist ein Sicherheitsabkommen, das Australien, Großbritannien und die USA geschlossen haben. Weiter hieß es: „Dies würde einen gefährlichen Präzedenzfall für alle Weltbürger, Journalisten, Verleger, Medienorganisationen und die Pressefreiheit schaffen.“ Zudem würde es dem Image der USA als führende Weltmacht bei Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit schaden.
Die Abgeordneten und Senatoren verwiesen in dem Brief auch auf den Fall der ehemaligen Geheimdienstanalytikerin der US-Armee, Chelsea Manning, die 2017 freigelassen wurde, obwohl sie die Informationen weitergegeben hatte, die Assange veröffentlichte. International haben auch andere Parlamentarier in der Vergangenheit bereits ähnliche Briefe veröffentlicht, um Assange zu unterstützen.
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Chelsea Manning im Interview: „Ich bin keine Heldin – aber ich versuche, als Vorbild zu taugen“
Vor zwölf Jahren sorgte Chelsea Manning für die Veröffentlichung geheimer Dokumente der US-Army – und enthüllte so amerikanische Kriegsverbrechen im Irak. Trotzdem sei sie weder Pazifistin noch Heldin, sagt sie heute: Sie fühle sich vielmehr als „Fußnote“ in diesem Skandal. Warum sie ein Buch schrieb, um das zu ändern, und wieso sie gern das Vorbild für trans Kids wäre, das sie selbst nie hatte, erklärt sie im RND-Interview.
Erste positive Zeichen
Australiens Regierung war bisher jedoch verhältnismäßig zurückhaltend gewesen, wenn es darum ging, Assange zu unterstützen. Ein leichter Wandel ist jedoch seit dem Regierungswechsel von einer liberalkonservativen auf eine sozialdemokratische Führung im Mai des vergangenen Jahres erkennbar. Premierminister Anthony Albanese hatte bereits vor seiner Wahl im Dezember 2021 gesagt, er könne nicht nachvollziehen, „welchem Zweck die anhaltende Verfolgung von Herrn Assange“ diene und dass „genug genug“ sei. Nach seiner Wahl äußerte er sich dann etwas vorsichtiger und sagte: „Meine Position ist, dass nicht alle außenpolitischen Angelegenheiten mit einem Megafon ausposaunt werden sollten.“
Im letzten Monat warnte die australische Außenministerin Penny Wong dann, dass die Möglichkeiten der Diplomatie begrenzt seien. Sie betonte jedoch gleichzeitig, dass Australien sowohl der US-amerikanischen als auch der britischen Regierung gegenüber die Ansicht vertrete, dass sich der Fall Assange „lang genug hingezogen“ habe und „zu einem Abschluss gebracht“ werden sollte. Ein positives Zeichen setzte vergangene Woche auch, dass der neue australische Hochkommissar in Großbritannien, Stephen Smith, Assange persönlich im Gefängnis besuchte.