“Koalition aus Pils, Schwarzbier und vielleicht noch ein Korn” - Die Reaktionen auf die Thüringen-Wahl
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Mitarbeiter einer Transportfirma bauen am Abend in Jena Wahlplakate der CDU ab.
© Quelle: Frank May/dpa - Zentralbild/dpa
München. Nach dem CDU-Absturz bei der Thüringen-Wahl hat der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, den inhaltlichen Kurs der Bundespartei als nicht hilfreich kritisiert. "Wir haben wohl in den letzten Monaten die falschen Themen gesetzt", sagte Kuban dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Montag).
"Die CDU muss sich die Frage stellen, wie sie den großen Anteil der Leute im ländlichen Raum besser erreicht. Dazu wäre es gut, sich um die Zukunft der Landwirtschaft zu kümmern und um Themen wie Landärzteversorgung oder bessere Bus- und Bahnanbindungen", sagte Kuban. Klimapolitik sei "dort ganz offenkundig kein vordringliches Thema für die Leute. Und das Diesel-Bashing ist der falsche Schwerpunkt in der Mobilitätspolitik, wenn zwei Drittel der Menschen mit dem Auto pendeln."
Kuban: "Nicht mit uns selbst beschäftigen"
Kuban fügte hinzu: "Es ist beängstigend, wenn in einem Bundesland 50 Prozent der Wähler rechts- oder linkspopulistische Parteien wählen. Wenn die CDU da mit einem so starken Spitzenkandidaten wie Mike Mohring antritt und trotzdem nicht genug entgegensetzen kann, muss uns das nachdenklich machen.
Eine Fortsetzung der Führungsdebatte um Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete Kuban allerdings als nicht sinnvoll. "Wir sollten uns lieber mit der Frage beschäftigen, welche Themen wir besetzen, als mit uns selbst."
Kuban unterstützte die Linie der Bundespartei, die eine Koalition der CDU mit der Linkspartei ausgeschlossen hatte. Eine Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei, die in Thüringen stärkste Kraft geworden ist, "lehne ich entschieden ab", sagte Kuban. "Es gibt fundamentale Unterschiede zwischen CDU und Linkspartei - von der Bewertung der DDR bis zur Bildung- und Energiepolitik. Ich sehe nicht, wie die überwunden werden sollen."
Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat die CDU aufgefordert, auf das Wahlergebnis von Thüringen angemessen zu reagieren. Den Ausgang der Wahl "kann die CDU nicht mehr ignorieren oder einfach aussitzen", schrieb Merz am Sonntagabend auf Twitter. "Erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte haben CDU, SPD, FDP und Grüne zusammen in einem Parlament keine Mehrheit mehr." Wenn es zwischen diesen Parteien keine wahrnehmbaren Unterschiede mehr gebe, wichen die Wähler aus – nach links und nach rechts.
CSU-Generalsekretär Blume: "Thüringen ist unregierbar"
Mit deutlichen Worten hat CSU-Generalsekretär Markus Blume auf die Wahlergebnisse reagiert. Die Erfolge von Linkspartei und AfD machen Thüringen seiner Ansicht nach künftig unregierbar. "Erstmals in der Nachkriegsgeschichte haben Parteien der Extreme eine parlamentarische Mehrheit", sagte er am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur. Das Ergebnis sei dramatisch für die Demokratie.
Die Verantwortung dafür sieht Blume nicht bei der CDU, die mit Mike Mohring einen sehr engagierten Wahlkampf geführt habe, sondern bei SPD und Grünen. "Der Sündenfall war vor fünf Jahren, als SPD und Grüne sich zum Steigbügelhalter für (Bodo, Anm. d. Redaktion) Ramelow (Linke) und die SED-Nachfolger gemacht haben - obwohl ein Bündnis der Mitte möglich war."
"Heute ist Thüringen unregierbar. SPD und Grüne stehen in Thüringen vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Politik", betonte er. Das müsse auch SPD und Grünen auf Bundesebene eine Warnung sein: "wer mit den Rändern koaliert, verliert".
Habeck und Scholz unzufrieden
Grünen-Chef Robert Habeck hat sich unzufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei gezeigt. «Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, aber wir sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden», sagte Habeck am Rande der Grünen-Wahlparty am Sonntag in Erfurt. Die Situation sei kompliziert, sagte er mit Blick auf die Möglichkeiten zur Regierungsbildung. «Letztlich bleibt das Fazit, dass alle demokratischen Parteien gesprächsbereit bleiben müssen.»
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat ebenfalls enttäuscht reagiert. "Das Ergebnis ist natürlich nicht schön. Am meisten bedrückt natürlich das Wahlabschneiden der AfD, das hier vorhergesagt wird", sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD. "Das ist etwas, was mich bedrückt, und noch viele andere, die ich kenne."
Das Ergebnis sei eine große Herausforderung für eine Regierungsbildung. Die SPD stehe bereit, Verantwortung zu übernehmen. Klar sei: "Die AfD gehört nicht in eine Regierung. Ich glaube, das ist für alle klar." Die SPD auf Bundesebene wolle dafür Sorge tragen, dass die Ergebnisse wieder besser werden. Es gebe eine große gesellschaftliche Polarisierung, dies hätten schon die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen gezeigt. Profitieren könnten jeweils aber die Parteien, die nach den Umfragen den Regierungschef stellen können.
Meuthen: Linker Regierungschef "Steilvorlage" für AfD
Die AfD sieht die CDU nach der Wahl in einer extrem schwierigen Position. Ramelow werde nach den ersten Hochrechnungen "gar nichts anderes übrig bleiben, als mit der CDU zusammen zu gehen", sagte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Die CDU riskiere in einer solchen Konstellation allerdings "den letzten Rest an konservativer Wahrnehmung".
Eine Landesregierung wie in Thüringen mit einem Linken an der Spitze sei für die AfD "grundsätzlich eine Steilvorlage", um im Wahlkampf zu punkten, fügte er hinzu. Auf die Frage, ob die AfD-Wähler in Thüringen seine Partei wohl wegen oder trotz des rechtsnationalen Spitzenkandidaten Björn Höcke gewählt hätten, antwortete Meuthen, an solchen Spekulationen wolle er sich nicht beteiligen. Dass eine Partei in ihren Wahlkämpfen im Osten und im Westen unterschiedliche Schwerpunkte setze, sei normal.
FDP und CDU schließen Koalition mit Linkspartei aus
Aus der Landtagswahl in Thüringen war die Linke erstmals in ihrer Geschichte als stärkste Kraft in einem Bundesland hervorgegangen. Die CDU fuhr nach Hochrechnungen eine herbe Niederlage ein, auch die SPD büßte im Vergleich zur Wahl 2014 Stimmen ein. Dagegen konnte die AfD ihr Ergebnis den Hochrechnungen zufolge mehr als verdoppeln.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schloss nach der Wahl eine Koalition seiner Partei mit der Linken und mit der AfD aus. "Unser Wort gilt nach den Wahlen genau wie wir es vor den Wahlen gesagt haben: Es wird keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben", sagte er am Sonntagabend unter Beifall von CDU-Anhängern.
Auch FDP-Chef Christian Lindner erteilte einer Koalition mit der Linken und einer Unterstützung der AfD eine klare Absage. "Für die FDP ist eine Zusammenarbeit mit Linker und AfD ausgeschlossen, weil beide Parteien die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland verändern wollen", sagte Lindner. Die Zugewinne der Partei führte der Parteichef auch auf die Bundespartei zurück. "Insgesamt werte ich das als Bestätigung des Kurses unserer Bundespartei." Im ZDF sagte Lindner, Ministerpräsident Bodo Ramelow müsse jetzt eine Regierung bilden, möglicherweise komme es dabei zu einer Minderheitsregierung.
Lindners Parteikollege, der Thüringer FDP-Generalsekretär Robert-Martin Montag, wollte am Abend nach eigener Aussage nicht ernsthaft über Koaltionsoptionen nachdenken: „Eine Koalition besteht für mich heute Abend aus: Pils, Schwarzbier und vielleicht noch ein Korn“, sagte er auf der Bühne bei der Wahlparty der Liberalen in Erfurt.
RND/dpa/pach