Vor dem Klimagipfel: Amerikas Strom darf schmutzig bleiben
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Das Con Edison Kraftwerk am East River gehört zum unschöneren Teil des Stadtbilds von New York.
© Quelle: imago images/imagebroker
Washington. An großen Worten mangelt es nicht. „Der Planet fleht um sein Überleben, und der Hilferuf könnte nicht verzweifelter und klarer sein“, mahnte Joe Biden bei seiner Amtseinführung vor neun Monaten eindringlich. Kurz darauf führte der neue Präsident die USA ins Pariser Klimaschutzabkommen zurück und formulierte ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2030 solle sein Land den Ausstoß seiner Treibhausgase um 50 bis 52 Prozent unter den Wert von 2005 senken. Schon fünf Jahre später, versprach Biden, werde die Stromerzeugung klimaneutral sein.
Die Erderwärmung sei „eine existenzielle Bedrohung der Menschheit“, redete Biden vor wenigen Tagen der Weltöffentlichkeit erneut ins Gewissen. Doch wenn der Präsident Ende der Woche zum Klimagipfel nach Glasgow reist, hat sein Image als Vorkämpfer einer Energiewende zumindest arge Kratzer erhalten. Derzeit ist nicht einmal klar, ob der Vertreter des traditionell weltgrößten Umweltverschmutzers bei der Konferenz überhaupt irgendein halbwegs glaubhaftes Konzept zur Erreichung seiner Klimaziele vorlegen kann.
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Den Umstieg seines Landes von Kohle und Gas zu erneuerbaren oder zumindest sauberen Energien (in den USA zählt dazu die Kernkraft) wollte Biden eigentlich mit seinem 3,5 Billionen schweren Sozial- und Klimapaket befördern. Doch konservative Demokraten im Senat erzwingen derzeit nicht nur, dass das Ausgabenvolumen drastisch zusammengestrichen wird. Senator Joe Manchin aus dem Kohlestaat West Virginia blockiert ganz gezielt das Herzstück der geplanten Klimagesetzgebung: die Dekarbonisierung der Stromwirtschaft.
Hände weg von den Kraftwerken
In dem ursprünglichen Entwurf des gewaltigen Ausgabenpaketes waren 618 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Klimakrise vorgesehen. Mit dem Geld sollten Steueranreize für Hersteller und Käufer von erneuerbarer Energie finanziert sowie Abgassäuberungs- und Energieeffizienzprogramme gefördert werden.
Zentral aber war das Clean Electricity Program, das mit 150 Milliarden Dollar ein System von Anreizen und Sanktionen schaffen sollte, um die Elektrizitätskonzerne von der Kohle- und Gasnutzung bei der Stromerzeugung hin zu sauberen Energien zu drängen. Derzeit stammt nur 40 Prozent des amerikanischen Stroms aus diesen Quellen. Bis 2030 sollte der Anteil auf 80 Prozent steigen.
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Joe Manchin, US-Senator für West Virginia.
© Quelle: Andrew Harnik/AP/dpa
Dieses Clean Electricity Program ist angesichts des erbitterten Widerstands des Kohlelobbyisten Manchin, auf dessen Stimme die Demokraten wegen eines 50:50-Patts angewiesen sind, wohl endgültig tot. Fieberhaft sucht das Weiße Haus nun nach einem Plan B, der die Stromkonzerne verschont.
Diskutiert wird unter anderen ein Programm aus Zuschüssen und Darlehen, dass die Dekarbonisierung der Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie beschleunigt. Auch sind Steuervergünstigungen bei Häuserrenovierungen im Gespräch, wenn dabei auf Solarenergie oder andere Erneuerbare umgestiegen wird.
Der nächste Präsident kann vieles zurückdrehen
Schließlich plant Biden, mit einer Reihe von Dekreten strengere Methangrenzwerte bei der Öl- und Gasproduktion durchzusetzen sowie Abgaswerte für Autos zu senken. Solche Verordnungen sind aber nicht nur zeitaufwendig. Sie dürften mit Sicherheit vor dem mehrheitlich konservativen Supreme Court landen. Außerdem kann sie der nächste Präsident problemlos wieder aufheben.
Derzeit ist daher unklar, ob Biden beim Klimagipfel seine ambitionierten Ziele glaubhaft vertreten kann. Den meisten US-Demokraten ist durchaus klar, dass die Verhandlungsposition ihres Landes ansonsten extrem geschwächt wäre. „Unser Ziel ist es, Präsident Biden mit einer starken Position nach Glasgow zu schicken“, versicherte Senator Ron Wyden.