Unter Druck wegen explodierender Benzinpreise

Putins Gegenspieler Joe Biden – ein Kriegspräsident wider Willen

08.03.2022, USA, Washington: Joe Biden, Präsident der USA, kündigt im Roosevelt Room des Weißen Hauses als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Importverbot für Rohöl aus Russland an. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

08.03.2022, USA, Washington: Joe Biden, Präsident der USA, kündigt im Roosevelt Room des Weißen Hauses als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Importverbot für Rohöl aus Russland an. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Washington. Genau zwölf Minuten hat er in seinem engen Zeitplan eingeschoben für die Rede, die die Märkte in Aufruhr versetzen wird. Nun steuert der Präsident mit entschlossenem Schritt vom Oval Office zum Hubschrauber, der auf dem Rasen hinter dem Weißen Haus wartet.

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Der Himmel strahlt blau, die ersten Magnolienknospen im Rosengarten springen auf, der Frühling ist da. Aber es werden keine schönen Wochen für Joe Biden werden.

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Der Präsident winkt kurz den wartenden Journalisten zu. Fragen will er jetzt nicht beantworten. Sein Auftritt im Roosevelt Room, bei dem er einen Importstopp für russisches Öl und Gas verkündet hat, soll für sich wirken. „Das amerikanische Volk wird Putins Kriegsmaschine einen weiteren schweren Schlag versetzen“, hat er dort verkündet.

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Doch der 79-Jährige ist lange genug im politischen Geschäft, um zu wissen, dass das Embargo auch für ihn politische Risiken birgt. Trotz der apokalyptischen Bilder in den Fernsehnachrichten war der Krieg gegen die Ukraine für den Durchschnittsamerikaner in North Dakota oder Idaho bislang noch weit weg. Nun schlägt er an der heimischen Tankstelle ein.

Biden kündigt Einfuhrstopp von russischem Öl und Gas an
08.03.2022, USA, Washington: Joe Biden, Präsident der USA, kündigt im Roosevelt Room des Weißen Hauses als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Importverbot für Rohöl aus Russland an. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Us-Präsident Biden kündigte einen Einfuhrstopp für russische Energieträger an. Er betonte die parteiübergreifende Unterstützung für diesen Schritt.

Biden ist an diesem Morgen auf dem Weg nach Fort Worth in Texas, wo er über ein Thema sprechen will, das ihm persönlich seit dem Krebs-Tod seines Sohnes Beau vor sieben Jahren sehr am Herzen liegt: eine bessere Gesundheitsvorsorge für ehemalige Soldaten. Doch die Fernsehstationen werden über den Auftritt des Präsidenten kaum berichten, wie alle Auftritte, die er derzeit draußen im Land hat, um seine innenpolitischen Erfolge anzupreisen, praktisch nicht wahrgenommen werden.

Putin diktiert Bidens Agenda

Putins Krieg hat Bidens Agenda komplett über den Haufen geworfen. Der Demokrat war angetreten, um Amerikas endlose Militäreinsätze zu beenden – nun muss er Waffen in die Ukraine und Soldaten in die benachbarten Nato-Länder schicken. Er wollte sich auf die Verteidigung der Demokratie im Inneren konzentrieren und das Land gleichzeitig für die Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen und ideologischen Gegenspieler China stärken.

Nun ist er der Anführer der westlichen Welt in einer Konfrontation mit Russland. Er wollte den Klimaschutz und den Umstieg auf erneuerbare Energien vorantreiben. Nun sucht er verzweifelt nach Öl, das die gestoppten russischen Lieferungen ersetzen könnte.

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„Putin ist der Aggressor. Putin hat diesen Krieg gewählt“, hat Biden gesagt, als er Stunden nach dem russischen Angriff am 24. Februar mit ernster Miene ans Rednerpult im East Room des Weißen Hauses trat. „Freiheit, Demokratie, Menschenwürde – das sind Kräfte, die stärker sind als Angst und Unterdrückung. Sie können nicht zerstört werden durch Putin und seine Armeen.“ Starke Worte waren das. Sie beinhalten ein Versprechen, dessen politischen und ökonomischen Preis bis heute niemand abschätzen kann.

Wochenlang hatten die amerikanischen Geheimdienste vor einem brutalen russischen Überfall auf die Ukraine gewarnt. Mit ungewöhnlicher Offenheit legte Biden die Erkenntnisse offen und warnte die Verbündeten. Doch dort wiegelte man allzu lange ab. Joe Biden, der die Akteure aus seinem langen politischen Vorleben kennt, den Auswärtigen Ausschuss des Senats leitete und Obamas inoffizieller Ukraine-Beauftragter war, hat die Lage von Anfang an richtig eingeschätzt.

Und er hat mit Klugheit, diplomatischem Geschick und zurückhaltendem Ton die Rolle des Anführers der westlichen Welt übernommen. In keiner seiner Reden fehlt der Hinweis auf die Alliierten, die sich nach den Verwerfungen der Trump-Ära derzeit bemerkenswert einig zeigen. Und immer wieder betont er, dass die Verbündeten den Krieg beenden und keineswegs anheizen wollen.

Der Präsident vermeidet jede Provokation

„Freiheit wird immer über Tyrannei triumphieren“, leitete Biden vor sieben Tagen seine Regierungserklärung zur State of the Union im Kongress ein. Seine Verurteilung des russischen Überfalls war klar und unmissverständlich. Doch der Präsident vermied jede provokative Äußerung oder Drohung, die den Konflikt in Europa weiter eskalieren könnte. Im Gegenteil: „Unsere Kräfte haben sich nicht und werden sich nicht an Auseinandersetzungen mit russischen Kräften in der Ukraine beteiligen“, betonte er.

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Diese Linie hat das Weiße Haus von Anfang an vertreten. Genauso entschieden widersetzt sich Biden der Forderung nach einer Flugverbotszone über der Ukraine, die nach seiner Auffassung der Anfang eines Dritten Weltkrieges sein könnte.

Und als die polnische Regierung anbot, ihre MiG-29-Kampfflugzeuge auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zu verlegen, damit sie von dort in die Ukraine gebracht werden könnten, reagierte das Pentagon abweisend: „Nicht haltbar“ sei der Vorschlag, gegen den man angesichts der geopolitischen Konsequenzen „ernsthafte Bedenken“ habe, wiegelte Sprecher John Kirby barsch ab.

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Man mag sich nicht vorstellen, wie oft Bidens Vorgänger Donald Trump in dieser Lage zumindest verbal schon auf den Atomknopf gedrückt hätte. Biden hingegen, kommentiert der Journalist Franklin Foer im renommierten Magazin „The Atlantic“, habe den moralischen und strategischen Test der dramatischsten Ost-West-Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bislang gut bestanden: Die Alliierten geeint, die innenpolitischen Gegner teils auf seine Seite gezogen und jegliche nukleare Drohung in Richtung Moskau vermieden. Foer spricht von einem „stillen Meisterstück“.

Viele US-Demokraten teilen diese Einschätzung. Doch ist keineswegs sicher, dass der überzeugende außenpolitische Auftritt des Präsidenten ausreicht, um seine innenpolitischen Flanken auszugleichen. Zwar haben sich die miserablen Umfragewerte Bidens in den vergangenen Tagen je nach Umfrage um 3 bis 8 Prozentpunkte verbessert: Zwischen 42 und 47 Prozent der Bevölkerung unterstützen nun seine Ukraine-Politik. Doch sind das für eine Kriegssituation, in der sich Amerika üblicherweise um seinen Anführer versammelt, höchst bescheidene Werte.

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Symphonie-Orchester von Kiew spielt im Herzen der Ukraine – Verzweifelte Flucht aus Irpin
27.02.2022, Spanien, Madrid: Eine ukrainische Flagge wird während einer Antikriegskundgebung zur Unterstützung der Ukraine von der Plaza de Colon zur Plaza de Cibeles in Madrid hochgehoben, während sich der Kampf um die ukrainische Hauptstadt Kiew verschärft. Foto: Miguel Candela/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Musiker sind seit Beginn der russischen Invasion vor rund zwei Wochen in der ukrainischen Hauptstadt geblieben.

Republikaner loben Putin und wollen ihn erschießen

Auf der anderen Seite freilich bieten die Republikaner bei nüchterner Betrachtung ein katastrophales Bild. Nicht nur ihr Idol Donald Trump hat mit seinem Lob für das „Genie“ Putin und dessen Ankündigung von „Friedenstruppen“ für die Ost-Ukraine kurz vor dem Überfall eine aberwitzige Weltsicht bewiesen. Großen Teilen der Partei, die der nationalistischen „America First“-Ideologie und einem bizarren Personenkult für den Ex-Präsidenten folgen, war die Ukraine schlicht gleichgültig.

So geriet die jährliche CPAC-Tagung der rechten Republikaner in Florida in den drei Tagen nach dem russischen Kriegsbeginn zu einer regelrechten Freak-Show. Während im Donbass auf Befehl von Wladimir Putin unschuldige Zivilisten durch Granaten und Bomben starben, empörten sich Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der texanische Senator Ted Cruz und andere sinistere rechtspopulistische Gestalten über den „Tyrannen“ Justin Trudeau – also den kanadischen Premierminister, der eine illegale Trucker-Blockade von Anti-Impf-Schwurblern auflösen ließ. Am Rande der Messe wurden T-Shirts von Joe Biden mit Hitlerbärtchen verkauft. Wladimir Putin war kein Thema.

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Das hat sich inzwischen verändert. Bei einigen Republikanern schlägt das Pendel nun in die extreme andere Richtung. So forderte Senator Rick Scott, die Entsendung von Nato-Bodentruppen in den Krieg dürfe nicht ausgeschlossen werden, und sein Kollege Lindsey Graham rief zu einem Attentat auf Putin auf. Die von seinem Golf-Partner Trump einst als „schrecklich und korrupt“ diffamierte Ukraine sei inzwischen zum „Verteidiger der Freiheit“ mutiert, umschrieb Graham den atemberaubenden Kurswechsel.

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Für den Stopp der Öl-Importe erhält Biden Beifall von den Republikanern. Das hindert die Partei aber nicht daran, eine massive Kampagne gegen den Präsidenten wegen der Benzinpreise anzufachen, die am Dienstag auf den Allzeit-Rekordwert von 4,25 Dollar je Gallone (3,78 Liter) schossen. „Lassen Sie sich nicht täuschen“, wettert der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell: „Das bahnt sich seit einem Jahr an.“

Die Umweltauflagen fürs Fracking kommen unter Druck

Dauerhaft hohe Spritkosten sind in den USA politisch brandgefährlich. Und die Republikaner tun alles, die Preissteigerung auf Bidens Ablehnung einer umstrittenen Pipeline von Kanada und seinem Frackingverbot auf öffentlichem Land zurückzuführen.

Sämtliche Umweltauflagen müssten fallen, fordern sie nun lautstark und erhalten dazu publizistischen Beifall vom konservativen „Wall Street Journal“. „Der Präsident ermöglicht Putin, Energie als Druckmittel einzusetzen, auch wenn er das Gegenteil behauptet“, behauptete die Wirtschaftszeitung.

Bislang lässt Biden solche Anwürfe demonstrativ an sich abtropfen.

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Nach seiner Landung in Fort Worth gelingt es am Montag einem Reporter dann doch, dem Präsidenten eine Frage zu stellen. „Haben Sie eine Botschaft an die Amerikaner wegen der Benzinpreise?“, fragt er. „Sie steigen“, antwortet Biden knapp: „Wir können da wenig machen. Russland ist dafür verantwortlich.“

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