Bidens Billionenpaket steht am Scheideweg: Die Hälfte oder Nichts
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„Bei 50 Senatoren ist jeder ein Präsident": Joe Biden (hier in der vorigen Woche bei einer Rede in Washington mit Vizepräsidentin Kamala Harris) muss drastische Abstriche an seinem Investitionspaket machen.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Washington. Die Uhr tickt. Wenn Joe Biden am Donnerstag die Air Force One besteigt und in Richtung Europa – zunächst zum G-20-Gipfel in Rom, dann zum Klimagipfel in Glasgow – abhebt, läuft die Zeit für das zentrale Vorhaben seiner Präsidentschaft ab: ein gigantisches zweiteiliges Investitionspaket für Infrastruktur sowie für Klima und Soziales.
Schon am Sonntag endet die bisherige Straßenbaufinanzierung in den USA, am Dienstag stehen zwei schicksalhafte Gouverneurswahlen an, und zur gleichen Zeit muss der Präsident vor der Weltöffentlichkeit seinen Klimaplan präsentieren.
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„Ich brauche das, bevor ich die USA in Glasgow vertrete. Das amerikanische Ansehen steht auf dem Spiel“, hat Bidens demokratische Abgeordnete nach deren Angaben bei einem Gespräch im Weißen Haus eindringlich ermahnt. „Das“ meint das eine Billion Dollar schwere Infrastrukturgesetz, das noch vom Repräsentantenhaus gebilligt werden muss, und das ursprünglich auf 3,5 Billionen Dollar taxierte Klima- und Sozialpaket, über das die Demokraten im Senat seit Wochen streiten.
„Jeder ist ein Präsident“
Nach fieberhaften Verhandlungen zeichnen sich Umrisse eines Kompromisses ab: Offenbar wird das Volumen des Klima- und Sozialpakets drastisch in Richtung 1,75 bis zwei Billionen Dollar (für einen Zehn-Jahres-Zeitraum) schrumpfen. „Wenn man im Senat nur 50 demokratische Stimmen hat, ist jeder ein Präsident“, hat Biden sein Dilemma umschrieben.
Im Senat herrscht ein 50:50-Patt, das die Vizepräsidentin Kamala Harris zugunsten der Regierung auflösen kann. Doch dazu müssten alle 50 Demokraten zusammenstehen. Tatsächlich lehnen zwei Parteirechte das Investitionspaket in seiner bisherigen Form aber ab. Also muss es kräftige Abstriche geben.
Erstaunlich offen hat Biden bei einer CNN-Publikumsdiskussion eingeräumt, welche der ursprünglichen Vorhaben geopfert werden müssen: Die geplante zwölfwöchige bezahlte Elternzeit dürfte auf vier Wochen schrumpfen, die Krankenversicherung Obamacare wird weiter weder Zahnbehandlung noch Sehhilfen umfassen, den kostenlosen Zugang zum Community College wird es so nicht geben, und auch die Anhebung der Unternehmenssteuern von 21 auf 26,5 Prozent ist vom Tisch.
Das sind harte Brocken für die Progressiven in der Partei. Und doch ist der Deal noch nicht in trockenen Tüchern. Am Sonntag empfing Biden einen der Abweichler, Senator Joe Manchin, daheim in Wilmington zum Frühstück. Man habe eine „produktive Diskussion“ geführt, hieß es anschließend reichlich vage.
Quertreiber mit widersprüchlichen Interessen
Bidens Problem ist, dass sich die beiden Quertreiber keineswegs einig sind: Manchin kommt aus dem Kohlestaat West Virginia, hat eigene finanzielle Interessen im Kohlegeschäft und widersetzt sich kategorisch allen Strafzahlungen für CO2-Emittenten. Er scheint aber offen für eine stärkere Besteuerung von Reichen. Die von Lobbyisten heftig umworbene Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona hingegen ist nicht einmal bereit, die Steuersenkungen der Trump-Regierung zurückzudrehen. Hingegen unterstützt sie strengere Klimaauflagen.
Das Weiße Haus bemüht sich nun händeringend, die ursprünglichen politischen Ziele auf anderem Weg zu erreichen. So ist von einem 800-Dollar-Gutschein für die Zahnbehandlung von Einkommensschwachen die Rede und von einer Vermögensteuer, die freilich nur die 600 bis 700 Milliardäre in den USA treffen soll.
Fast so schwierig wie die Kompromisssuche könnte es angesichts des enormen Erwartungsdrucks nämlich werden, am Ende ein drastisch geschrumpftes Paket in der Öffentlichkeit als Durchbruch zu verkaufen. Der moderate kalifornische Abgeordnete Scott Peters testete schon einmal die mutmaßliche Botschaft. „Wir kommen nicht von sechs oder 3,5 Billionen herunter“, sagte er der „New York Times“: „Diese Summen gab es nie. Tatsächlich haben wir bislang Null. Alles, was wir draufsatteln, ist ein Erfolg.“