Jetzt geht das ganze Land in den Stresstest
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Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2. Zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke sollen laut Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) nach dem Jahreswechsel noch bis Mitte April 2023 als Reserve zur Verfügung stehen.
© Quelle: Armin Weigel/dpa
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
Deutschland geht in den Notbetrieb. Zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke sollen Ende des Jahres nicht wie geplant für immer abgeschaltet werden, sondern auf Stand-by bleiben und jederzeit einsatzbereit sein. Diese Pläne kündigte gestern Abend Wirtschaftsminister Robert Habeck an. „Es wird nicht der Schlüssel abgezogen und alle gehen nach Hause“, sagte er. Sollte es zu Stromengpässen kommen, gehen die beiden Notfall-Kernkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg wieder ans Netz.
Aber, das betonte Habeck immer wieder, nur im absoluten Notfall, nur diesen Winter und nur, „bis die Brennelemente alle sind“. Einmalig sei dieser Schritt, so der Minister, aber in diesem Jahr sei nichts Routine. „Deutschland hat kein Stromproblem“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck noch im Juli. Doch wie sieht es im Winter aus? Dass die Atomkraftwerke im Januar oder Februar tatsächlich Strom produzieren, glaubt er auch heute nicht. „Es ist weiterhin sehr unwahrscheinlich, dass es zu Krisensituationen und Extremszenarien kommen wird“, machte er in Berlin deutlich. Ob die AKW am Ende noch einmal ans Netz gehen, entscheidet sich wohl erst im Dezember.
Zwei Notfall-Atomkraftwerke als Rettungsschirm
Die Übertragungsnetzbetreiber, die einen AKW-Stresstest durchgeführt hatten, schreiben mit Nachdruck: „Die Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungskapazitäten wird dringend empfohlen.“ Mit der Formulierung „aller Möglichkeiten“ sind auch tatsächlich alle drei AKW gemeint, erklärten sie. Dass Habeck nur auf zwei AKW setzen will, sei eben eine politische Entscheidung.
„Das Vorgehen ist clever und gleichzeitig riskant, es birgt eine Reihe von Vorteilen für den Hoffnungsträger der Grünen, aber auch Risiken“, kommentiert Wirtschafts-Ressortleiter Andreas Niesmann. Die Tür für ein Comeback der Atomkraft in Deutschland jedenfalls habe Habeck an diesem Montag zugeschlagen.
Im Stresstest wurden die Worst-Case-Szenarien analysiert und unter anderem berücksichtigt, dass Frankreichs AKW-Probleme anhalten. Dadurch braucht das Nachbarland mehr Strom aus Deutschlands – und die letzten deutschen Atomkraftwerke könnten einen Kollaps des europäischen Stromnetzes verhindern.
Deutscher Strom gegen Frankreichs Blackout
Frankreich bereitet sich in diesen Tagen bereits auf den Blackout vor. Das Land, in dem von 56 Atomkraftreaktoren nur noch 24 Strom liefern, steht unter massivem Druck. Die Regierung bereite alles dafür vor, um Stromausfälle zu verhindern, so Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am späten Abend. Um einen Stromausfall im Winter zu verhindern, wurde bereits der Stromerzeuger Électricité de France verpflichtet, alle Atomkraftwerke bis zum Winter ans Netz zu nehmen. Alle, einschließlich jener Schrottreaktoren, die wegen gravierender Sicherheitsmängel abgeschaltet wurden.
Die Mängelliste der alten französischen Atommeiler ist lang: Risse im Kühlkreislauf, Schäden am Reaktorbehälter und so wenig Kühlwasser, dass manche AKW jetzt Flüsse auf Temperaturen von mehr als 28 Grad aufheizen und damit eine ökologische Katastrophe hervorrufen. Ab Oktober soll nun jede Woche ein weiteres AKW ans Netz gehen – und Sicherheits- und Umweltfragen sollen im Zweifel ausgeblendet werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Doch ob die französischen Pannen-AKW im Winter auf einmal pannenfrei laufen, ist fraglich. Und so könnte es darauf hinauslaufen, dass Deutschland seine zwei verbliebenen Atomkraftwerke doch noch einmal hochfahren muss, bis auch die letzten Brennstäbe „alle“ sind.
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© Quelle: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa
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