Bundesverfassungsgericht: Schafft es der erste Ostdeutsche nach Karlsruhe?
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Jes Möller, der vielleicht erste Ostdeutsche am Bundesverfassungsgericht.
© Quelle: Sophia Kembowski/dpa-Zentralbild
Berlin. Eigentlich sollte die Wahl an diesem Freitag im Bundesrat stattfinden. Daraus wird nun wohl nichts. Die Wahl, so verlautete am Donnerstag aus der Länderkammer, werde voraussichtlich auf den 5. Juni verschoben. Somit bleibt vorerst offen, ob mit dem in Greifswald geborenen Jes Möller, der mit vollem Namen Jens Albert heißt, im 30. Jahr der deutschen Vereinigung erstmals ein Ostdeutscher ins 16-köpfige Bundesverfassungsgericht einzieht.
Sicher ist, dass das zwischen den Parteien wechselnde Vorschlagsrecht für die Nachfolge des ausscheidenden Richters am Ersten Senat, Johannes Masing, diesmal der SPD zufällt. Sicher ist auch, dass Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sich für Möller stark macht und dabei vielfach Unterstützung bekommt.
Ostbeauftragter: Berufung an Bundesverfassungsgericht wichtig
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zwar spiele die fachliche Qualifikation von Kandidaten bei der Auswahl von Richtern eine wesentliche Rolle. Diese Qualifikation könne er nicht bewerten. Er fügte jedoch hinzu: “Ich finde den Vorstoß aus Brandenburg, einen ostdeutschen Kandidaten zu benennen, gut. Und ich hielte es für wichtig, dass erstmals nach 30 Jahren ein Ostdeutscher ins Bundesverfassungsgericht einzieht.”
Die von einstigen Dissidenten geprägte Robert-Havemann-Gesellschaft bat die Länderchefs in einem Schreiben, “wenige Monate vor dem 30. Jahrestag der deutschen Einheit die Gelegenheit zu ergreifen und endlich dafür zu sorgen, dass diese Einheit auch in der Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts sichtbar wird”.
Tatsächlich wurden seit 1990 insgesamt 39 neue Bundesverfassungsrichter gewählt; sie kamen allesamt aus dem Westteil der Republik. Das ist typisch für die Justiz. Anfang 2019 ergab eine RND-Recherche, dass sogar die 25 Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Gerichte in Ostdeutschland selbst ausschließlich Westdeutsche waren.
Mit Möller könnte sich die fehlende Repräsentanz zumindest in Karlsruhe ändern. Er gehörte in den 1980er-Jahren zu den Mitbegründern einer kirchlichen Umweltgruppe an der Potsdamer Erlöserkirche und wurde 1983 von der Stasi verhaftet; Möller hatte mit abgestorbenen Weihnachtsbäumen auf das Waldsterben aufmerksam gemacht.
Von 1986 bis 1989 studierte der Mann aus Vorpommern Theologie, engagierte sich während der Friedlichen Revolution für die SPD und zog für sie 1990 in die erste frei gewählte Volkskammer der DDR ein.
Unterstützung aus der CDU
Dem folgten mit Ende 20 der Beginn eines Jurastudiums und später die richterliche Laufbahn. Möller wurde Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), führte das Sozialgericht Neuruppin, das Brandenburger Verfassungsgericht und ist heute Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Vorgesetzte bewerteten ihn zuletzt als herausragend.
Das Problem ist nur, dass die ebenfalls SPD-regierten Länder Berlin und Rheinland-Pfalz eigene Kandidaten nominiert haben – Berlin den Juraprofessor Martin Eifert, Rheinland-Pfalz den Präsidenten des dortigen Verfassungsgerichtshofs, Lars Brocker. Eine “Kampfabstimmung” ist im vornehmen Bundesrat nicht üblich. Also müssten zwei der drei Kandidaten zurückgezogen werden – oder selbst aufgeben.
Unterdessen stehen auch CDU-regierte Ost-Länder auf Möllers Seite. So sagte Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra dem RND, es wäre “richtig und wichtig, im 30. Jahr der deutschen Einheit jemanden mit so einer Karriere und herausragenden Qualifikation aus den neuen Ländern beim Bundesverfassungsgericht arbeiten zu sehen”. Die Zeit sei “überreif”.