Italien: Ermittlungen gegen Saubermann Beppe Grillo

Der Kabarettist Beppe Grillo ist der Gründer der Fünf-Sterne-Protestbewegung in Italien.

Der Kabarettist Beppe Grillo ist der Gründer der Fünf-Sterne-Protestbewegung in Italien.

Rom. „Onestà, onestà, onestà“ – Ehrlichkeit, Ehrlichkeit, Ehrlichkeit: Das war jahrelang der Schlachtruf der Fünf-Sterne-Bewegung. Es war und ist eine sehr populäre Forderung im korrupten Italien: Mit dem Kampf gegen Vetternwirtschaft, Bestechlichkeit und Selbstbereicherung der Politiker sind die „Grillini“ bei den Parlamentswahlen vom Frühling 2018 mit über 32 Prozent der Stimmen stärkste politische Kraft im Abgeordnetenhaus und im Senat geworden.

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Und die über 300 Gewählten setzten sogleich ein Zeichen: Sie verpflichteten sich, auf einen guten Teil ihrer üppigen Parlamentariergehälter zu verzichten oder diese in eine Kasse einzuzahlen, mit der Start-up-Unternehmen gefördert werden.

Bereicherung um Hunderttausende Euro

Und nun das: Am Dienstag wurde bekannt, dass die Mailänder Staatsanwaltschaft Korruptionsermittlungen gegen den 73-jährigen Parteigründer der Fünf Sterne, Beppe Grillo, eingeleitet hat. Es geht um Werbeverträge, die der schillernde italienische Reeder Vincenzo Onorato (Moby Lines) mit Grillos privatem Blog abgeschlossen hatte und die dem genuesischen Ex-Komiker in den Jahren 2018 und 2019 je 120.000 Euro eingebracht haben.

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Die Fünf-Sterne-Bewegung war damals zusammen mit der rechtsradikalen Lega von Matteo Salvini an der Regierung und stellte mit Danilo Toninelli den Transportminister, zuständig unter anderem auch für die kommerzielle Schifffahrt. Sogar 600.000 Euro hat Onorato in den gleichen Jahren an die Firma Casaleggio & Associati überwiesen, die die Internetplattformen der Protestbewegung betreibt.

In den Büros sowohl von Grillo als auch der Internetfirma hat die Finanzpolizei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Der Verdacht der Ermittler: Mit den Zahlungen wollte Onorato erwirken, dass die Fünf-Sterne-Parlamentarier bei den Verhandlungen des Transportministeriums mit der staatlich subventionierten Moby Lines ein gutes Wort für die Reederei einlegen.

Onoratos Firma könnte politischen Goodwill durchaus gebrauchen: Gegen Moby läuft ein Verfahren wegen Bankrotts. Gegen Grillo ermitteln die Staatsanwälte wegen „unerlaubter Einflussnahme“ – ein verhältnismäßig harmloser Straftatbestand in der großen Familie der Korruptionsdelikte, dem (erlaubten) Lobbying näher als der kriminellen Bestechlichkeit.

Aber für Grillo und seine Bewegung sind die Vorwürfe dennoch verheerend: Man kann nicht jahrelang die anderen Parteien der Korruption bezichtigen und eine strikte Trennung von öffentlichen und privaten Interessen fordern – und dann selbst dabei erwischt werden, wie man dank seiner politischen Stellung erhebliche Summen von Privatunternehmern entgegennimmt.

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Die „Grillini“ sind mit den Ermittlungen definitiv entzaubert; ihre „onestà“ hat nicht einmal die Länge einer Legislatur überdauert. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass etliche Fünf-Sterne-Parlamentarier schon zuvor dem Lockruf des Geldes erlegen waren: Um das volle Parlamentariergehalt behalten zu können, sind Dutzende von ihnen bereits aus der Protestbewegung ausgetreten und haben sich dem „gruppo misto“, der gemischten Fraktion angeschlossen.

Gemischte Fraktion hat viel Zulauf

Dieser Klub der politischen Opportunisten, Heimatlosen und Wendehälse zählt inzwischen nicht weniger 114 Mitglieder (66 Abgeordnete und 48 Senatoren) und wird möglicherweise bei der Wahl des neuen Staatspräsidenten eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle spielen.

Für einen großen Teil des „gruppo misto“ und der „Grillini“ wird es bei der Kür des Staatspräsidenten um das politische Überleben gehen: Sollte der aktuelle Ministerpräsident Mario Draghi zum neuen Staatsoberhaupt gewählt werden, hat Italien keinen Regierungschef mehr und es drohen Neuwahlen.

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Das Problem: Von den Abgeordneten und Senatoren der Fünf-Sterne-Bewegung kann höchstens jeder Vierte hoffen, erneut gewählt werden: Die Protestpartei ist in den Umfragen auf 13 Prozent abgestürzt; außerdem werden bei den nächsten Wahlen die Sitze in den beiden Parlamentskammern um ein Drittel reduziert.

Vorzeitige Neuwahlen hätten für die nicht Wiedergewählten auch finanziell einschneidende Konsequenzen. Sie hätten zu kurz im Parlament gesessen, und das würde bedeuten: Addio, Parlamentarierrente. Viele „Grillini“ werden sich deshalb hüten, Draghi ihre Stimme zu geben. Sie werden sich eher für einen anderen Kandidaten entscheiden – möglicherweise für Silvio Berlusconi, der bereits wohlweislich versprochen hat, dass unter ihm die Legislatur weitergeführt werde.

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