Trotz Protesten

Israelisches Parlament billigt weitere Teile von kontroverser Justizreform

Benjamin Netanjahu, Premierminister von Israel, will die Justiz reformieren und erntet dafür viel Kritik.

Benjamin Netanjahu, Premierminister von Israel, will die Justiz reformieren und erntet dafür viel Kritik.

Israels Parlament hat in einer nächtlichen Sitzung mehrere Teile der geplanten Justizreform vorangebracht. Bis Dienstagmorgen wurde unter anderem ein Gesetzentwurf gebilligt, mit dem Abgeordnete Gesetze verabschieden könnten, die vor einer Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof des Landes geschützt wären. Die Abgeordneten der Knesset votierten auch für einen Gesetzentwurf, der Ministerpräsident Benjamin Netanjahu davor bewahren soll, wegen seines Korruptionsprozesses des Amtes enthoben zu werden. Ein weiterer Entwurf genehmigt israelische Siedlungen im Norden des Westjordanlands.

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Über alle Gesetzentwürfe muss mehrmals abgestimmt werden, bis sie in Kraft treten. Kritiker haben die Justizreform als Versuch verurteilt, die demokratische Gewaltenteilung zu untergraben. Netanjahu und seine Verbündeten erklärten dagegen, die israelische Justiz sei übergriffig und müsse in die Schranken gewiesen werden. An Demonstrationen gegen die geplante Reform haben sich in den vergangenen Monaten Zehntausende Israelis beteiligt. Unternehmer, Rechtsexperten und pensionierte Militärs haben sich den Protesten angeschlossen. Reservisten des Militärs haben damit gedroht, den Dienst zu verweigern, sollte die Reform in Kraft treten.

Netanjahu bestreitet jedes Fehlverhalten

Netanjahu ist seit Dezember wieder im Amt. Er leitet die bislang ultranationalistischste Regierung Israels. Netanjahu steht wegen Vorwürfen der Korruption vor Gericht. Der Regierungschef bestreitet jedes Fehlverhalten und bezeichnet sich selbst als Opfer einer Hexenjagd.

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Nach einem der gebilligten Gesetzentwürfe soll das Parlament das Recht haben, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären, und zwar nur aus körperlichen oder mentalen Gründen. Dies muss von der Regierung mit Dreiviertelmehrheit bestätigt werden. Der Premier könnte den Beschluss überstimmen.

Kritik an den Medien

Nach derzeitiger Gesetzeslage kann ein Ministerpräsident auch aus anderen Gründen des Amtes enthoben werden. Netanjahu-Kritiker fordern, dass der Generalstaatsanwalt Netanjahu für amtsungeeignet erklärt.

Im Parlament beklagte Netanjahu am Montag, Medien verbreiteten einen „endlosen Tsunami von Falschnachrichten“ über ihn. Die Oppositionsabgeordnete Orna Barbivai sagte dagegen, das geplante Gesetz sei eine Schande, weil es praktisch besage, dass der Ministerpräsident über dem Gesetz stehe.

Erneute Proteste gegen geplante Justizreform in Israel
*** BESTPIX *** TEL AVIV, ISRAEL - MARCH 11:  Tens of thousands of Israelis attend a massive protest against the government's judicial overhaul plan on March 11, 2023 in Tel Aviv, Israel. The Netanyahu government is pushing ahead with proposed overhaul of the judiciary that would limit the Israeli Supreme Court's ability to review and strike down laws that it deems unconstitutional. Critics say the changes will undermine judicial independence and threaten Israel's democracy.  (Photo by Amir Levy/Getty Images)

Die Demonstrierenden forderten die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf, das umstrittene Vorhaben aufzugeben.

Parlament stimmt für Rückkehrerlaubnis in vier Siedlungen

Die israelische Regierung will Siedlern die Rückkehr in vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland ermöglichen, die vor fast zwei Jahrzehnten geräumt worden waren. Das Parlament in Jerusalem stimmte in der Nacht zum Dienstag in erster Lesung für eine entsprechende Gesetzesänderung. Diese soll die Wiederbesiedlung der vier Orte Chomesch, Ganim, Kadim und Sanur ermöglichen, die im Rahmen des israelischen Abzugs aus dem Gazastreifen 2005 ebenfalls geräumt wurden. Seitdem kehrten Siedler mehrmals auf eigene Faust zurück. Sie wurden dann wieder zur Evakuierung gezwungen.

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40 von 120 Abgeordneten stimmten für den Entwurf, 17 dagegen. Der Rest war abwesend oder enthielt sich. Bis er in Kraft tritt, sind noch zwei weitere Lesungen notwendig.

Palästina warnt vor Eskalation

Das palästinensische Außenministerium warnte nach der Entscheidung vor einer „Eskalation des Konflikts“ und forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich einzuschalten. Merav Michaeli, Abgeordnete der oppositionellen Arbeitspartei, sagte dem Armeesender, die Entscheidung ermögliche es „verrückten Siedlern zu tun, was sie wollen“.

Im vergangenen Monat hatte die Regierung nach tödlichen palästinensischen Anschlägen in Ost-Jerusalem beschlossen, neun nicht genehmigte Siedlungsaußenposten im besetzten Westjordanland zu legalisieren. USA und EU zeigten sich darüber besorgt.

Verletzung des internationalen Rechts

Israel eroberte während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Knapp 600.000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete 2016 diese Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu stoppen. Die Palästinenser wollen im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten.

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Der rechtskonservative israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte mehrfach eine Annexion weiter Teile des Westjordanlands angekündigt. Im Gegenzug für ein Annäherungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten 2020 hatte er diese Pläne jedoch ausgesetzt. Israel setzte den Siedlungsausbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem danach jedoch fort.

RND/AP

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