Neue Regierung und Streit um den Tempelberg: Die Spannung in Israel steigt wieder
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DKXUX4B2P5DIDCHQHNMJLRJ5VU.jpeg)
Israelische Polizisten am Dienstag auf dem Tempelberg in Jerusalem.
© Quelle: Maya Alleruzzo/AP/dpa
Berlin. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft wirbt für Ausgleich. „Man kann sicher darüber streiten, ob der Besuch des israelischen Ministers für Nationale Sicherheit auf dem Tempelberg besonnen und jetzt angesagt war“, sagte Volker Beck dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Aber mich befremdet der Gedanke, dass es eine Provokation sein soll, wenn Juden auf dem Tempelberg beten.“ Es sei schließlich auch nichts dagegen einzuwenden, wenn Muslime in die Grabeskirche gingen oder Christen an die Klagemauer.
Beck fügte hinzu: „Die Proteste der Hamas laufen auf Anstachelung zur Gewalt hinaus. Das geht auch nicht. Dem muss entschieden entgegengetreten werden. Alle Seiten sollten daran arbeiten, dass es nicht zu einer Eskalation kommt.“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Berliner Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Wieder Netanjahu
Tatsächlich nehmen die Spannungen sowohl innerhalb Israels als auch zwischen Israelis und Palästinensern wieder zu. Das hat wesentlich mit der neuen Regierung unter dem Likud-Politiker Benjamin Netanjahu zu tun, der soeben zum sechsten Mal Premierminister wurde.
Zu Besorgnis führt, dass ultraorthodoxe und nationalreligiöse Juden in der Regierung großen Einfluss haben. Dies dürfte zu mehr Privilegien für die Orthodoxen führen (etwa durch Befreiung vom Wehrdienst) und zu mehr Konfrontationen zwischen den Nationalreligiösen und den Palästinensern. Auch könnte der Rechtsstaat in Gefahr geraten, etwa weil die Macht des Obersten Gerichtshofes beschnitten werden soll.
Die Befürchtungen bündeln sich in dem besagten Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Der Politiker von der rechtsextremen Ozma Jehudit war in der Vergangenheit wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt worden und gilt als politischer Brandstifter. Erst am Donnerstag vereidigt, lieferte Ben-Gvir schon am Dienstag den Beweis: Er besuchte den Tempelberg, der mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee die drittheiligste Stätte im Islam, aber auch Juden heilig ist, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Der damalige Oppositionsführer Ariel Scharon hatte den hochgradig umkämpften Ort im Jahr 2000 ebenfalls besucht – und damit die zweite Intifada (Palästinenseraufstand) ausgelöst.
Ähnliches, so glauben manche, könne jetzt wieder geschehen. Hinweise für neue Zusammenstöße gibt es längst. Die den Gazastreifen beherrschenden militanten Palästinenser unter Führung der radikalislamischen Hamas warnten vor einer „gefährlichen Eskalation und Provokation gegen unser palästinensisches Volk“ und einem „Religionskrieg“. Ben-Gvirs Parteifreund Zvika Fogel sagte zu möglichen Raketenangriffen der Hamas: „Wenn wir darauf reagieren, wie ich denke, dass wir reagieren sollten, dann war Ben-Gvirs Besuch auf dem Berg es wert – denn das wird der letzte Krieg sein. Danach können wir alle in Ruhe sitzen und Tauben züchten.“ Es klang wie die Drohung mit Vernichtung.
Israel: Parlament billigt Netanjahus rechts-religiöse Regierung
Der 73-Jährige wurde am Donnerstag zum Ministerpräsidenten vereidigt, nachdem die Knesset mit 63 von 120 Stimmen die neue Regierung bestätigt hatte.
© Quelle: Reuters
Komplizierte Lage
Volker Beck von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft spricht von einer komplizierten Lage. „Eine Mehrheit der Israelis würde sich zwar eine Zweistaatenlösung wünschen, eine Mehrheit hält sie aber auch für unrealistisch“, sagte er dem RND. „Und auf palästinensischer Seite wurden alle Versuche, dahin zu kommen, bisher in den Wind geschlagen.“
Beck hofft nun auf Netanjahu und andere Mitglieder des Likud. Sie könnten, so glaubt er, „sicherstellen, dass die aufgeheizte Rhetorik, die von einigen Mitgliedern der Regierungskoalition verwendet wurde, die innen- und außenpolitischen Ziele der neuen Regierung nicht bestimmen wird“.
Sicher, das weiß Beck, ist dies nicht.