Rechter als Netanjahu: Naftali Bennett greift in Israel nach der Macht
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Mit seiner Jamina-Partei hat sich Naftali Bennett auf eine Koalition ohne Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geeinigt.
© Quelle: imago images/UPI Photo
Tel Aviv. Monatelang hat Naftali Bennett Israels politische Elite mit seiner Weigerung gepiesackt, sich klar für oder gegen eine Zusammenarbeit seiner rechten Jamina-Partei mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auszusprechen. Jetzt ist der 49-jährige Hightechmillionär auf dem besten Weg, anstelle seines einstigen Mentors Regierungschef zu werden.
Bennetts möglicher Aufstieg zum Ministerpräsidenten wäre eine historische Wende in der Geschichte Israels. Nach vier Parlamentswahlen ohne klare Mehrheiten und einem elftägigen Krieg mit der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen hat er sich schließlich doch entschieden – für ein Regierungsbündnis mit der gemäßigten Zukunftspartei von Jair Lapid.
Eine halbe Stunde vor Ablauf der Frist am Mittwochabend unterschrieben sie den endgültigen Vertrag für eine Koalition, die Netanjahu in den kommenden Tagen ablösen soll.
„Ein Mann der Rechten“
Vor nicht einmal zwei Monaten klang das noch anders. Da gab Bennett im Fernsehen ein Versprechen ab: „Ich werde Lapid nicht Ministerpräsident werden lassen, mit oder ohne Rotation, weil ich ein Mann der Rechten bin und mir Werte wichtig sind.“
Aber genau das hat er jetzt vereinbart. Bennett und Lapid sollen sich im Zweijahresrhythmus an der Regierungsspitze abwechseln, wobei der Jamina-Chef den Anfang macht.
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Naftali Bennett, Vorsitzender der Jamina-Partei (links) und Jair Lapid, Vorsitzender der Partei Jesch Atid, wollen sich die Zeit als Ministerpräsidenten aufteilen.
© Quelle: -/Yesh Atid Handout/dpa
Ihre Koalition aus acht Parteien ist nicht nur ein Abbild der Launen israelischer Politik. Sie spiegelt auch die pragmatische Ader Bennetts wider, der seine politische Karriere mit dem Ziel begann, Führer der neuen israelischen Rechten zu werden. Einen palästinensischen Staat lehnt er ab und kämpft stattdessen für jüdische Siedlungen im Westjordanland.
Bennett sieht sich als moderner orthodoxer Jude
Als Bennett Anfang der Woche sein Bündnis mit Lapid ankündigte, gab er sich besonnen. „Niemand wird seine Weltanschauung aufgeben müssen, es muss nur jeder die Erfüllung einiger seiner Träume verschieben“, sagte er. „Wir werden uns auf das konzentrieren, was getan werden kann, anstatt über das zu streiten, was unmöglich ist.“
Der Vater von vier Kindern rechnet sich den modernen orthodoxen Juden zu. Er lebt in keiner der jüdischen Siedlungen, für die er sich stark macht, sondern im noblen Tel Aviver Vorort Raanana. „Der Fehler ist, mich als Extremisten einzusortieren“, sagte Bennett 2012 der Nachrichtenagentur AP.
Bennett ist in Haifa geboren, seine Eltern stammen aus den USA. Die Familie wechselte zwischen Nordamerika und Israel. Bennetts Leben verlief zwischen dem Militärdienst in der Eliteeinheit Sajret Matkal, einem Jurastudium an der Hebräischen Universität und der Privatwirtschaft.
Weg in die Politik nach Krieg mit der libanesischen Hisbollah
1999 gründete er zusammen mit anderen das Software-Unternehmen Cyota, dessen Programme Betrug bei Internetbanking und Onlinegeschäften sowie Phishing verhindern. Sechs Jahre später verkaufte er die Firma für 145 Millionen Dollar (heute rund 119 Millionen Euro) an das US-Unternehmen RSA Security.
In die Politik ging Bennett nach eigenen Worten wegen des Kriegs mit der libanesischen Hisbollah-Miliz 2006, der ohne eindeutigen Sieger endete. Der politischen und militärischen Führung Israels wurde damals weithin vorgeworfen, den Feldzug vermasselt zu haben.
Zwei Jahre lang war Bennett Netanjahus Stabschef, bevor sich die beiden nach einem Streit entzweiten. Medien brachten das Zerwürfnis mit Netanjahus Frau Sara in Verbindung, die großen Einfluss auf den inneren Kreis um ihren Mann hat.
Bennett und Netanjahu gerieten häufig aneinander
Ende 2009 gerieten Bennett und Netanjahu wieder aneinander, diesmal weil Bennett Netanjahus Entscheidung ablehnte, den Siedlungsbau zu verlangsamen, um Gespräche mit den Palästinensern zu ermöglichen. Kurzzeitig war Bennett Vorsitzender des Siedlerrates Jescha.
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Benjamin Netanjahu, Premierminister von Israel, würde nach zwölf Jahren nicht mehr Teil der Regierung sein. Auf Twitter ruft er zum Widerstand gegen die Koalition von Bennett auf.
© Quelle: Yonatan Sindel/Pool Flash 90/AP/
2012 wurde Bennett Vorsitzender der nationalreligiösen Partei Jüdisches Heim. Später gründete er die Jamina-Partei und diente in diversen Regierungen als Minister unter anderem für Bildung und Verteidigung.
Als Netanjahu nach der Wahl im März erneut keine Mehrheit zusammenbekam, kam Lapid zum Zuge. Am Sonntag kündigte Bennett eine Koalition mit dem Mann an, mit dem er noch im März auf keinen Fall regieren wollte, und nannte ihn seinen Freund. Israel drohe die fünfte vorgezogenen Neuwahl in Folge sagte Bennett. „Es sei denn, wir stoppen diesen Irrsinn.“
RND/AP