Iran-Debatte bei Maybrit Illner: „Wir haben nicht mehr viel Zeit“

ZDF-Sendung „maybrit illner“: Florence Gaub, Heiko Maas, Maybrit Illner, Sharzad Osterer, Arye Sharuz Shalicar, Constanze Stelzenmüller.

ZDF-Sendung „maybrit illner“: Florence Gaub, Heiko Maas, Maybrit Illner, Sharzad Osterer, Arye Sharuz Shalicar, Constanze Stelzenmüller.

Berlin. Erst kündigten die USA das Atomabkommen, dann verschärften sie die Sanktionen gegen Iran. Nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch US-Streitkräfte am 3. Januar 2020 ist die Lage im Nahen Osten extrem angespannt. Nun zieht auch der Iran nach – er will sich nicht mehr an die begrenzte Zahl der Zentrifugen für die Urananreicherung halten. Seine Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde werde er aber fortsetzen wie bisher.

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Was bedeutet das für den Atom-Deal? Haben die Entscheidungen Donald Trumps das Leben der Menschen im Nahen Osten sicherer gemachten? Und was ist die Alternative, sollte es den Europäern nicht gelingen, den Deal zu retten?

Darüber hat Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen unter der Überschrift „Iran und die Bombe – war Europa zu naiv?“ diskutiert.

Die Gäste

Heiko Maas: Der SPD-Politiker ist seit 2018 Bundesaußenminister und sagt: Unser Interesse ist, dass der Iran niemals Kernwaffen entwickelt.

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Shahrzad Osterer: Die iranische Journalistin fordert: Das Atomabkommen muss gerettet werden.

Florence Gaub: Die Politikwissenschaftlerin und Militärsoziologin ist stellvertretende Direktorin des Europäischen Instituts für Sicherheitsstudien in Paris. Sie sagt, das iranische Regime stünde mit dem Rücken zur Wand.

Arye Sharuz Shalicar: Der Politikwissenschaftler, Publizist und Autor leistete seinen Militärdienst in Israel ab und war Sprecher der israelischen Armee. Heute ist er Politikberater. Für ihn steht fest: Der Iran hat bei dem Atomabkommen immer gelogen und betrogen.

Constanze Stelzenmüller: Die Politikwissenschaftlerin und Juristin arbeitet seit 2014 in den USA und ist dort Senior Fellow an der Denkfabrik „Brookings“. Als Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Stiftung Friedensforschung ist sie sich sicher: Die Gefahr der Eskalation ist nur kurzfristig gebannt.

Videografik: Wissenswertes zum Iran
HANDOUT - 27.12.2011, ---, --: Der Persische Golf, die Stra��e von Hormus und der Golf von Oman in einer undatierten, von der NASA zur Verf��gung gestellten, Satellitenaufnahme. Der Bundesau��enminister und seine EU-Kollegen wollen am bei einem Treffen in Helsinki ��ber die j��ngsten Entwicklungen in der Iran-Krise beraten. Konkret soll es bei den Gespr��chen um die Frage gehen, ob und wenn ja wie sich die Europ��ische Union an den internationalen Bem��hungen zur Sicherung des Schiffsverkehrs in der Stra��e von Hormus beteiligen sollte. Foto: The Visible Earth/NASA/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollst��ndiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Kurz und knapp – Was Sie über den Iran wissen sollten.

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Wettlauf gegen die Zeit

Ist es dem US-amerikanischen Präsidenten zu verdanken, dass der Iran wieder mit dem Bau von Kernwaffen liebäugelt? „Wir leben in einer Realität, wo man eigentlich gar nichts mehr einschätzen kann“, erklärt der Politologe und Schriftsteller Arye Sharuz Shalicar zu Beginn der Debatte.

Pessimistisch gesehen könnten die Iraner schon Ende 2020 im Besitz atomarer Waffen sein, optimistisch gesehen im Jahr 2022. Jetzt, so betont er, sei Zeit um Gas zu geben – und einen Krieg zu verhindern.

Bundesaußenminister Maas sieht die Sicherheitslage beim Bau einer iranischen Kernwaffe schwer bedroht. Nicht nur für den Nahen Mittleren Osten, sondern auch für Europa. „Wenn es das Abkommen nicht gegeben hätte, dann müsste man befürchten, dass der Iran schon jetzt im Besitz einer Atomwaffe wäre“, sagt er. „Und deshalb halten wir daran fest: Wir brauchen dieses Abkommen. Wir sind nicht damit einverstanden, dass der Iran seine Verpflichtungen aussetzt.“

Aus diesem Grund hätten die Briten, Franzosen und Deutschen einen Streitschlichtungsmechanismus in Gang gesetzt.

„Multiple Wahrheiten“

Constanze Stelzenmüller, Politologin und Senior Fellow an der Denkfabrik „Brookings“ aus den USA teilt Shalicars Misstrauen in offizielle Erklärungen der Regierung in Teheran. „Die Iraner spielen seit vielen, vielen Jahren mit multiplen Erzählebenen und multiplen Wahrheiten.“ Aber sie hätten auch „zwei wirklich gute Gründe“, den Bau von Atomwaffen zu verfolgen.

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Und die heißen Muammar al-Gaddafi und Kim Jong-un.“ So bringe Trump beispielsweise Kim Jong-un, der im Besitz von Atomwaffen sei, Respekt entgegen. Al-Gaddafi sei in Folge einer westlichen Intervention aufgrund fehlender Atomwaffen von seinen eigenen Landsleuten getötet worden. Laut Stelzenmüller ein starkes Motiv für Teheran, weiterhin an dem Programm festzuhalten.

Plädoyer für einen neuen Deal mit dem Iran

Die iranische Journalistin Shahrzad Osterer ist der Meinung, dass die Europäer naiv gewesen seien, da sie „sehr viel Hoffnung in Rohani und seine Regierung“ gesetzt und dieser zu viel abgekauft hätten. Der Atom-Deal sei aber insofern ein Erfolg gewesen, als dass er die Iraner am Bau einer Atomwaffe gehindert hätte. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, stimmt Osterer Sahlicar zu. „Wir müssen wirklich einen neuen Deal mit dem Iran aushandeln.“

Ist das Misstrauen gegenüber dem Iran zu groß?

Gastgeberin Illner lenkt den Blick auf ein möglicherweise zu großes Misstrauen der Europäer gegenüber dem Iran – schließlich würden die Kontrolleure der Atombehörde dem Iran regelmäßig Vertragstreue bescheinigen.

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Florence Gaub, stellvertretende Direktorin des Europäischen Instituts für Sicherheitsstudien in Paris, winkt ab: „Schauen Sie, in der internationalen Politik geht es eigentlich nicht darum, wer jetzt faktisch Recht oder Unrecht hat, sondern was die Wahrnehmung ist. Und ich glaube das ist Teil des Problems, was diesen Deal betrifft.“

2003, als die Verhandlungen bezüglich des Deals begannen, ging es darum, einen Konflikt zu vermeiden, der auch jetzt wieder im Raum stehe. „Aus unserer Sicht dient der Deal dafür, den Iran vom Bau einer atomaren Waffe abzuhalten. Für uns geht es also um die Bombe. Aus iranischer Perspektive geht es darum, einen militärischen Konflikt zu verhindern.“

Gaub kritisiert, dass es bei der Konzeption des Deals versäumt wurde, Vertrauen zwischen allen Konfliktparteien herzustellen. „Der Deal an sich ist nicht das Problem, sondern die Tatsache, dass da nicht genug Vertrauen ist.“

Heiko Maas bestätigt: „Wir haben viel Misstrauen, das ist einer der Gründe, weswegen es überhaupt dieses Abkommen gibt.“ Mit maximaler Drohung und Abschreckung, das sehe man ja an den USA, könne man nicht viel Gutes erreichen.

So funktioniert die Urananreicherung

Der weitere Rückzug des Iran aus dem internationalen Atomabkommen schreckt die internationale Gemeinschaft auf.

Iranische Journalistin fordert ein Referendum für den Iran

Zum Ende der Talkshow forderte die Journalistin Osterer Maas dazu auf, zu handeln: „Herr Maas, Sie sitzen gerade am Verhandlungstisch mit den Iranern – fordern Sie ein offenes Referendum zu der islamischen Republik als Staatsform.“ Das sei es, was die Iraner wollten. „Sie möchten ein Referendum. Ich stehe hinter Ihnen, wenn Sie sagen, Sie möchten das Atomabkommen retten, aber nicht auf Kosten der Menschenrechte im Iran und der Region“, so Osterer.

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Applaus für ihre klaren Worte. Doch Maas bezweifelt, dass es den Iranern helfen würde, wenn die westliche Welt sie dazu auffordern würde, ein Referendum einzuführen. „Dafür müssen wir uns an einen Tisch setzen“, betont Maas.

Fazit

In dem sachlichen und informativen Talk ohne allzu große Diskrepanzen zwischen den einzelnen Gesprächspartnern wird schnell klar: Hier ziehen alle an einem Strang. Den Diskutanten geht es vor allem darum, wieder mehr Vertrauen zwischen den einzelnen Konfliktparteien herzustellen, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen und den Bau atomarer Waffen – und somit einen Krieg – zu vermeiden.

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