RND-Interview

Russland-Expertin Dumoulin: Behält Prigoschin die Kontrolle über Wagner?

Auf diesem vom Prigozhin-Pressedienst via AP veröffentlichten Foto spricht Jewgeni Prigoschin (Mitte), der Chef des Militärunternehmens Wagner Group, mit einer russischen Nationalfahne in der Hand vor seinen Soldaten.

Auf diesem vom Prigozhin-Pressedienst via AP veröffentlichten Foto spricht Jewgeni Prigoschin (Mitte), der Chef des Militärunternehmens Wagner Group, mit einer russischen Nationalfahne in der Hand vor seinen Soldaten.

Moskau. Die frühere französische Diplomatin Marie Dumoulin ist Programmdirektorin bei der paneuropäischen Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR). Bevor sie zum ECFR stieß, arbeitete sie im politischen Planungsstab (CAPS) des französischen Außenministeriums und leitete dessen Abteilung „Russland und Osteuropa“. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der Beilegung von Langzeitkonflikten in der östlichen Nachbarschaft Europas.

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Frau Dumoulin, Russlands Präsident Wladimir Putin galt immer als Garant stabiler Verhältnisse in seinem Land. Kann man das nach dem Aufstand vom vergangenen Wochenende noch so sehen?

Marie Dumoulin: Putin hat seine 24-jährige Herrschaft in Russland stets mit dem Argument legitimiert, dass er derjenige gewesen sei, der nach den chaotischen 1990er-Jahren für Recht und Ordnung gesorgt habe. Doch seit Russland im Krieg gegen die Ukraine immer wieder militärische Rückschläge erlitten und es am vergangenen Wochenende auch noch einen Putschversuch gegeben hat, ist sein Nimbus infrage gestellt.

Obwohl die Krise vom vergangenen Wochenende beigelegt zu sein scheint.

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Trotzdem: In den Krieg zu ziehen war grundsätzlich Putins Entscheidung. Und dass es ein Phänomen wie Jewgeni Prigoschin und die Wagner-Truppe gibt, beruht auf seiner Politik. Es besteht also kein Zweifel daran, dass es eine persönliche Verantwortung Putins für die jüngsten Ereignisse gibt. Selbstverständlich wird er das offiziell niemals einräumen. Stattdessen hat der Kreml in den vergangenen Tagen zu einer Kommunikationsoffensive geblasen. Sie soll deutlich machen, dass Putin als Stabilitätsgarant nach wie vor unverzichtbar ist, weil er ein Blutvergießen vermieden und das Land vor einer Gefahr beschützt habe, wie sie durch Prigoschin heraufbeschworen worden sei.

Nehmen die Russen das Putin ab? Seine persönliche Verantwortung für das Geschehene, von der sie sprechen, liegt doch auf der Hand.

Es ist schwer einzuschätzen, ob die Öffentlichkeit das offizielle Narrativ schlucken wird. Ich denke, die meisten Leute scheuen davor zurück, die Haltung der Regierung offen anzuweifeln. Ich glaube, viele waren geschockt darüber, was da am vergangenen Wochenende passiert ist. Sie sind froh, dass es vorbei ist, und versuchen sich selbst einzureden, dass die Krise tatsächlich bewältigt wurde. Aber das heißt nicht, dass sie alles glauben, was man ihnen sagt.

Russland-Expertin Marie Dumoulin hält Wladimir Putins bisherigen Nimbus als Stabilitätsgarant in Frage gestellt.

Russland-Expertin Marie Dumoulin hält Wladimir Putins bisherigen Nimbus als Stabilitätsgarant für infrage gestellt.

Aber die Propaganda des Regimes hat mit ihrer Ominpräsenz bislang doch recht gut funktioniert.

Das ist ohne Zweifel der Fall. Aber man musste auch bisher schon differenzieren, welche Leute sich von der Propaganda besonders beeinflussen lassen und welche weniger. Junge Leute etwa nehmen das Staatsfernsehen nicht mehr so sehr zur Kenntnis wie ältere Menschen. Das heißt, zwischen diesen beiden Gesellschaftsgruppen unterscheiden sich die Wahrnehmungen deutlich. Außerdem werden die Menschen an abgeschiedenen Orten im fernen Osten Russlands anders empfinden als in Moskau.

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Aber diese Segmentierung der Gesellschaft hat sich durch das Geschehen am vergangenen Wochenende nicht geändert.

Das schon. Doch die Vorgänge vom Wochenende mögen die Einschätzungen in Moskau, Sankt Petersburg und bei Eliten in regionalen Zentren verändert haben. Und diese Gesellschaftsgruppen sind entscheidend dafür, dass das ganze System funktioniert. Sie waren ein Schlüsselfaktor beim Umgang mit den Kriegsfolgen und der Mobilmachung der Streitkräfte im vergangenen Jahr. Davor spielten sie eine wichtige Rolle bei der Handhabung der Pandemie. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, wie diese Eliten die Vorgänge vom vergangenen Wochenende vor dem Hintergrund des offiziellen Narrativs beurteilen. Denn davon wird abhängen, wie sehr sie noch an die Autorität Putins und die Stabilität des Systems glauben.

Wagner-Aufstand in Russland: Ukrainische Armee nutzte Chaos für eigene Angriffe

Die ukrainische Armee hat das Chaos um den Söldner-Aufstand in Russland am vergangenen Wochenende genutzt, um Angriffe gegen russischen Truppen zu starten.

Was wäre die Folge, wenn sie zu dem Schluss kämen, dass seine Autorität tatsächlich angekratzt ist?

Alles, was man dazu im Augenblick sagen kann, ist spekulativ. Aber selbst wenn seine Macht kurzfristig nicht in Gefahr geriete, würden Fragen lauter werden, wie gut das Land eigentlich regiert wird. Das heißt aber nicht, dass es zwangsläufig zu politischen Umwälzungen kommen muss.

Wie war es überhaupt möglich, dass sich der Kreml von dem Aufstand so überrumpeln ließ?

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Ich denke, Putin hat einfach nicht geglaubt, dass Prigoschin aufgrund seiner persönlichen Bekanntschaft zu ihm so weit gehen würde. Dass die russischen Geheimdienste so ahnungslos waren, wie es nun erscheint, kann auch eine Erklärung sein. Es wäre aber durchaus auch rational begründbar, dass sie Bescheid wussten und die Dinge laufen ließen. Auf die Art und Weise wird man jemanden wie Prigoschin los und bekommt Klarheit darüber, wer auf seiner Seite steht.

Putin hat am Wochenende erst von einem „Stich in den Rücken“ und von der „unausweichlichen Bestrafung“ der Aufständischen gesprochen. Doch dann gab er schnell nach und gewährte Prigoschin und seiner meuternden Truppe Straffreiheit. Heißt das, dass der Präsident doch nicht so stark und unverwundbar ist, wie es stets den Anschein hat?

Ich fürchte, das ist genau eine der Lehren, die aus den Vorgängen dieses Wochenendes gezogen werden wird: Dass Putin nur dann stark ist, solange niemand bereit ist, das Risiko einer Konfrontation mit ihm einzugehen, zumal mit Mitteln der Gewalt. Man wird leider nicht ausschließen können, dass diese Kampfansage an seine Autorität und sein anschließendes Einknicken ihn in der Zukunft noch vor radikalere Herausforderungen stellen wird. Vielleicht nicht kurzfristig, aber auf längere Sicht.

Es ist noch nicht so lange her, dass Putin schon einmal herausgefordert wurde: Als Alexej Nawalny Anfang 2021 nach dem Giftanschlag auf ihn nach Russland zurückkehrte, erschien es am Anfang gar nicht so unwahrscheinlich, dass er das „System Putin“ gefährden könnte. Es gab große Straßendemonstrationen in Moskau und Nawalnys Bewegung schien im Aufwind zu sein. Doch dann gelang es der russischen Staatsmacht unerwartet schnell, Nawalny mit repressiven Mitteln kaltzustellen. Wird es jetzt wieder so laufen?

Das ist vorläufig schwer zu beantworten. Vieles ist noch zu unklar. Aber für mich springt bei den zwei Vorgängen tatsächlich eine Gemeinsamkeit ins Auge: Sowohl Nawalny als auch Prigoschin forderten Putins Monopol heraus, die Tagesordnung zu bestimmen. Allerdings tat Nawalny das auf strikt politische und in der gesetzlich vorgesehenen Weise. Übrigens nutzt er immer noch die Gerichte, um sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Ich weiß nur nicht, ob er damit noch eine große Zuhörerschaft erreicht. Prigoschin hingegen versuchte, seinen Anspruch auf das Agendasetting mit Gewalt und ungesetzlichen Mitteln durchzusetzen. Und das ist ein großer Unterschied. Denn für die politische Zukunft Russlands ist der radikale Ansatz weniger verheißungsvoll, aber leider scheint er dem Renegaten mehr Erfolg zu versprechen, wie sich jetzt gezeigt hat.

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Putin nannte Prigoschin am Wochenende zunächst auch einen Verräter. Wer einmal diesen Status beim russischen Präsidenten hatte, lebte bislang nicht mehr sicher. Man denke an Alexander Litwinenko oder Sergej Skripal, Informanten des Westens, die beide in Großbritannien vergiftet wurden. Ersterer starb, zweiterer überlebte nur knapp. Muss sich Prigoschin jetzt Gedanken darüber machen, ob er in Lebensgefahr schwebt?

Wenn ich er wäre, würde ich mir ernsthaft Sorgen um meine persönliche Sicherheit machen. Allerdings wissen wir nicht, was die Abmachung zwischen ihm und dem Kreml genau beinhaltet. Wir wissen noch nicht einmal, ob es tatsächlich eine solche Übereinkunft gibt. Dafür haben wir lediglich die entsprechende Aussage des vermittelnden Präsidenten Alexander Lukaschenko aus Belarus und ein paar offizielle und wenig konkrete Statements aus Russland.

In der Kürze der Zeit hat man sich wahrscheinlich gar nicht auf umfangreiche Absprachen verständigen können – selbst wenn man gewollt hätte. Welche Szenarien wären aus Ihrer Sicht denkbar?

Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Prigoschin die Kontrolle über Wagner behalten wird. Selbst dann nicht, wenn Wagner in irgendeiner Form bestehen bleibt – und ich gehe davon aus, dass das zumindest bei Teilen der Söldnertruppe der Fall sein wird. Denn der russische Staat hat nicht die Kapazitäten, Wagner in wichtigen geopolitischen Operationsgebieten wie in der Zentralafrikanischen Republik, Mali und anderen Staaten zu ersetzen.

Aber wenn sich Prigoschin einfach in solche Staaten absetzt?

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Das wird er kaum tun können. Denn er hat mit seiner Aktion am Wochenende ja auch die Glaubwürdigkeit bei den Staatsführern dieser Länder verspielt. Die haben ihn ja genau für die Verhinderung dessen engagiert, was er nun selbst in Russland durchexerziert hat: mit einer paramilitärischen Einheit auf die Hauptstadt zuzumarschieren, mit dem Ziel, dort die Macht zu übernehmen. Außerdem ist er bei seinem Engagement in diesen Ländern erheblich auf die Unterstützung des russischen Staates angewiesen, was die Ausstattung mit Waffen angeht, aber auch den luftgestützten Transport der Kämpfer dorthin. Ich vermute, dass der Kreml in irgendeiner Form die Kontrolle über die Wagner-Truppe übernehmen wird, sei es, indem das Management oder die Eigentümer ausgewechselt werden oder das ganze Unternehmen verstaatlicht wird. Aber erst wenn Klarheit über diese Punkte besteht, wird man sich ausmalen können, welche Abmachungen es zwischen Prigoschin und der russischen Staatsführung gegeben haben könnte.

Wagner-Chef Prigoschin versucht sich nach gescheiterter Rebellion zu erklären

Der ehemalige Vertraute von Präsident Putin betonte, er habe mit dem Aufstand nur seinem Ärger über das Verteidigungsministerium Luft machen wollen.

Und was ist mit den schweren Waffen, die der Wagner-Truppe in der Ukraine zur Verfügung stehen?

Nach bisher unbestätigten Gerüchten soll das Kriegsgerät der Wagner-Kämpfer in der Ukraine in das Eigentum der russischen Nationalgarde überführt werden. Ich weiß nicht, ob das für die gesamte Ausrüstung gilt oder nur Teile davon. Jüngste Aussagen von Putin, dass der Söldnertrupp vollständig vom Staat bezahlt wurde, könnten ein Hinweis darauf sein, dass der Kreml die Enteignung Prigoschins vorbereitet.

Es steht die Vermutung im Raum, dass Prigoschin bei seinem Aufstand mit der Unterstützung von Teilen der russischen Armee gerechnet hat. Halten Sie das für plausibel?

Dass er davon ausging, Schützenhilfe zu bekommen, halte ich sogar für wahrscheinlich. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er diesen Marsch initiiert hätte, ohne auf einen solchen Beistand zu bauen. Es ergibt schlicht und einfach keinen Sinn, mit wenigen Tausend Mann Moskau einnehmen zu wollen, wenn das im bestehenden System nicht in irgendeiner Form vorher abgesprochen wurde. Aber was genau abgelaufen ist, wissen wohl nur die wenigsten: Ob er im Vorfeld Hilfszusagen von Leuten erhalten hat, die es dann doch mit der Angst zu tun bekamen. Ob ihm einzelne Armeevertreter tatsächlich geholfen haben, die jetzt Probleme bekommen, oder ob einige von der Angelegenheit wussten, aber abwarteten, was daraus wird – das ist im Einzelnen noch nicht ersichtlich, aber alles natürlich möglich.

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Inzwischen ist Generalstabschef Waleri Gerassimow seit Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Es wird davon gesprochen, dass es „Säuberungsaktionen“ im russischen Sicherheitsapparat gegeben hat. Als möglicher Komplize Prigoschins wurde zuletzt vor allem General Sergej Surowikin genannt, Gerassimows Stellvertreter, dem im Gegensatz zu diesem bislang aber ein gutes Verhältnis zu Prigoschin nachgesagt wurde. Er war der erste hochrangige Militär, der den Söldnerchef am Wochenende offiziell aufforderte, den Aufstand abzublasen. Doch nach Informationen der „New York Times“ soll er von den Putschplänen gewusst haben. Inzwischen schreibt die „Financial Times“, dass er offenbar festgenommen wurde.

Ja, Surowikins Appell an Prigoschin wirkte nicht sehr spontan. Aber die näheren Umstände sind mir nicht bekannt. Und wir werden wohl erst mehr darüber erfahren, wenn er wieder auftaucht oder seine Inhaftierung offiziell bestätigt wird. Prigoschin ist übrigens auch verschwunden. Es heißt, er sei in Belarus. Aber gesicherte Kenntnisse haben wir nur über die Flugbewegungen seines Privatjets.

Lukaschenko hat seine Ankunft in Belarus offiziell bestätigt.

Das ist richtig. Aber mein Vertrauen in Aussagen von Herrn Lukaschenko ist sehr gering.

Was die mögliche Unterstützung des Aufstands durch die russische Armee angeht, sagt der Osteuropahistoriker Martin Schulze Wessel: „Ohne eine Bereitschaft von militärischen Entscheidungsträgern, den Aufstandsversuch mindestens zu dulden, ist der fast widerstandslose Marsch auf Moskau nicht vorstellbar.“ Was sagen Sie dazu?

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Allein die Besetzung des Militärdistrikts Rostow durch die Wagner-Truppen wäre ohne Komplizenschaft innerhalb der russischen Armeeführung ein bemerkenswerter Vorgang. Dort sitzt die Entscheidungsgewalt für die Operationen in der Ukraine. Es ist also davon auszugehen, dass die militärischen Einrichtungen dort sehr gut geschützt sind. Aber die Wagner-Armee nahm sie kampflos ein. Und als sie ihren Marsch daraufhin mehrere Hundert Kilometer fortsetzte, bestand der einzige Widerstand in einigen Angriffen durch Kampf-Hubschrauber und -Flugzeuge, die abgeschossen wurden. Da stellen sich auf jeden Fall Fragen.

Wie lauten mögliche Antworten?

Es ist durchaus möglich, dass Entscheidungsträger davor zurückscheuten, den Angriff auf die Eindringlinge zu befehlen. In einem System, das so autoritär ist wie das russische, müssen solche Entscheidungen sehr weit oben in der Befehlskette genehmigt werden. Wenn das nicht geschah, sah sich womöglich niemand befugt zu handeln. Oder es bestand tatsächlich eine Komplizenschaft zwischen Teilen der Armeeführung und der Wagner-Truppe.

Ist die gängige Darstellung zutreffend, dass Putin als Erster auf Lukaschenko zuging, um Hilfe und Vermittlung zu erbitten?

So stellt es Lukaschenko zumindest hin. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Putin hat sich dazu nicht näher geäußert, sondern Lukaschenko nur gedankt. Wie auch immer Lukaschenkos Rolle als Vermittler genau ausgesehen hat, war sie aber wohl ausschlaggebend für die erzielte Kompromisslösung, die für alle gesichtswahrend war. Putin konnte nicht direkt mit Prigoschin verhandeln, denn den hatte er gerade erst als Verräter bezeichnet. Prigoschin wiederum hätte es wohl nicht akzeptieren können, gegenüber jemandem nachzugeben, der in der Hierarchie unter dem Präsidenten steht. Dass der Staatsführer eines befreundeten Nachbarlandes in einer solchen Situation als Vermittler ins Spiel kommt, ergibt Sinn.

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Wobei der Vorgang für Putin ja trotzdem einen gewissen Gesichtsverlust darstellt. Lukaschenko galt bisher als abhängig von seiner Gunst. Nun ist der gegenteilige Eindruck entstanden.

Es hat tatsächlich den Anschein, als ob Lukaschenko die Gelegenheit nutzt, sein Image aufzupolieren. Er stellt sich als Held hin, der ein Blutvergießen vermieden und Russland gerettet hat. Dabei erzählt er eine sehr schöne Geschichte, die Putin nicht gut aussehen lässt. In seiner Version des Hergangs der Ereignisse war es der russische Präsident, der ihn als Erster anrief, so alarmiert sei er gewesen. Das klingt natürlich ganz und gar nicht so, als ob Putin noch Herr des Verfahrens war. Ich nehme Lukaschenkos Aussage, er sei mit weisen Ratschlägen sowohl an Putins als auch Prigoschins Adresse alleiniger Dreh- und Angelpunkt der gefundenen Lösung gewesen, aber keineswegs für bare Münze. Ich glaube vielmehr, dass da auch noch andere Leute involviert waren.

War die erfolgreiche Vermittlung mehr als ein symbolischer Erfolg für Lukaschenko? Immerhin muss er sich nun möglicherweise mit dem Unsicherheitsfaktor Prigoschin im eigenen Land herumschlagen.

Das führt uns zu der Frage zurück, ob es eine Vereinbarung zwischen Prigoschin und dem Kreml gibt, und falls ja, wie die genau aussieht. Meiner Meinung nach dürfte sich Lukaschenko einen Vorteil ausrechnen, der über die Imagepflege hinausgeht. Vielleicht denkt er, dass ihm nun eine Privatarmee zur Verfügung steht, die ihm noch nützlich sein kann. Aber das kann ich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht wirklich beurteilen. Ebenso schwierig ist die Einschätzung, ob er mit Prigoschin nun einen Unruhestifter am Hals hat, der ihn eher behindert als ihm hilft. Die Antworten auf all diese Fragen hängen davon ab, wie viele Wagner-Kämpfer nach Belarus umziehen werden, ob sie mit oder ohne ihre Ausrüstung und ihren Waffen dorthin gehen, ob Russland eine gewisse Kontrolle über Wagner ausüben wird. Entscheidend sind jetzt die Absprachen.

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