CDU-Chefhaushälter Rehberg: “Die Reserven sind nicht unerschöpflich”
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Gestapelte Geldmünzen liegen auf Geldscheinen (Symbolfoto). Der Arbeitskreis Steuerschätzung tagt in der kommenden Woche.
© Quelle: Tobias Hase/dpa
Berlin. Der CDU-Politiker Eckhardt Rehberg ist Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion und damit neben Bundesfinanzminister Olaf Scholz der wichtigste Fachmann für den Etat des Bundes. Ein Gespräch über einbrechende Steuereinnahmen, wachsende Löcher in den Sozialkassen und mögliche Konjunkturpakete.
Herr Rehberg, in der Unionsfraktion gab es die Forderung, dass es endlich ein “Preisschild” für die Gesamtbelastung des Haushaltes durch die Corona-Krise geben müsse. Wie ist die Lage?
Wir haben im Nachtragshaushalt neben den Hilfsprogrammen für die Wirtschaft eine Reserve von 55 Milliarden Euro vorgesehen, damit wir kurzfristig auf die aktuelle Entwicklung der Pandemie reagieren können. Davon sind bereits rund 16 Milliarden Euro verplant, etwa zur Stützung der Kliniken, zur Beschaffung von Schutzkleidung und zum Ankurbeln einer heimischen Maskenproduktion.
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Es gibt bereits neue Geldforderungen. Entwicklungsminister Gerd Müller möchte 3 Milliarden Euro für ein Corona-Hilfsprogramm für die Entwicklungsländer. Bekommt er die Summe?
Dafür muss es erst einmal eine Entscheidung innerhalb der Bundesregierung geben. Das zuständige Entwicklungsministerium und das Bundesfinanzministerium müssen sich abstimmen. Klar ist: Die Reserven sind nicht unerschöpflich. Das Geld, das wir jetzt ausgeben, finanzieren wir über neue Kredite, die wir nach der Schuldenregel ab 2023 wieder schrittweise zurückzahlen müssen. Wir können also nicht einfach die Schleusen komplett für alle Wünsche öffnen. Der Bundeshaushalt kann nicht alles alleine tragen.
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Der CDU-Politiker Eckhardt Rehberg im Bundestag.
© Quelle: imago images/Christian Spicker
Wie werden die Soforthilfen für kleine Unternehmen und Selbstständige nachgefragt?
Bisher sind Anträge im Umfang von über 11 Milliarden Euro bewilligt worden. Das klingt angesichts des eingeplanten Volumens von 50 Milliarden Euro nicht viel. Doch bisher deckt das Programm ja nur eine Einmalzahlung für drei Monate ab. Ich gehe davon aus, dass wir die Hilfen verlängern müssen. Selbst nach den eingeleiteten Lockerungen werden viele Firmen weiterhin nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. Denken Sie daran, dass zum Beispiel Großveranstaltungen verboten bleiben. Ich gehe daher davon aus, dass wir das eingeplante Geld auch tatsächlich benötigen werden.
Wie sieht es bei den Sozialversicherungen aus?
Sie machen mir große Sorgen. Auch hier steigen die Ausgaben, während die Einnahmen wegbrechen. Das Milliardenpolster im Gesundheitsfonds ist bereits aufgebraucht. Bei der Arbeitslosenversicherung bezweifle ich die Aussage von Arbeitsminister Heil, wonach die Reserve von 26 Milliarden Euro bis zum Jahresende reicht. Nur 13,5 Milliarden Euro stehen davon kurzfristig überhaupt zur Verfügung. Der Rest ist langfristig angelegt. Auf die Pflegeversicherung kommen ebenfalls hohe Mehrbelastungen zu. Und bei der Rentenversicherung sehe ich auch Probleme. Weder im nächsten Jahr noch 2022 werden wir Beitragseinnahmen erreichen wie vor der Krise.
Auch bei den Steuern ist mit einem Einbruch zu rechnen. In der nächsten Woche kommt die neue Steuerschätzung. Was erwarten Sie?
Wir haben im Nachtragshaushalt von März die Einnahmen des Bundes bereits um rund 33 Milliarden Euro gesenkt. Das wird nicht reichen, da die Wachstumsprognose inzwischen weiter nach unten korrigiert wurde. Wir werden daher beim Bund mit einem Minus von mindestens 40 Milliarden Euro rechnen müssen. Zusammengerechnet werden Bund, Länder und Kommunen mit mindestens 100 Milliarden Euro weniger auskommen müssen als bisher geplant. Werden die fünf Jahre bis 2024 summiert, ergibt sich wahrscheinlich ein Minus in mittlerer dreistelliger Milliardenhöhe.
Ist ein weiterer Nachtragshaushalt nötig?
Wenn wir ein Konjunkturprogramm seriös finanzieren wollen, benötigen wir aller Voraussicht nach weitere Kredite und damit auch einen zweiten Nachtragshaushalt.
Gefordert wird unter anderem eine Kaufprämie für Autos. Was halten Sie davon?
Das sehe ich sehr kritisch. Wir dürfen nicht vergessen, dass die drei großen Autokonzerne im vergangenen Jahr noch satte Gewinne gemacht haben. Wir sollten das Steuergeld sinnvoller einsetzen.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Es muss vor allem darum gehen, durch gezielte Steuererleichterungen die Liquidität der Unternehmen zu erhöhen. Beitragserhöhungen in den Sozialversicherungen müssen wir unbedingt vermeiden. Die Sozialabgaben müssen stabil bei 40 Prozent bleiben. Das ist auch sozial gerecht, schließlich müssen Sozialabgaben, anders als Steuern, ab dem ersten Euro gezahlt werden.
Wie soll das gelingen, wenn die Krise riesige Löcher in die Sozialkassen reißt?
Wir müssen alle Sozialkassen durch mehr Steuergeld stützen. Auch die Pflegeversicherung, die bisher noch keine Zuschüsse bekommt, benötigt die Hilfe des Bundes. Nur so können wir verhindern, dass die Beträge auf breiter Front explodieren. Wir brauchen stabile und bezahlbare Sozialsysteme. Für große und dauerhafte Steuersenkungen sehe ich wenig Spielraum.