Innenpolitiker stellen Handeln der Polizei bei Anschlag in Hanau infrage

Innenpolitiker hinterfragen das Verhalten der Polizei während des Anschlags in Hanau.

Innenpolitiker hinterfragen das Verhalten der Polizei während des Anschlags in Hanau.

Berlin. Der Generalbundesanwalt hat auch rund eine Woche dem mutmaßlich rassistischen Anschlag in Hanau keine Hinweise auf mögliche Mitwisser oder Unterstützer des Todesschützen. Das berichteten Teilnehmer einer nicht-öffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages am Donnerstag in Berlin.

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Die Abgeordnete Martina Renner (Linke) gab der AfD und der islamfeindlichen Pegida-Bewegung aus Dresden eine Mitverantwortung. Sie hätten „die Opfer markiert“, die dann von Neonazis und bewaffneten Rassisten ermordet worden seien. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), sagte, er sehe “eine ganz klare Mitverantwortung” der AfD für die rechtsextremistisch motivierten Anschläge der vergangenen Monate. Die Partei habe zu einer Radikalisierung in der Gesellschaft beigetragen und solle sich “nicht herausreden”.

Die Grünen fragten, warum der Täter am Mittwoch vergangener Woche so lange ungehindert quer durch die hessische Stadt fahren konnte. Wie habe es sein können, „dass der Täter insgesamt eine Stunde Menschen ermordet hat“, ohne dass sich ihm ein Polizist in den Weg gestellt habe, fragte die Abgeordnete Filiz Polat.

Polizei stürmte fünf Stunden nach erstem Todesschuss die Wohnung

Der 43-jährige Deutsche hatte an verschiedenen Orten und auf der Fahrt mit seinem Auto neun Menschen mit ausländischen Wurzeln, seine Mutter und schließlich sich selbst erschossen. Die Abgeordneten berichteten unter Berufung auf den Generalbundesanwalt, der Attentäter habe um 21.58 Uhr zuerst einen Menschen auf der Straße erschossen. Dann sei er geflohen und habe unterwegs einen zweiten Menschen getötet, bevor er weiter zur Bar Midnight fuhr und dort vier Schüsse durch die Tür abgab. An diesem Tatort sei ein Mensch gestorben, hieß es. Als er weiterfuhr, tötete der Mann einen weiteren Menschen. Im Vorraum eines Kiosks habe er dann vier Menschen getötet. In der benachbarten Arena Bar gab es demnach einen Toten und mehrere Verletzte.

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Um 22.10 Uhr sei der Todesschütze dann mit dem Auto zur Wohnung seiner Eltern gefahren. Dort soll sein Auto - nach Auswertung einer Video-Aufnahme und Kennzeichen-Abfrage - um 23.10 Uhr festgestellt worden sein. Wie ein Abgeordneter berichtete, klingelte die Polizei erst - vergeblich - an der Tür. Dann sei eine Drohne losgeschickt worden, um durch das Fenster schauen zu können. Das Spezialeinsatzkommando sei um 3.03 Uhr in die Wohnung eingedrungen, berichteten mehrere Teilnehmer der Sitzung übereinstimmend.

Vor der Tat wegen Falschparkens kontrolliert

Etwa eine Stunde vor Abgabe des ersten Schusses war der mutmaßliche Todesschütze noch wegen Falschparkens kontrolliert worden. Die Teilnehmer der Sondersitzung berichteten, dass sein Auto in der Nähe des ersten Tatorts stand. Er habe bei der Kontrolle nicht aggressiv reagiert, erfuhren die Teilnehmer vom Generalbundesanwalt.

Er besaß zudem eine Waffenerlaubnis. Abgeordnete der Union regten an herauszufinden, ob die Vorschriften zur Überprüfung von Waffenbesitzern in den Ländern richtig umgesetzt werden. Vorher sei es nicht sinnvoll, über eine Verschärfung des Waffenrechts zu sprechen, sagte die Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU).

Tobias R. litt offensichtlich unter Wahnvorstellungen. Er hatte im November 2019 ein Schreiben an den Generalbundesanwalt geschickt, in dem er erklärte, er werde illegal überwacht. Die Sitzung begann mit einer Gedenkminute für die Opfer des Anschlags.

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Migrantenorganisationen fordern mehr Einsatz von Merkel

Die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen Bundeskanzlerin ruft derweil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Handeln auf. „Die Würde des Menschen ist nicht gleichermaßen unantastbar für alle Menschen in Deutschland 2020“, schrieb das Netzwerk in einem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Brief an Merkel. Der Konferenz gehören nach eigenen Angaben 40 Migrantenorganisationen an.

Ein Viertel der Bevölkerung habe einen Migrationshintergrund und fürchte „um seine Unversehrtheit, um seine Zukunft und die seiner Kinder“, schrieben die Absender. Sie nahmen auch auf die kürzlich aufgeflogene mutmaßliche rechte Terrorzelle „Gruppe S.“ Bezug. Sie soll Anschläge auf Moscheen sowie in Thüringen geplant haben, wo der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von Union und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Die Konferenz beklagte, im gesamten Kabinett gebe es nicht eine Person, die Erfahrung habe mit Rassismus. „Man stelle sich ein Kabinett vor, das nicht einen einzigen Ostdeutschen umfasst oder keine einzige Frau.“

Konkret forderten die Absender einen „ständigen Partizipationsrat Einwanderungsgesellschaft“ aus Wissenschaftlern und Vertretern von Migrantenorganisationen, der beim Bundestag angesiedelt sein und für eine dauerhafte Auseinandersetzung mit dem Thema sorgen solle. Beim nächsten Integrationsgipfel am kommenden Montag sollten „substanzielle, zählbare Verbesserungen“ auf den Weg gebracht werden. „Deutliche Worte nach Gewalttaten alleine helfen nicht, weitere Opfer zu verhindern.“

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RND/dpa

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