Infektionsschutzgesetz statt Corona-Gipfel? Der Tag, der die Wende bringen könnte
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Leere Stühle vor einer MPK-Pressekonferenz. Das geplante neue Infektionsschutzgesetz würde die Treffen in der bisherigen Form überflüssig machen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa/Pool/dpa
Berlin. Am Donnerstagabend sah alles noch so aus, als würde das Politchaos in der Corona-Pandemie kein Ende nehmen. Die für Montag geplante Ministerpräsidentenkonferenz werde wohl ausfallen, hieß es, weil kein abgestimmter Beschlussvorschlag – sprich: keine Einigung – in Sicht sei. Am selben Tag unternahmen die drei CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen, Johann Wadephul und Yvonne Magwas einen Vorstoß zur Reform des Infektionsschutzgesetzes. Ausgang ungewiss.
Am Freitagnachmittag nun wirkten die Dinge plötzlich und einigermaßen überraschend sehr viel freundlicher. Es sieht so aus, als leite dieser Freitag eine Wende ein. Zwar wurde die Ministerpräsidentenkonferenz tatsächlich abgesagt. Das aber womöglich aus gutem Grund. Bund und Länder sind nämlich offenbar bereit, sich zusammenzuraufen und in den kommenden zwei Wochen Regeln zu schaffen, an denen kein Land mehr vorbeikommt. Das Gezerre hätte dann ein Ende.
Gezerre hätte ein Ende
Bund und Länder hatten ja Anfang März eine sogenannte Notbremse vereinbart, also die Rücknahme von Lockerungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohner. Freilich wird diese Notbremse in den Bundesländern mal streng, mal weniger streng gehandhabt.
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Kanzlerin Angela Merkel rüffelte deshalb vor knapp zwei Wochen in der ARD-Sendung „Anne Will“ die Chefs verschiedener Länder – so Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), den saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) und sogar seinen nordrhein-westfälischen Amtskollegen Armin Laschet, der bekanntlich nicht bloß CDU-Bundesvorsitzender, sondern auch potenzieller Kanzlerkandidat der Union ist.
Merkel hatte wenig in der Hand. Dennoch war die Botschaft unmissverständlich. Sie werde nicht tatenlos zusehen, bis es 100.000 Neuinfektionen an einem Tag gebe, sagte die Regierungschefin. Die Länderchefs waren wenig amüsiert und zeigten es auch.
Mittlerweile hat sich der Wind augenscheinlich gedreht. Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte am Freitag, Bund und Länder zögen an einem Strang. „Alle gemeinsam haben das Gefühl, es macht einen Sinn, das bundesweit so einheitlich festzulegen, dass alle klar wissen, woran sie sind“, sagte er.
Bund und Länder einigen sich auf Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Bund und Länder haben sich laut einer Regierungssprecherin auf eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes für bundeseinheitliche Regelungen verständigt.
© Quelle: Reuters
Wenn man einheitliche gesetzliche Regeln habe, „dann muss man auch nicht alle zwei Wochen neu darüber verhandeln. Dann muss auch nicht jeden Tag jemand ein neues Interview geben, um zu verkünden, was als Nächstes zu tun ist.“
Aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg kamen ähnliche Signale, ebenso aus Sachsen-Anhalt, wo CDU, SPD und Grüne gemeinsam die Regierung bilden.
Intensivstationen füllen sich
Und: Es soll jetzt schnell gehen – schnell jedenfalls gemessen an den üblichen Fristen des politischen Systems. Demnach könnte das neue Infektionsschutzgesetz bereits in der kommenden Woche den Bundestag passieren – vorausgesetzt, nicht allein die Regierungsfraktionen Union und SPD machen mit, sondern auch die Oppositionsfraktionen FDP, Linke und Grüne. Anschließend müsste das Gesetz in den Bundesrat.
Noch ist nicht ganz klar, welche Regeln ab einer 100er-Inzidenz genau gelten sollen. Klar wäre indes eines: Unterhalb dieser Schwelle wären die Länder autonom, oberhalb dieser Schwelle würde der Bund für alle entscheiden. Dann wüssten auch die Bürger und die von Beschränkungen Betroffenen Bescheid, woran sie sind.
Unbestreitbar ist, dass medizinisch etwas passieren muss – und dass sich das Virus nicht an Gesetzgebungsfristen hält. „Jeder Tag zählt“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx, am Freitag mit Blick auf einen etwaigen neuen Lockdown.
Der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, sagte, einige Krankenhäuser seien bereits nicht mehr in der Lage, Covid-Intensivpatienten aufzunehmen.