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Immerhin: Biden gewinnt den Krieg der Worte

Joe Biden.

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Liebe Leserinnen und Leser,

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die Russland-Ukraine-Krise ist eigentlich schon beklemmend genug. Wie aber würde sie sich derzeit anfühlen mit Donald Trump im Weißen Haus?

Es ist ein gruseliger Gedanke. Aber man sollte ihn mal zulassen: Er schafft ein Bewusstsein dafür, wie sehr auch das Lebensgefühl der Europäer an der amerikanischen Politik hängt.

Willkommen zur neuen Ausgabe von „What‘s up, America“.

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Putins „peacekeeper“ sind „piecekeeper“

Russlands Präsident verändert gerade die Landkarte. In der Nacht zum Dienstag erklärte er die ukrainischen Donbass-Republiken Donezk und Luhansk zu eigenständigen Staaten und entsandte Panzertruppen – als „peacekeeper“, wie die russische Regierung offiziell erklärte.

In Wirklichkeit sind es „piecekeeper“: Putins Truppen, wie bei der Annexion der Krim im Jahr 2014 in unmarkierten Panzern unterwegs, sollen auch diese beiden der Ukraine entwendeten Stücke nicht mehr loslassen.

Was nun? Zu der Aktion im Donbass, der bereits von prorussischen Rebellen kontrolliert wird, hätte es nicht eines Aufmarsches von mehr als 160.000 russischen Soldaten im Norden, Osten und Süden der Ukraine bedurft. Nach wie droht also etwas anderes, viel Größeres.

Dass Putin in seiner bizarren Rede in der Nacht zum Dienstag betonte, Kiew sei „die Mutter aller russischen Städte“, verheißt nichts Gutes – zumal Putin zugleich der Ukraine insgesamt das Existenzrecht absprach und sie als Schöpfung der Sowjetunion bezeichnete.

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Dabei ist schon die Anerkennung der beiden Donbass-Republiken schlimm genug. Die sattsam bekannten Empfehlungen, den vielzitierten Dialog mit Russland zu suchen und insbesondere den Minsker Friedensprozess wieder anzuschieben, haben sich damit erledigt: Putin persönlich hat jetzt die Minsker Friedensverhandlungen ein für allemal in die Tonne getreten.

Ein kleines Quantum Trost

Inmitten dieser Krise bleibt dem Westen trotz alledem ein Quantum Trost. Vier Dinge geben zumindest ein bisschen Halt in schwerer Zeit.

  1. Statt Trump regiert zum Glück Joe Biden. Mit Trump stünde in Washington ein Feuerwehrmann mit verschränkten Armen im Gerätehaus und würde fragen, was für ihn drin liegt, wenn er sich denn wider Willen überhaupt mit dem in Europa brennenden Haus befassen soll. Biden und seine Teams beschäftigen sich mit der Krise rund um die Uhr.
  2. EU und USA rücken zusammen. Putins Aggressivität hat zwei Gruppen gleichzeitig einen Dämpfer gegeben: den antiamerikanischen Linkspopulisten in Europa und den antieuropäischen Rechtspopulisten in den USA. Dies könnte dabei helfen, dass auf beiden Seiten des Atlantiks ein Moment der Besinnung eintritt.
  3. Die Nato erweist sich als quicklebendig – nachdem sie im Jahr 2019 von Emmanuel Macron für hirntot erklärt worden war. Sogar in bisherigen Nicht-Nato-Staaten wie Schweden und Finnland ist das westliche Bündnis jetzt so populär wie noch nie.
  4. Der amerikanische Präsident macht vieles richtig. Biden spricht sich ab mit seinen Verbündeten. Und gegen Putin spielt der alte Kämpe im Weißen Haus ein erstaunlich offensives Tennis, mit eigenwilligen, aber erfolgreichen Kommunikationsstrategien. Mal jagt er den Russen weit nach hinten, mal lässt er dessen Ball gleich am Netz abtropfen.

Schnell raus mit Geheimdiensterkenntnissen

Auffallend ist vor allem die von Biden veranlasste schnelle Weitergabe von Geheimdiensterkenntnissen an die Öffentlichkeit. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz maulten europäische Kritiker, dies sei nicht der Weisheit letzter Schluss: Am Ende werde Biden damit politisch haftbar für mögliche Fehleinschätzungen seiner Dienste.

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Biden hat sich jedoch dafür entschieden, den täglichen Bericht seiner Geheimdienste („President‘s Daily Brief“) in diesen Zeiten nicht schweigend in der Schreibtischschublade verschwinden zu lassen. Inhalte, die ihm geeignet erscheinen, die weltweite Kommunikation voranzutreiben – oder aber mindestens auf Putin einzuwirken –, macht er öffentlich bekannt.

Auch Bidens Außenminister Antony Blinken nutzte immer wieder Material der Geheimdienste, etwa in seiner beeindruckenden Rede vor den Vereinten Nationen. Verblüffend detailreich legte er die bei einem russischen Angriff zu erwartenden militärischen Einzelaktivitäten dar.

Zunehmend finden Hinweise aus geheimen Dossiers auch ihren Weg zu Journalisten. Immer wieder fallen etwa David Sanger von der „New York Times“ und Shane Harris von der „Washington Post“ als besonders gut informiert auf. Beide konnten, angeblich mit der Hilfe von Kongressmitarbeitern, einen Blick auf Szenarien werfen, in denen für den Fall einer „full-scale invasion“ in der Ukraine mit 50.000 Toten gerechnet werden muss und mit bis zu fünf Millionen Flüchtlingen.

Russische Offiziere sind genervt

Amerikas Hantieren mit Geheimdiensterkenntnissen nagt offenbar inzwischen am Selbstvertrauen russischer Offiziere. Schon Ende Januar berichteten etwa die Nachrichtenagentur Reuters und der Sender CNN über Blutkonserven, die für die russischen Feldlazarette an den Grenzen zur Ukraine herbeigeschafft wurden. Über solche Dinge tauschen sich die Russen nicht öffentlich aus. Sind die militärischen Kommunikationskanäle von Putins Armee für die Amerikaner inzwischen eine geknackte Nuss? Biden und Blinken schweigen zu dieser Frage.

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Anfangs schien es, als könne in diesem Spiel am Ende doch wieder Putin punkten – etwa indem er einmal einen für den vorigen Mittwoch vorhergesagten Angriff nicht stattfinden ließ. „Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch“, höhnte Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow öffentlich in Brüssel. Auch in Moskau feixten hohe und höchste Repräsentanten des Regimes, vielleicht ein bisschen zu laut.

Biden glaubt Putin kein Wort

Von Anfang an half es Biden, dass er den Worten Putins generell keinen Glauben schenkt. Der 78-Jährige orientiert sich, wenn es um Russland geht, allein an Fakten. Für irgendwelche Träumereien ist er nun schon zu lange dabei. Biden, erst Senator, dann Vizepräsident unter Barack Obama, hat den trickreichen russischen Präsidenten seit dessen Anfängen vor mehr als 20 Jahren im Blick.

So blieben die USA völlig cool, als halb Europa am 15. Februar schon auf dem Tisch tanzte vor Freude über den von Russland verkündeten angeblichen Teilabzug seiner Truppen. In Deutschland deutete die Co-Vorsitzende der größten Regierungspartei, Saskia Esken, dies prompt als Erfolg des sozialdemokratischen Bundeskanzlers: „Well done, Olaf Scholz.“

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Es stimmte nur leider nicht. Weder Flugzeuge noch Satelliten noch Agenten am Boden bestätigten einen Abzug. Deshalb kam aus Washington die Botschaft: Vorsicht, Putin lügt mal wieder.

Das wiederum erwies sich dann, auch nach Auskunft europäischer Dienste, einmal mehr als wahre Aussage. Erneut wuchs damit Bidens Autorität in Europa.

Die Vorteile der „Megafonpolitik“

Auch die manchmal etwas schrillen Warnungen der USA vor fingierten Kriegsgründen scheinen ihre Wirkung auf die westliche Öffentlichkeit nicht zu verfehlen: Die Glaubwürdigkeit Moskaus erodierte zusehends.

Die Biden-Administration schlug zuweilen Töne an, „als würde der Wetterkanal einen Wirbelsturm verfolgen“, mokierte sich in der „Washington Post“ der Kolumnist Anthony Faiola – um aber gleich anzufügen, dass viele Außenpolitikexperten Bidens „Megafonpolitik“ für genau richtig halten: Ständig sei Biden den Russen kommunikativ einen Schritt voraus gewesen, als der Vertreter der redlicheren, ehrlicheren Macht.

Der US-Präsident beließ es nicht dabei, in den Herzen und Hirnen der Europäer den Gedanken zu verankern, dass Putin ein Aggressor ist und ein Lügner. Hinzu kam nun noch der unmissverständliche Hinweis, dass er sich Gesprächen verweigert.

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Das erste Eigentor der Russen an dieser Stelle war ihr Fernbleiben von der Münchner Sicherheitskonferenz. Den schon ritualhaften Singsang, es seit „Zeit für einen Dialog“, sparten sich diesmal sogar die notorischen Russland-Versteher: Man sah ja, wer sich dem Dialog verweigert und wer nicht. Die Amerikaner setzten am Montag nach der Sicherheitskonferenz noch eins drauf und erklärten ihre zumindest prinzipielle Offenheit für ein Gipfeltreffen Biden-Putin. Der Kreml indessen nannte solche Pläne „verfrüht“.

Die USA entsandten Vizepräsidentin Kamala Harris (links, mit Bundeskanzler Olaf Scholz) zur Münchner Sicherheitskonferenz – die Russen blieben der Veranstaltung erstmals fern.

Die USA entsandten Vizepräsidentin Kamala Harris (links, mit Bundeskanzler Olaf Scholz) zur Münchner Sicherheitskonferenz – die Russen blieben der Veranstaltung erstmals fern.

Putin mag sich jetzt freuen über seinen mit pompösen Begründungen begleiteten Griff nach den Donbass-Republiken. Doch ob seine großrussischen Träume nicht am Ende in ein großes Desaster führen, auch für ihn selbst und für Russland, ist noch völlig offen.

Die weltpolitischen Gewinner dieser Tage sind die USA. Biden steht in Europa da als der seriöse Verteidiger des Völkerrechts, Putin als der Aggressor. Biden sagt, was los ist, Putin lügt. Biden ist bereit zu Gesprächen, Putin nicht.

Ja, Russland lässt wieder Panzer rollen. Doch im Krieg der Worte steht es jetzt drei zu null für die USA. Auf lange Sicht kann auch das von großer Bedeutung sein.

Aus aktuellem Anlass entfallen heute Rubriken wie „Way of Life“. Den nächsten USA-Newsletter bekommen Sie am 8. März.

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Bis dahin: stay cool - and stay sharp!

Ihr Matthias Koch

 

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