„Der Tag“

Immer Ärger mit Harry

Die mit Spannung erwartete Autobiografie des britischen Prinzen Harry ist nach Angaben britischer Medien in Spanien versehentlich bereits am Donnerstag in den Handel gelangt.

Die mit Spannung erwartete Autobiografie des britischen Prinzen Harry ist nach Angaben britischer Medien in Spanien versehentlich bereits am Donnerstag in den Handel gelangt.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

ein US-Politikstratege brachte es dieser Tage in der BBC-News-Sendung „Outside Source“ auf den Punkt: Plötzlich beginne sich in den USA alles für das britische Königshaus zu interessieren – denn das, was sich da abspiele, sei inzwischen durchaus mit amerikanischen Fernsehserien wie „Denver Clan“ vergleichbar, die sich überwiegend durch familiäre Intrigen auszeichnen. Aus seiner Villa in Kalifornien schießt König Charles’ Sohn Harry mit schöner Regelmäßigkeit quer, und er bedient sich dafür ausgerechnet jener Mittel, die er selbst stets verteufelt hat: der Medien. „Es ist ziemlich seltsam, dass er die eigene Privatsphäre nicht schützt“, findet auch der Monarchieexperte Craig Prescott im Interview mit meiner Kollegin Hannah Scheiwe.

Am Dienstag nun erscheint Harrys autobiografisches Buch „Spare“ (was so viel bedeutet wie „Reserve“ oder „Ersatzteil“), und aus dessen Inhalt werden bereits vor Erscheinen immer mehr Details bekannt. Der „Guardian“, dem ein Exemplar zugespielt worden ist, zitiert bereits munter aus Harrys Ansicht über seine Familie, sein Land und das große Ganze. Zudem war die spanische Übersetzung am Donnerstag durch ein Versehen bereits in einer Buchhandlung erhältlich. Darauf stürzten sich offenbar britische Boulevardmedien und Fernsehsender, die nun ihrerseits fleißig zitieren. In der Regel geben Verlage vorab Exemplare zu Rezensionszwecken an Medien heraus. Dies war im Fall von „Spare“ nicht so. Eigentlich.

Neben einer Reihe persönlicher Anschuldigungen gegenüber dem Königshaus – unter anderem jener, dass William seinen Bruder Harry vor gar nicht allzu langer Zeit im Streit zu Boden geworfen haben soll – merken Sicherheitsexpertinnen und ‑experten vor allem bei einem Detail auf: Harry soll in seinem Buch schreiben, dass er während seines Einsatzes in Afghanistan insgesamt 25 Taliban getötet habe. Es ist eigentlich aus guten Gründen in der britischen Armee nicht üblich, dass sich jemand zu einer Tötung bekennt, denn dies könnte Racheaktionen zur Folge haben. Bislang waren Harrys Einsätze stets heruntergespielt worden.

Der Enkel der im vergangenen Jahr verstorbenen Königin Elizabeth II. war zunächst 2008 für die britische Armee in Afghanistan, wurde dann aber eilig ausgeflogen, als sein Aufenthaltsort bekannt geworden war. In den Jahren 2012 und 2013 schickte man ihn dann für mehrere Monate als Co-Piloten eines Kampfhubschraubers in die südafghanische Provinz Helmand. Das einzige, das damals nach außen getragen wurde, war ein Imagewandel des einstigen Palastrabauken: Harry wird erwachsen, sollten gezielt veröffentlichte Aufnahmen suggerieren. Von Tötungen war nicht die Rede.

Prinz William (links) und sein Bruder Prinz Harry im September in Windsor, nachdem sie die Blumengrüße für ihre verstorbene Großmutter vor dem Schloss besichtigt haben.

Prinz William (links) und sein Bruder Prinz Harry im September in Windsor, nachdem sie die Blumengrüße für ihre verstorbene Großmutter vor dem Schloss besichtigt haben.

Besonders heikel mutet das Buch auch an, da es bereits fertig gewesen sein dürfte, als Harry und William zur Trauerfeier ihrer Großmutter im vergangenen September in scheinbar geschwisterlicher Eintracht mehrfach vor die Kameras traten. Damals ahnte noch niemand, dass in „Spare“ laut den bislang bekannt gewordenen Auszügen auch Anschuldigungen gegenüber William und dessen Frau Kate gemacht werden. So versucht Harry offenbar auch einen seiner größten Skandale aus seiner früheren Phase seinem Bruder anzuhängen. Bevor er im Alter von 20 Jahren in einer Nazi-Uniform bei einer Party auftauchte, habe er diesen gefragt, was er tragen solle: die Uniform oder ein Pilotenoutfit. Kate und William hätten ihn ausgelacht und für die Nazi-Uniform plädiert, in der er später auf der Party fotografiert wurde und auf den Titelseiten von Boulevardmedien in aller Welt landete. Der Tiefpunkt schien erreicht.

Man könnte nun Mitleid mit Harry haben, einem Menschen, der gewissermaßen im „goldenen Käfig“ der Royals aufwuchs, ohne dass er – an mittlerweile fünfter Stelle der Thronfolge – je Aussicht auf einen ernst zu nehmenden Posten im Palast haben würde. Man kann gut und gern der Ansicht sein, dass der ganze royale Firlefanz antiquiert ist und einer Demokratie unwürdig. Man kann Harry und seiner Ehefrau Meghan Respekt zollen, dass sie die Notbremse gezogen haben und in die USA geflüchtet sind, um ein neues Leben zu beginnen, ohne royale Verpflichtungen. Dass Harry aber sein Trauma über so viele Etappen medial ausschlachtet – erst in Interviews, dann in einer eigenen Netflix-Serie und nun mit seinem Buch, begleitet von gleich mehreren Fernsehinterviews, die an diesem Wochenende im amerikanischen und im britischen Fernsehen ausgestrahlt werden – lässt das Ganze zunehmend unglaubwürdig erscheinen.

Geht es wirklich um Recht und Unrecht? Oder versucht da jemand nachzutreten, der auch sonst im Leben bislang mehr oder weniger durch Querschläge von sich Reden gemacht hat? Vor allem dürften sich Serie und Buch angesichts des riesigen Interesses für Harry als durchaus lukrativ erweisen.

Ob er erwarte, zur Krönung seines Vaters im Mai eingeladen zu werden, wird Harry laut einer Vorabveröffentlichung eines morgen ausgestrahlten Interviews mit dem Sender ITV gefragt. „Der Ball ist in ihrem Feld“, antwortet der Prinz mit Bezug auf seine Familie. Seine Tür stehe immer offen. Inzwischen scheint es aber nicht mehr nur die Frage zu sein, ob ihn seine Familie in London jemals wiedersehen möchte. Die britische Öffentlichkeit schüttelt zunehmend den Kopf über das, was da aus der kalifornischen Villa über den Atlantik schwappt. Die Royalexpertin Pauline MacLaran etwa glaubt, dass Harry in der britischen Bevölkerung nun noch unbeliebter werde. „Indem er schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wäscht, bringt er sich in eine schwierige Lage“, erläuterte sie unserer London-Korrespondentin Susanne Ebner.

Das Königshaus selbst hält es auch im Fall Harry bislang mit der Tradition Queen Elizabeths II.: „Keep calm and carry on“ – ruhig verhalten und weitermachen.

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Zitat des Tages

Offenbar mag ich es, Geschichte zu schreiben.

Kevin McCarthy,

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Was heute wichtig wird

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Der Podcast des Tages

Der neue „Geyer & Niesmann“-Podcast: Im politischen Wochenrückblick wagen Steven Geyer und Andreas Niesmann mit Micky Beisenherz („Apokalypse & Filterkaffee“) eine Vorschau auf das neue Jahr: Wer wird 2023 wichtig? Wie geht der Krieg in der Ukraine weiter? Was hat Olaf Scholz mit allen Dschungelkönigen gemeinsam? Wie viele unterschiedliche Ausgaben von Markus Söder erleben wir im Jahr der Bayern-Wahl? Warum muss sich Friedrich Merz vor Hendrik Wüst fürchten? Und weshalb will Harry seinem Vater Charles die Krönung versauen? Darüber – und über vieles mehr – fachsimpeln und witzeln die beiden in unserem fast schon traditionellen Jahresausblick.

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Die News zum Hören

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Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Tag,

Ihr Michael Pohl

 

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