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Im Notfall: EU-Kommission will Staaten zum Gassparen zwingen

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Archivbild)

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Archivbild)

Brüssel. Ein Horrorszenario würde Wirklichkeit, wenn Russland gar kein Gas mehr in die EU schicken würde. Weil das angesichts der Unberechenbarkeit Putins nicht ausgeschlossen ist, hat die EU-Kommission am Mittwoch einen Notfallplan vorgelegt. Darin fordert die Behörde, dass jeder EU-Mitgliedsstaat den Gasverbrauch freiwillig bis Ende März 2023 um 15 Prozent senkt. „Damit kommen wir über den Winter, selbst wenn Russland seine Gaslieferungen komplett einstellt“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zugleich drohte sie: Wenn die EU-Staaten die Einsparziele nicht erreichen, dann sollen sie dazu gezwungen werden.

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„Russland erpresst uns und benutzt Energie als Waffe“, sagte von der Leyen mit Blick auf die gesenkten Gaslieferungen in den vergangenen Monaten. Um die Heizperiode zu überstehen und die EU-Wirtschaft vor dem Sturz in eine Rezession zu bewahren, müssten die Mitgliedsstaaten schon in diesem Sommer beginnen, ihren Gasverbrauch zu reduzieren.

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Von der Leyen im O-Ton: „Gazprom ist kein zuverlässiger Lieferant“

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Mit Blick auf eine mögliche Wiederaufnahme der Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 äußerte sich von der Leyen zurückhaltend. „Gazprom ist kein zuverlässiger Lieferant“, sagte die Kommissionschefin. Denn hinter Gazprom stehe Putin. Auch wenn demnächst wieder Gas fließen sollte, heiße das immer noch nicht, dass das auch im Herbst oder Winter so bleiben werde.

Putins Erklärung, man könne doch die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb nehmen, konterte von der Leyen in deutlichen Worten: „Ich möchte hier ganz klar sein: Nord Stream 2 ist nicht einmal zertifiziert und überhaupt nicht einsatzbereit.“

Kern des Notfallplans sind Einsparungen – von 15 Prozent

Kern des EU-Notfallplans sind Einsparungen, die spätestens am 1. August beginnen müssten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gasspeicher in der EU auch im Falle eines Stopps der Lieferungen aus Russland im November zu 80 Prozent gefüllt sind. Derzeit liegt dieser Wert bei fast 65 Prozent.

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Eine Senkung des Verbrauchs um 15 Prozent in jedem EU-Staat kommt nach Berechnung der EU-Kommission einer Gasmenge von 45 Milliarden Kubikmeter gleich. Soviel sei nötig, um über einen harten Winter zu kommen, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Sollte der Winter nicht sehr kalt sein, brauche es immer noch 30 Milliarden Kubikmeter.

EU-Kommission legt Notfallplan für Gaskrise vor
ARCHIV - 06.07.2022, Niedersachsen, Rehden: Die Technik vom Astora Gasspeicher in Rehden. Ein russischer Gas-Lieferstopp würde in Europa spürbare Konsequenzen haben. Um für den Fall der Fälle - einen Stopp russischer Lieferungen - vorbereitet zu sein, stellt die EU-Kommission nun Vorschläge vor. (zu dpa «EU-Kommission stellt Plan für möglichen Gasnotstand vor») Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Entwürfe des Plans sehen unter anderem vor, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen.

Privathaushalte sind nach Darstellung von EU-Kommissionsvize Frans Timmermans zumindest vorerst davor geschützt, dass ihnen das Gas ausgeht. Für den Fall einer Gasnotlage gibt es einheitliche Regelungen in der EU. Haushalte und wichtige soziale Dienste werden als sogenannte geschützte Verbraucher besonders behandelt. „Aber Privathaushalte können natürlich durch Einsparungen ebenfalls zu einem geringeren Gasverbrauch beitragen“, sagte der Niederländer.

Kommission schlägt vor: öffentliche Gebäude weniger beheizen

Die Kommission schlägt in ihrem Notfallplan vor, von Herbst an öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude weniger zu beheizen beziehungsweise zu kühlen. Konkrete Temperaturvorgaben macht die Behörde aber nicht. Letztlich sei es Sache der Mitgliedsstaaten, wie sie das Einsparziel erreichen wollten. In einem Entwurf des Notfallplans war zuvor von einer Maximaltemperatur von 19 Grad die Rede gewesen.

14.07.2022, Niedersachsen, Unterlüß: Ein "Infanterist der Zukunft" steht neben einem Kampfpanzer Panther KF51 des Rüstungskonzerns Rheinmetall bei einer Führung durch das Rheinmetall-Werk Unterlüß anlässlich der Sommerreise des niedersächischen Wirtschaftsministers. Der neu entwickelte Panther gehört zu den modernsten Waffensystemen der Welt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der neue Ruf nach der Rüstung

Deutsche Waffenschmieden haben ein zweifelhaftes Image. Doch in Zeiten des Krieges sind sie gefragt wie selten. Wie funktioniert die Industrie? Und warum kann sie in der Ukraine nur bedingt helfen? Ein Besuch bei Rheinmetall in Unterlüß.

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Finnland und die Niederlande haben ihren Gasverbrauch nach EU-Angaben bereits um mehr als 15 Prozent reduziert. In Deutschland war der Gasverbrauch nach einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums in den ersten fünf Monaten des Jahres um gut 14 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum 2021.

Auch Staaten wie Portugal, die kaum Gas aus Russland beziehen, sollen sparen. Es gehe um Solidarität in der EU, sagte von der Leyen: „Wir haben in der Pandemie gelernt, dass wir jede Krise bewältigen können, wenn wir gemeinsam vorgehen.“

EU-Staaten sollen sich in Gaskrise helfen – und nicht abschotten

Die Kommission will vermeiden, dass sich einzelne Staaten wie zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 abschotten und zum Beispiel Gasflüsse in Nachbarländer unterbinden. Die EU-Staaten sollten sich stattdessen untereinander helfen, wenn es um die Energieversorgung geht.

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Ob das gelingen wird, ist noch offen. Denn schon jetzt halten sich nicht alle Staaten an die Regeln. Ungarn rief vor kurzem den Energie-Notstand aus und kündigte an, dass es ab August kein Gas und andere Energieträger mehr an andere EU-Länder liefern will.

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Streit ist also programmiert, wenn am kommenden Dienstag die Energie-Minister der EU-Staaten den Notfallplan verabschieden sollen. Denn die EU-Kommission will mehr Kompetenzen an sich ziehen. In ihrem Plan heißt es, verpflichtende Einsparziele würden dann eingeführt, wenn mindestens drei EU-Staaten oder die Kommission in Brüssel wegen einer Unterversorgung mit Gas eine akute Notsituation befürchteten. Das dürfte nicht jedem Mitgliedsstaat gefallen.

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