Die Soforthilfe kommt – doch wir müssen in der Katastrophe umdenken
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GIY4NVFAMJBRZDDV7EDQBJBKNE.jpeg)
Rheinland-Pfalz, Altenahr: Ein Helfer ruht sich auf Treibgut und Trümmern aus. Zahlreiche Häuser in dem Ort wurden komplett zerstört oder stark beschädigt.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Berlin. Mitglieder der Bundesregierung hatten in den letzten Tagen schnelle finanzielle Hilfe versprochen, das Kabinett lieferte nun eine Woche nach Beginn der Hochwasserkatastrophe in angemessener Eintracht. Die bereits laufenden Wiederaufbauarbeiten in Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen können forciert und konkreter geplant werden.
Das Signal aus Berlin ist unübersehbar: Wir lassen euch nicht allein.
Söder will Kohleausstieg früher
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat seine Forderung nach einem früheren Kohleausstieg in Deutschland bekräftigt.
© Quelle: Reuters
Zunächst geht es um die Beseitigung der schlimmsten Schäden an Gebäuden und kommunaler Infrastruktur. Außerdem können mit den etwa 400 Millionen Euro, die je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden, besondere Notlagen überbrückt und betriebliche Insolvenzen vermieden werden.
Das zweite Signal aus der Hauptstadt: Diese Hilfen sollen ohne komplizierte Antragsformulare auskommen. Sie sollen vor Ort durch die Länder einfach und schnell an betroffene Bürger oder Firmen ausgezahlt werden.
Das Vertrauen auf schnelle finanzielle Unterstützung hat durch monatelange Verzögerungen bei der Corona-Überbrückungshilfe stark gelitten.
Das sind Versprechen, die noch erfüllt werden müssen. Zur Erinnerung: Das Vertrauen auf schnelle finanzielle Unterstützung hat durch monatelange Verzögerungen bei der Corona-Überbrückungshilfe stark gelitten.
Das dritte Signal richtet die Bundesregierung in die Zukunft: Es wird – wie bei den Unglücken in vergangenen Jahren – einen milliardenschweren Aufbaufonds geben. Über dessen Höhe soll entschieden werden, wenn das Ausmaß der Schäden absehbar ist. Die Jahrhundertflut 2013 richtete in elf Bundesländern Schäden in Höhe von 6 Milliarden Euro an, deren Beseitigung noch heute finanziert wird.
Am Geld wird es nicht scheitern, so das Mantra von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Das ist gut so. Wie lange jedoch behalten solche Aussagen Gültigkeit?
Deutschland hat in den zurückliegenden Jahrzehnten gut gewirtschaftet, so dass Milliardenbeträge für Pandemie- oder Katastrophenhilfen aufgebracht werden können. Auch die Bürger zahlen anständig Steuern.
Allerdings treten Naturkatastrophen in immer kürzeren Abständen auf. Die Frage steht also: Wie schaffen wir ein Absicherungssystem, das sich die Bundesrepublik auch langfristig leisten kann?
Debattiert werden muss im konkreten Fall sicherlich eine künftige Pflichtelementarversicherung für Immobilien – denn Eigentum verpflichtet. Hier müssen die Bürger Farbe bekennen.
Die Naturkatastrophe im Westen führt uns drastisch vor Augen, dass es beim Klimaschutz um mehr geht als um steigende Benzinpreise, Ladestationen für unsere E-Autos oder weniger Fleisch im Essen.
Die Klimaschutzdebatte, die viele schon als abgehakt betrachteten, kommt nun ebenfalls mit Wucht zurück. Was wird aus begradigten Wasserläufen, kompakt versiegelten Flächen in Siedlungen sowie aus Wohnhäusern und Industrieanlagen, die viel zu dicht am Wasser gebaut sind? Besitzen wir genügend Einsicht, Mut und Kraft, daran etwas zu ändern?
Die Naturkatastrophe im Westen führt uns drastisch vor Augen, dass es beim Klimaschutz um mehr geht als um steigende Benzinpreise, Ladestationen für unsere E-Autos oder weniger Fleisch im Essen. Denn zu unserem Lebensstil gehört auch der Umgang mit der Natur.
Der menschengemachte Klimawandel, kombiniert mit den Bausünden der Vergangenheit, kostet durch Tragödien wie an Ahr oder Erft viele Menschenleben und Milliarden für den Wiederaufbau. Die unaufschiebbare Anpassung an den Klimawandel, um künftige Leben zu schützen, wird eine Rückbesinnung auf die Erfordernisse der Natur nötig machen – und einen milliardenschweren Rückbau.
Das angeschlagene Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe könnte mit diesem Thema reüssieren, wenn man es ließe und föderale Eifersüchteleien außen vor blieben. Auch ein von Bund und Länder geplantes Krisenzentrum könnte sich unter Einbeziehung von Behörden, Hilfsorganisationen und Naturschützern an solch eine Aufgabe wagen.
Alle Analysen liegen auf dem Tisch. Jetzt geht es ums Handeln. Denn: Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Leider.