Nach Hochwasser: Konfliktforscher befürchtet Radikalisierung im Streit um Klimaschutz
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Professor Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld.
© Quelle: Universität Bielefeld
Berlin. Der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, Andreas Zick, rechnet angesichts der jüngsten Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland mit zunehmenden gesellschaftlichen Konflikten über den weiteren Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen. Dabei sei auch eine Radikalisierung denkbar.
„In den betroffenen Regionen steigen zunächst die Unterstützung und die Solidarität“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist in solchen Krisensituationen schon öfter der Fall gewesen. Diese Solidaritätseffekte werden aber auch wieder einbrechen. Dann folgen gesellschaftliche und politische Konflikte.“
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Dabei sei das Klimathema ein Konfliktthema, bei dem es um gegensätzliche Wertvorstellungen, Interessen und soziale Ungleichheit gehe. Und es seien hier mehr denn je zwei Spaltungen zu erwarten, zwischen Jüngeren und Älteren sowie zwischen Reicheren und Ärmeren.
Radikale Schritte erwartet
Der Sozialpsychologe verwies auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es habe festgestellt, dass am Konflikt um den Klimawandel ein Generationenkonflikt hänge.
„Wenn keine Antworten gefunden werden und es keine grüne Regierungsbeteiligung geben wird, dann werden Aktionsgruppen reagieren“, sagte er. „Wenn kein Konsens gefunden wird, dann werden wir auch extreme Gruppen wie Extinction Rebellion wieder sehen.“ Zick betonte: „Jetzt ist das Thema auf der Agenda; und jetzt werden radikale Schritte erwartet.“
In einem Aufsehen erregenden Urteil hatten die Karlsruher Richter im Frühjahr Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, die Klimaschutzziele deutlich zu verschärfen, da eine Verschiebung auf die Zukunft die Freiheitsrechte der jungen Generation verletzen würde. Die Große Koalition ist dem mit einem reformierten Klimaschutzgesetz inzwischen gefolgt, das jedoch im Wesentlichen neue Ziele definiert und keine Schritte dorthin festlegt. Kritiker beklagen das.
„Es geht um massive Interessenkonflikte“
Eine zweite Konfliktebene sei eine soziale, sagte der Konfliktforscher dem RND. „Das Thema soziale Spaltung steht bei den unteren Einkommensschichten an erster Stelle; doch dann kommt das Thema Klimawandel. Da kommt es darauf an, Menschen anzusprechen und sie mitzunehmen.“ Er fügte hinzu: „Es geht um massive Interessenkonflikte. Das werden wir noch merken. In die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit muss deshalb investiert werden.“
Zu guter Letzt müsse man damit rechnen, dass sich auch Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker des Themas Klimawandel intensiver bemächtigten als bislang, sagte Zick. „Da wird noch mal ordentlich polarisiert.“
„Vertrauen geht schnell weg“
Die nächste Bundesregierung brauche, um all dem zu begegnen, einen massiven Vertrauensvorschuss. „Sie muss Vertrauen herstellen und ihr Konzept kommunizieren“, so Zick. „Denn das Vertrauen geht ganz schnell weg, wenn Menschen merken, dass sie in nicht sicheren Gebieten leben. Sie müssen den Schutz vor Ort spüren.“ Das sei schon seit Beginn der Corona-Pandemie immer wichtiger geworden.
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