In der Katastrophe informieren: Warum Flugblätter gar keine schlechte Idee sind
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GE5QOZSI7FC75NZWCRS3UE4LFA.jpeg)
Die Aufschrift "Kein Netz" ist auf dem Bildschirm eines Mobiltelefons zu sehen. Nach der Hochwasserkatastrophe fielen im Westen Deutschland die Handynetze aus.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Professor Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er beschäftigt sich seit Jahren mit politischem Risikomanagement. Jäger kritisiert, dass die Politik häufig keine Lehren aus zurückliegenden Katastrophen oder Risikoanalysen zieht.
Herr Professor Jäger, in einem Papier der Bundesregierung zur Risikoanalyse eines Hochwassers wurde 2013 die Krisenkommunikation und Bevölkerungsinformation bemängelt. Hat sich da in acht Jahren etwas getan?
Ehrlich gesagt: Ich kann es nicht erkennen.
Wie muss moderne Krisenkommunikation aussehen?
Sie kann nicht das Sprachrohr des Krisenstabs sein. Krisenkommunikation muss eigenständig strategisch handeln mit dem Ziel, die Bevölkerung zu warnen und zu sensibilisieren.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TCB23ODG7ZDIFMNF3TR5VDLRFM.jpg)
Professor Thomas Jäger, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln.
© Quelle: Privat
Das bedeutet?
So, wie das Krisenmanagement ein Gesicht benötigt, braucht auch die Krisenkommunikation ein Gesicht im Fernsehen und im Internet sowie eine Stimme im Radio. Dieser Kommunikator muss glaubwürdig informieren und darf nicht in den Zwängen des Managers stehen, der sich ja durchaus auch mit Widersprüchen auseinandersetzen muss.
Wann muss Kriseninformation einsetzen?
Vor der Katastrophe. Seit Sonntag vor der Flut gab es Warnungen, da hätte die Kommunikation beginnen müssen – mit Bestimmung der Adressaten und möglichen Informationswegen. Wir konnten dieses Versagen schon in der Pandemie beobachten – da haben Verantwortliche auch zu lange auf Informationen zum Virus rumgesessen, ohne dass jemand ernsthaft handelte.
Katastrophengebiet: Merkel und Dreyer versprechen schnelle Hilfe
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu Besuch im Katastrophengebiet in Schuld in Rheinland-Pfalz.
© Quelle: Reuters
Nun haben wir in der aktuellen Katastrophe erlebt, dass Handy- und Stromnetze ausfielen und Informationen die Adressaten nicht mehr erreichten …
Wären ernst zu nehmende und glaubhafte Warnungen von den Ländern zentral verbreitet worden, hätte zumindest der Überraschungseffekt vermieden werden können. Da kann man nicht Landkreise oder Kommunen verantwortlich machen, die gar nicht über entsprechende Kapazitäten verfügen.
Wie soll kommuniziert werden, wenn die Netze ausfallen?
Zunächst sollte präventiv informiert werden, also vorher. Und dann im Katastrophenfall ganz klassisch: entweder mit Lautsprecherwagen, Sirenen oder sogar dem Abwurf von Flugblättern. Man muss sich darauf vorbereiten, dass gewohnte Informationswege versperrt sind. Wie die Botschaft ankommt, ist egal. Aber sie muss ankommen.
Sind Menschen genügend informiert über die Risiken in der Region, in der sie wohnen?
Ich gehe davon aus, dass den Menschen in den aktuell betroffenen Gebieten die Gefährdung bewusst war. Ob man jedoch flächendeckend in Deutschland davon ausgehen kann, da habe ich so meine Zweifel. Dennoch gilt: Selbst, wenn vielen ein gewisses Risiko bewusst ist – die meisten von uns müssen immer wieder dafür sensibilisiert, aus der Gewöhnung gerissen werden.
Warum fällt es den Verantwortlichen offenbar schwer, Erkenntnisse aus zurückliegenden Ereignissen umzusetzen?
Weil sie häufig genug mit zwei Löchern versehen und abgeheftet werden.