Herr Habeck, so funktioniert die Pendlerpauschale
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Robert Habeck und Annalena Baerbock, die Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Als 1994 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) in einer Fernsehsendung nach dem Ausbau der Datenautobahn gefragt wurde, entgegnete dieser, der Straßenbau sei Ländersache. Eine ähnlich peinliche Vorstellung lieferte am Sonntag Grünen-Chef Robert Habeck. In einem Interview mit der ARD zum Klimapaket der großen Koalition redet er sich beim Thema Pendlerpauschale um Kopf und Kragen und bewies gleich mit mehreren falschen Behauptungen, dass er von dieser Steuerermäßigung nun wirklich gar keine Ahnung hat.
„Autofahren lohnt sich eher“
In dem Interview ging es um das Vorhaben der GroKo, die Treibstoffpreise durch eine Belastung der CO₂-Emission teurer zu machen, im Gegenzug aber für Fernpendler die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer um 5 auf 35 Cent anzuheben. Daraufhin kritisierte Habeck: „Wenn man den Benzinpreis um 3 Cent erhöht, die Pendlerpauschale aber um 5 Cent erhöht, dann lohnt es sich eher mit dem Auto zu fahren als mit der Bahn.“
Erster Fehler: Die Pendlerpauschale gilt für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, egal welches Verkehrsmittel benutzt wird. Es ist also steuerlich nicht nur für das Finanzamt egal, ob Auto oder Bahn genommen wird, sondern auch für den Beschäftigten. Die von Union und SPD geplante Erhöhung der Pauschale bringt dem Bahn- und Autofahrer somit eine völlig identische Entlastung. Maßgeblich für die Höhe der Pauschale ist die kürzeste Straßenentfernung zur Arbeit. Wer für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel Fahrpreise zahlen muss, die die Pendlerpauschale übersteigen, kann die höheren Kosten geltend machen. Gedeckelt ist der Betrag bei 4500 Euro – was sich im Übrigen am Preis der Jahreskarte der Deutschen Bahn („Bahncard 100“) orientiert.
Zieht man nun noch die Entwicklung der tatsächlichen Fahrpreise in Betracht, könnten sich bei einer Erhöhung der Pendlerpauschale unterm Strich wahrscheinlich sogar der Bahnfahrer besserstellen. Denn durch die CO₂-Bepreisung steigt der Spritpreis an der Tankstelle auf alle Fälle. Autofahren wird also teurer. Die Preise für die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr sollen dagegen nach dem Willen der Politik möglichst stabil bleiben, wenn nicht gar sinken. Unter diesen Bedingungen wird der umweltbewusste Pendler durch die Erhöhung der Pendlerpauschale weit stärker entlastet als der Autofahrer.
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Zweiter Fehler: Habeck suggeriert, die Pendler hätten durch die Erhöhung der Pauschale tatsächlich 5 Cent mehr in der Geldbörse – sie würden also angesichts einer Benzinpreiserhöhung um lediglich 3 Cent unterm Strich sogar noch ein Plus machen. Auch das ist Unsinn, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden. Bei der Pauschale handelt es sich nicht um eine Zahlung des Finanzamtes, sondern um den Betrag, den der Steuerpflichtige als Werbungskosten von seinem Bruttoeinkommen abziehen kann. Oder anders ausgedrückt: Für diesen Betrag muss er keine Steuern zahlen. Beispiel: Wer an 220 Arbeitstagen 30 Kilometer ins Büro fährt, kann seine Steuerlast im Jahr um 1980 Euro mindern. Durch die geplante Erhöhung der Pauschale wären es 110 Euro mehr, also zusammen 2090 Euro.
Wie stark sich die erhöhte Pauschale in der Geldbörse auswirkt, hängt vom Gesamteinkommen ab, weil sich danach der individuelle Steuersatz bemisst. Die maximale Steuerentlastung hat ein Spitzenverdiener, der die Reichensteuer von 45 Prozent zahlt. Bei einem mittleren Bruttoeinkommen von 4000 Euro und einem (Grenz-)Steuersatz von ungefähr 25 Prozent beträgt die Entlastung durch die Koalitionspläne im Jahr lediglich 27 Euro. Das gleicht bei einem Benziner mit einem Verbrauch von sieben Litern je 100 Kilometer in etwa die Benzinpreiserhöhung von drei Cent pro Liter aus.
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