Kommentar zum Heizungsurteil

Eine Klatsche aus Karlsruhe für die Ampel

Eine Frau dreht an einem Heizungsthermostat.

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Das Bundesverfassungsgericht hat der Ampelregierung ein Stoppschild hingehalten: Ein so kompliziertes und umstrittenes Gesetz wie das über den Heizungstausch darf nicht mit extremen Fristverkürzungen durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden, lautet die Botschaft aus Karlsruhe, die nur zu begrüßen ist. Das ist eine Klatsche für die Ampelkoalition, die sich mit ständigen Fristverkürzungen über die Prinzipien des Parlamentarismus hinwegsetzt.

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Die Notbremsung durch das Verfassungsgericht sollte für die Ampel Anlass sein, einmal innezuhalten und einen selbstkritischen Blick darauf zu werfen, was man der Bevölkerung, dem öffentlichen Diskurs und dem politischen System zumutet. Da wird monatelang um ein Gesetz gestritten, immer wieder eine Einigung verkündet, um dann weiter zu zanken. Die Bevölkerung verunsichert das Hin und Her zutiefst. Es geht für viele Hausbesitzer und Mieter um zusätzliche Kosten, bei denen viele Menschen fürchten, sie schlicht nicht schultern zu können.

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Die Entscheidung der Koalition nun nicht nach der kürzest möglichen Frist das Gesetz per Sondersitzung durchzudrücken, ist sinnvoll. Man könnte die Zeit konstruktiv nutzen, den Gesetzentwurf noch einmal auf seine Praxistauglichkeit abzuklopfen. Die Liberalen müssen dabei allerdings dringend der Versuchung widerstehen, erneut die Grundsatzfrage zu stellen. Für den Klimaschutz braucht es die Wärmewende. Und die Grünen sollten sich bewusst machen, dass Klimaschutz nur mit der Bevölkerung geht nicht gegen sie.

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Die Entscheidung aus Karlsruhe ist auch in der Sache richtig

Die Ursache für die Entscheidung aus Karlsruhe kann nur die Ampel selbst beseitigen. SPD, Grüne und FDP wollten das Gesetz nach ihrem monatelangen Streit nun so schnell über die Ziellinie bringen, weil sie sich gegenseitig nicht trauen. Die Ampel braucht im Umgang miteinander einen Neustart. Einer Koalition, die sich selbst nicht vertraut, der vertrauen auch die Bürgerinnen und Bürger nicht.

Auch in der Sache ist die Entscheidung aus Karlsruhe richtig: Nach dem monatelangen Streit bekommen Opposition und Experten am vergangenen Freitag einen 170-seitigen Gesetzentwurf, dazu 110 Seiten Änderungen, die in Tabellenform gehalten sind. Wer also wirklich nachvollziehen möchte, was da beschlossen werden soll, muss von den 110 Seiten immer wieder auf die 170 Seiten des ursprünglichen Gesetzentwurfs wechseln. Das ist eine Zumutung und sowieso zu viel als Wochenendlektüre.

Die Entstehung des Heizungsgesetzes hat bereits einen politischen Flurschaden angerichtet. Dass die AfD so in ihren Umfragewerten steigen konnte, ist unter anderem dem völlig kopflosen Agieren der Regierungskoalition auf dem Feld der Wärmewende geschuldet. Der CDU-Politiker Thomas Heilmann hat gezeigt, wie effektive Oppositionspolitik geht: Ohne lautes Gekrähe konnte er eine einstweilige Anordnung in Karlsruhe erwirken. Das ansonsten von der Union zu hörende Geschimpfe über den „Heizhammer“ hat die allgemeine Verunsicherung nur befördert.

Die Ampel sollte die Sommerpause zur Neuaufstellung nutzen

Die Ampel sollte die Zeit der Sommerpause zur Neuaufstellung nutzen: Weniger Beschäftigung mit sich selbst, mehr wahrnehmen, was eigentlich in der Bevölkerung los ist. Und ein bisschen weniger Arroganz der Macht könnte auch nicht schaden.

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In Karlsruhe liegen mit dem Gesetz für ein neues Wahlrecht und dem Streit um den Warburg-Untersuchungsausschuss noch zwei weitere Verfahren, in denen die Ampel äußerst eigensüchtig entschieden hat. SPD, Grüne und Liberale sollten in der zweiten Hälfte der Wahlperiode so viel Regierungskunst an den Tag legen, dass nicht ständig das Verfassungsgericht die demokratischen Grundprinzipien zurechtrücken muss.

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