Wie weit geht der russische Präsident?

Harvard-Politologe: Putin rechnet bei Niederlage in der Ukraine mit dem eigenen Tod

Ein Harvard-Politologe warnt vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Wladimir Putin und dem Westen.

Ein Harvard-Politologe warnt vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Wladimir Putin und dem Westen.

Soll der Krieg in der Ukraine beendet werden, müsste der Westen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Angebot machen. Davon ist der Politik­wissenschaftler an der Harvard-Universität, Graham Allison, überzeugt. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ wies Allison darauf hin, dass immer noch die Regeln des Kalten Kriegs gelten: „Wenn zwei Staaten über ein solches Arsenal verfügen, dann kann der eine den anderen zwar angreifen und zu entwaffnen versuchen – aber der andere ist immer noch in der Lage, seinen Rivalen auszulöschen.“ Daraus ergebe sich für den aktuellen Konflikt, dass Frieden mit dem „Dämon“ Putin nur über Verhandlungen möglich sei.

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Und solche Verhandlungen haben reichlich historische Vorbilder, sagte Allison: „Auf eine Weise erinnert das daran, dass sich Roosevelt und Churchill einst mit Stalin zusammensetzten, der Millionen von Menschen hatte ermorden lassen.“ Ähnlich war auch die Ausgangslage, als sich US-Präsident Richard Nixon 1972 mit Mao Tsetung in China traf. Der Besuch fiel in eine Zeit, als in China Millionen von Menschen der sogenannten Kulturrevolution zum Opfer fielen. „Der Umgang mit furchtbaren Anführern, ja mit Massenmördern ist leider Teil der Geschichte der internationalen Beziehungen“, ergänzte Allison.

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Putin kein irrationaler Kriegstreiber

Dabei sei Putin keinesfalls ein irrationaler Kriegstreiber. Putin habe das Ziel verfolgt, die Ukraine einzunehmen und sich dabei „grob verrechnet“. Nun könnte ihm eine Niederlage bevorstehen. Das Szenario, das Allison daraus ableitet, endet für Putin tödlich: „Ich glaube, er geht zu Recht davon aus, dass er im Fall einer eindeutigen Niederlage die Macht und wahrscheinlich auch sein Leben verlieren wird.“ Putin stünde dann ein ähnliches Schicksal wie Zar Nikolaus II. nach der Oktober­revolution am Ende des Ersten Weltkriegs bevor.

Der kalkulierende Putin würde dann zum Problem, befürchtet Allison: „Wenn er gezwungen ist, zwischen dieser Niederlage und einer Eskalation der Gewalt und Zerstörung zu wählen, dann wird er sich – meiner Einschätzung nach – als rationaler Akteur für Letzteres entscheiden.“

Konkret bedeutet das den Einsatz einer taktischen Atombombe – und den Bruch mit dem 70 Jahre lang anhaltenden nuklearen Tabu. Die Antwort der Nato müsste dann ein Angriff auf die russischen Abschussbasen sein.

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Vier Ziele für den Westen

Um das zu verhindern, gelte es, zuerst das Töten zu beenden, sagte Allison. Anschließend würde Russland ein Kompromiss angeboten, aus dem sich Putin ein eigenes Erfolgsnarrativ basteln könne. „Zum Beispiel: Ich habe unsere Kontrolle über den Donbass konsolidiert. Wir haben jetzt eine Landbrücke zur Krim. Die Ukraine wird 15 Jahre lang kein Mitglied der Nato sein“, erklärte Allison.

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Für den Westen deklarierte der Politologe hingegen vier eigene Ziele: Die Ukraine müsse als unabhängiges Land bestehen bleiben – mit möglichen Gebietsverlusten an Russland. Einen dritten Weltkrieg gelte es zu verhindern und Putin müsse dennoch entscheidend geschwächt werden. Das vierte Ziel sei die Stärkung der globalen Sicherheitsordnung. „Das mag etwas naiv klingen, aber am Ende wird die internationale Gemeinschaft gezeigt haben, dass es völkerrechtliche Verbrechen gibt, die nicht hingenommen werden“, erklärte Allison. Zu diesen Verbrechen gehörte ein brutaler Überfall auf einen Nachbarn, um bestehende Grenzen zu verschieben.

RND/dre

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