Gütersloh macht dicht: Laschet verkündet Lockdown
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/3F52DJ67M5ERPFAHQ6AGJCV6OU.jpg)
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
© Quelle: imago images/Noah Wedel
Düsseldorf. Mehr als 1500 Infizierte, geschlossene Schulen und Kitas, ein ruhender Schlachtbetrieb: Der Kreis Gütersloh zieht die Reißleine.
NRW-Ministerpräsident verkündet eine Verschärfung der Maßnahmen.
Laschet wies auf die Gefährlichkeit des aktuellen Ausbruchs hin, die verschiedenen Herkunftsländer der betroffenen Tönnies-Mitarbeiter würden die Unterbrechung der Infektionsketten erschweren. “Der Zweck ist, die Situation zu beruhigen, die Tests auszuweiten”, erklärte Laschet.
Laschet verhängt Lockdown über Region Gütersloh
"Wir haben es im Kreis Gütersloh mit dem bisher größten einzelnen Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland zu tun," so Armin Laschet.
© Quelle: Reuters
Der Lockdown gelte zunächst für eine Woche. Bis zum 30. Juni werde man dann mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe, sagte Laschet.
Curevac will Corona-Impfstoff bis Mitte 2021 marktreif haben
Insgesamt sollen rund 150 Teilnehmer in der Phase-1-Studie geimpft werden.
© Quelle: Reuters
Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies verbieten die Behörden im Kreis Gütersloh unter anderem wieder Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Kulturveranstaltungen. Fitnessstudios würden im Kreisgebiet ebenso geschlossen wie Kinos und Bars, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag in Düsseldorf.
Nun solle ermittelt werden, ob das Infektionsgeschehen über den Kreis Gütersloh hinausgeht. Ab sofort gelten wieder die verschärften Regeln vom März. Im Kreis Gütersloh handele es sich um das bisher “größte Infektionsgeschehen” in NRW und in Deutschland.
7000 Tönnies-Mitarbeiter unter Quarantäne
Rund 7000 Mitarbeiter stehen mitsamt ihren Familien seit einigen Tagen unter Quarantäne. Die Einhaltung der Quarantänemaßnahmen gestaltet sich aber schwierig.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat deshalb drei Einsatzhundertschaften der Polizei in den Kreis Gütersloh geschickt. Die Polizisten sollen die Quarantäne der Tönnies-Mitarbeiter kontrollieren, sagte Laschet. Die Polizei werde die mobilen Testteams begleiten. Zur Not müssten die Behörden auch mit Zwang die Anordnungen durchsetzen. Es werde auch zusätzliche humanitäre Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen geben.
Das Zentrum des Corona-Ausbruchs bei Tönnies liegt nach Aussagen von Laschet in der Fleischzerteilung. In dieser Abteilung gebe es die meisten Infizierten, sagte er. Bei Nichtmitarbeitern von Tönnies im Kreis Gütersloh habe man nur 24 Infizierte, so Laschet.
Mangelnde Kooperation des Konzerns
Laschet wirft dem Branchenriesen mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Daher hätten die Behörden die Herausgabe von Daten der Werkarbeiter von Tönnies durchgesetzt. “Da wurde nicht mehr kooperiert, da wurde verfügt”, sagte Laschet. Die Kooperationsbereitschaft bei Tönnies “hätte größer sein können”.
Dass das Unternehmen den Datenschutz angeführt habe, sei kein Argument. Aus Infektionsschutzgründen wäre Tönnies gesetzlich verpflichtet gewesen, die Daten der Beschäftigten zu übermitteln, sagte Laschet.
Laschet warnt vor Generalverdacht
Er warnte davor, Menschen aus dem Kreis Gütersloh unter “Pauschalverdacht” zu stellen. Man dürfe die Bewohner des Kreises “nicht stigmatisieren”. Laschet bezog sich auf Berichte, wonach Menschen aus dem Kreis an Urlaubsorten zur Abreise aufgefordert worden seien.
Auf der Urlaubsinsel Usedom sind am Montag 14 Menschen aus Corona-Risikogebieten aufgefordert worden, vorzeitig abzureisen. Sie müssen sich unverzüglich bei ihrem heimischen Gesundheitsamt melden, sagte Achim Froitzheim, Sprecher des Kreises Vorpommern-Greifswald der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Beim Zahlen der Kurtaxe sei das Problem auffällig geworden.
Am Montag wurde ein Ehepaar aus Gütersloh aufgefordert, die Insel vorzeitig zu verlassen. Ob die zurückgeschickten Urlauber alle aus Gütersloh kommen, sagte der Sprecher zunächst nicht.
“Schicken Urlauber nur ungern zurück”
Laut Froitzheim sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die 14 Fälle repräsentierten lediglich den Montag. “Dieses Thema betrifft die ganze Urlaubsregion Mecklenburg-Vorpommern. Natürlich schicken wir nur ungern Urlauber zurück, aber das ist unsere Aufgabe, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.”
Für die Bewohner des Kreises Gütersloh gilt kein Ausreiseverbot aus dem Kreisgebiet. “Wir haben keine Ausreiseverbote erteilt”, sagte Laschet. Das verhängte Kontaktverbot und die Lockdown-Maßnahmen “gelten immer bezogen auf den Kreis”. Es würden damit die gleichen Regeln gelten wie während der bundesweiten Kontaktverbote im März. Laschet appellierte aber an die Einwohner in Gütersloh, “jetzt nicht aus dem Kreis heraus in andere Kreise zu fahren”.
Schulen und Kitas geschlossen
Schulen und Kitas im Landkreis Gütersloh mit rund 370.000 Einwohnern waren bereits geschlossen worden. Für die größte deutsche Fleischfabrik war zudem ein vorübergehender Produktionsstopp verhängt worden. Auch im Kreis Warendorf werde es Einschränkungen geben.
Landrat appelliert: An Regeln halten
Derweil appelliert der Landrat des Kreises Gütersloh an die Menschen, sich an die ab Mittwoch wieder gültigen Coronaschutz-Regeln zu halten. Die jetzt verkündeten Einschränkungen seien weniger umfangreich als noch im März. “Das war mir besonders wichtig”, sagte Sven-Georg Adenauer. “Viele Dinge, an die wir uns wieder gewöhnt haben, bleiben uns erhalten”, sagte der CDU-Politiker laut Mitteilung vom Dienstag. So dürften zum Beispiel die Geschäfte weiter geöffnet bleiben.
“Wir haben durch die positiven Befunde in der häuslichen Umgebung der Beschäftigten eine neue Situation”, sagte Adenauer. “Unsere wichtigste Aufgabe ist der Schutz der Bevölkerung, und wir tun alles dafür, was notwendig ist. Deswegen werden jetzt auch die Tests erheblich ausgeweitet.”
RKI-Chef: “Pandemie ist nicht vorbei”
RKI-Chef Lothar Wieler resümierte am Dienstag zu den Vorfällen in NRW: “Wenn wir dem Virus eine Chance geben, sich auszubreiten, nimmt es sich diese Chance.” Er mahnte: “Wir müssen weiterhin sehr achtsam sein, um weitere Ausbrüche möglichst zu verhindern. Die Pandemie ist nicht vorbei, weder in Deutschland noch weltweit.” Den erhöhten Faktor R führte er ebenfalls auf lokale Ausbruchsgeschehen zurück.
Nach einem Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik der Tönnies-Gruppe im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der infizierten Beschäftigten nach Angaben des Kreises bis Montagabend auf 1.553 gestiegen.
Ein Grund sind die Arbeits- und Wohnbedingungen, die der Einhaltung der Corona-Regeln entgegenstehen.
RND/ka/cle/dpa