Über Giffeys politische Karriere werden die Wähler entscheiden
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Die als Bundesfamilienministerin zurückgetretene Franziska Giffey (SPD).
© Quelle: imago images/Emmanuele Contini
Berlin. Franziska Giffey hat mit ihrem Rücktritt vom Amt der Bundesfamilienministerin die richtige Entscheidung getroffen – und es ist gut, dass sie nicht länger damit gewartet hat. Die Kommission, die an der Freien Universität Berlin die Plagiatsvorwürfe gegen Giffey prüft, ist – nach allem, was man weiß – zu der Einschätzung gekommen, dass Giffey der Doktortitel entzogen werden sollte.
Das Prüfverfahren der Universität ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber das Ergebnis ist doch absehbar. Im Moment der Aberkennung wäre ein Rücktritt Giffeys auf jeden Fall fällig gewesen.
Die notwendige Konsequenz
Eine Bundesfamilienministerin ist qua Amt auch Vorbild für junge Menschen. Sie muss im Fall eines solchen Fehlverhaltens Konsequenzen ziehen. Giffey war als Ministerin eine gute Kämpferin für Familien, Frauen und Kinder. Dennoch gilt: Für gravierende persönliche Fehler müssen Politiker auch Verantwortung übernehmen. Sonst verliert die ganze Politik an Glaubwürdigkeit.
Auch andere Minister musste wegen Plagiaten gehen – von extrem gravierenden Fällen wie Karl-Theodor zu Guttenberg bis hin zu weniger schlimmen wie Anette Schavan. Giffeys Doktorarbeit ist nicht ein Riesenbetrug wie die von zu Guttenberg, aber das Fehlverhalten ist erheblich.
Dass die Ministerin schon vor einiger Zeit aufgehört hat, den Doktortitel zu führen, war ein richtiger Schritt, aber eben auch nicht die Rettung für Giffey.
Einen Doktortitel kann man nicht abgeben wie einen Mantel an der Garderobe.
Einen Doktortitel kann man nicht abgeben wie einen Mantel an der Garderobe. Er wird von der Hochschule verliehen – und nur sie kann über die Aberkennung entscheiden.
Giffey zieht also vor dem offiziellen Ende des Prüfverfahrens die Reißleine. Das ermöglicht ihr einen Rest an Gesichtswahrung. Sie hatte zuletzt den Versuch gemacht, von ihrer Ankündigung zurückzuruden, sie werde im Fall einer Aberkennung des Doktortitels zurückzutreten. Jetzt hat sie sich offenbar eines Besseren besonnen – und eingesehen, dass sie nur mit einem Rücktritt eine Chance hat, ihre politische Karriere noch zu retten.
Die lädierte Universität
Wahr ist: Auch die Freie Universität Berlin steht in der Sache alles andere als gut da. Die Ministerin erst nur zu rügen, das Verfahren abzuschließen und dann wieder aufzunehmen – das ist einer angeblichen Eliteuniversität wenig würdig. Das alles ändert aber nichts daran, dass die Ursache des ganzen Verfahrens nun einmal ist, dass Giffey bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat, ohne Zitate korrekt zu kennzeichnen. Das ist der Kern des Problems – und nicht das Hin und Her der Hochschule.
Kann Giffey dennoch Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin in Berlin bleiben? Ihr wissenschaftliches Fehlverhalten ist peinlich und nicht zu beschönigen. Unterm Strich ist es aber auch nicht so gravierend, dass es einen Komplettrückzug aus der Politik erfordern würde. Und: Die Delegierten des SPD-Parteitags in Berlin haben gewusst, welche Schwierigkeiten mit Giffeys Doktorarbeit drohen. Es ist nicht so, als hätte Giffey ihre Genossen hinter die Fichte geführt.
Die SPD in der Hauptstadt muss abwägen: Ist der Doktortitel erst einmal entzogen, wird dies im Wahlkampf zur dauerhaften Munition für den politischen Gegner. Andererseits: Dass spannende Alternativ-Kandidaten Schlange stehen, wäre neu. Plan A ist nicht schon deshalb gut, weil ein Plan B fehlt. Der einzige Plan ist er dann aber trotzdem.
In der Demokratie ist es legitim, wenn Franziska Giffey trotz ihres Fehlverhaltens bei der Doktorarbeit Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden will – und es ist auch in Ordnung, wenn die SPD sie weiter ins Rennen schicken möchte. Ob ihr Verhalten sie für ein solches Amt disqualifiziert oder nicht, müssen die Wähler entscheiden.