Gewaltsame Proteste in Peru: Regierung ruft Notstand aus
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Anhänger des abgesetzten peruanischen Präsidenten Castillo protestieren.
© Quelle: Denis Mayhua/dpa
Lima. Die neue peruanische Regierung hat angesichts gewaltsamer Proteste für 30 Tage den nationalen Notstand erklärt. Dadurch erhalte das Militär zusätzliche Vollmachten, um zusammen mit der Polizei strategische Infrastruktur, Privateigentum und die Sicherheit aller Peruaner zu schützen, sagte Verteidigungsminister Luis Otarola Peñaranda am Mittwoch. Versammlungsrecht und Bewegungsfreiheit seien ausgesetzt. Ob es eine Ausgangssperre gibt, habe die Regierung noch nicht entschieden.
Akte des Vandalismus und der Gewalt sowie Blockaden von Autobahnen „erfordern eine energische und zwingende Reaktion der Regierung“, erklärte Peñaranda. Die Notstandserklärung sei zudem vom Ministerrat gebilligt worden. Die vor einer Woche vereidigte Präsidentin Dina Boluarte erwähnte der Verteidigungsminister nicht.
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Die peruanische Präsidentin Dina Boluarte.
© Quelle: Luis Iparraguirre/Presidencia Pe
Boluarte: „Peru darf nicht von Blut überströmt werden“
Die neue Staatschefin rief zur Ruhe auf. „Peru darf nicht von Blut überströmt werden“, sagte Boluarte. „Wir haben diese Erfahrung schon in den 80er und 90er Jahren durchgemacht und ich glaube, wir wollen nicht zu dieser schmerzhaften Vergangenheit zurückkehren.“
Seinerzeit hatten mehrere Rebellengruppen Peru unsicher gemacht, unter ihnen die berüchtigte Bewegung Leuchtender Pfad, die für zahlreiche Bombenanschläge und Attentate verantwortlich gemacht wird. Insgesamt wurden in dieser Zeit bei Aktionen von Rebellen und Regierung schätzungsweise knapp 70.000 Menschen getötet oder sie verschwanden.
Boluarte war vor einer Woche als Nachfolgerin von Pedro Castillo vereidigt worden. Dieser hatte versucht, das Parlament aufzulösen und per Dekret zu regieren. Daraufhin enthob ihn das Parlament seines Amtes. Castillo wurde verhaftet, ihm wird Rebellion vorgeworfen.
Seine Anhänger wollen das nicht akzeptieren. Sie fordern die Freilassung Castillos, Boluartes Rücktritt und sofortige Neuwahlen. Bei Zusammenstößen zwischen Castillo-Anhängern und der Polizei sind sechs Demonstranten getötet worden.
Ankündigung früherer Wahlen beruhigt Situation nicht
Castillo rief die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte in einem handgeschriebenen Brief auf, für seine Rechte und jene seiner peruanischen Brüder einzutreten, „die nach Gerechtigkeit schrien“. Das Schreiben teilte Mauro Gonzales, ein Vertrauter des bisherigen Präsidenten, am Mittwoch (Ortszeit) mit der Nachrichtenagentur AP. Die Kommission untersucht Vorwürfe der Menschenrechtsverstöße und strengt in einigen Fällen auch Klageverfahren an.
Boluarte ließ durchblicken, dass in einem Jahr gewählt werden könnte. Zunächst hatte sie angekündigt, bis zum regulären Wahltermin in dreieinhalb Jahren im Amt zu bleiben. Später sprach sie von Wahlen 2024, was die Lage aber nicht beruhigte.
Über die aktuelle Lage in Peru sagte der Politologe Jorge Aragón, dass die Unruhen sich in einem solchen Maße verschärft hätten, dass die Vorstellung, dass die Behörden das Land regieren könnten, infrage gestellt sei. Das Notstandsdekret sei ein Versuch, zumindest eine gewisse Mindeststabilität wiederherzustellen. Doch sei sie auch ein Eingeständnis, dass dies ohne die Anwendung von Gewalt nicht zu erreichen sei, sagte der Professor an der Päpstlichen Universität von Peru.
RND/AP