Getrenntes Bekenntnis zu Sinti und Roma im Bundestag

Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma am Reichstag in Berlin.

Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma am Reichstag in Berlin.

Berlin. Der Bundestag will an diesem Freitag eine Erklärung verabschieden, jeder Form des Hasses gegen Sinti und Roma entschlossen zu begegnen. Dieses Willensbekenntnis möchte die Mehrheit der Fraktionen in der Anwesenheit des Vorsitzenden des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, abgeben – eine wichtige Geste.

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Das Bild der Geschlossenheit hat sich jedoch getrübt, seit aus dem ursprünglich vereinbarten gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen, Grünen und FDP sowie eines wortgleichen Antrags der Linken nichts mehr wird. Freitag stimmen die Abgeordneten nur noch über zwei ähnlich lautende Anträge von CDU/CSU und SPD auf der einen sowie Grünen, Linken und FDP auf der anderen Seite ab. Geschlossenheit sieht anders aus.

Union will nicht mit Linken stimmen

Hintergrund ist der in jeder Wahlperiode erneuerten Unvereinbarkeitsbeschluss, wonach die Union grundsätzlich keine gemeinsamen Anträge mit Linken oder AfD stellt. Die Grünen-Fraktion wollte in der Frage eines Bekenntnisses gegen den Antiziganismus die Linken jedoch nicht allein dastehen lassen und entschloss sich, den gleichen Antrag zweimal zu stellen: einmal mit Koalition und FDP sowie einmal mit den Linken. Ungewöhnlich, aber möglich.

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Da die Union diese Verbindung ablehnt, wurden zunächst die Grünen vom gemeinsamen Antrag verbannt, dann auch die Liberalen. Offenbar, weil die SPD nach dem Wegfall der Grünen nun auf einen reinen GroKo-Antrag pochte.

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae ist extrem verärgert. „Das ist ein schlechtes Signal an die Sinti und Roma in Deutschland“, sagte Thomae dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Bei solch einem Thema sind parteipolitische Befindlichkeiten hintenan zu stellen.“

Zentralrat wünschte sich interfraktionelle Initiative

Die Grünen sind ebenfalls unzufrieden mit dem Ergebnis. Die Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, Filiz Polat, weist darauf hin, dass sich der Zentralrat der Sinti und Roma eine interfraktionelle Initiative gewünscht hatte. "Im Koalitionsantrag fehlt die Selbstverpflichtung des Bundestags, gegen den Antiziganismus genauso kompromisslos vorzugehen wie gegen den Antisemitismus", sagte Polat dem RND. "Ich verstehe nicht, dass die SPD das mitmacht."

Die CDU wirft den Grünen hingegen vor, die Linkspartei im Bundestag koalitionsfähig machen zu wollen. „Wichtiger als die Sache scheint den Grünen der Schulterschluss mit der Linkspartei zu sein“, sagte CDU-Fraktionsvize Thorsten Frei. Entgegen der Absprache in letzter Minute auch einen gemeinsamen Antrag mit der Linkspartei einzubringen, sei ein „grobes parlamentarisches Foul“ der Grünen gewesen.

CDU: Unser Anliegen war starkes Signal an Sinti und Roma

„Unser Anliegen war es, ein starkes Signal an den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu senden“, so Frei. „Wir waren deshalb bemüht, das Thema aus dem Streit der Fraktionen herauszuhalten und einen Konsens zwischen CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen herbeizuführen, wie uns das auch schon beim Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus gelungen ist.“

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Die SPD spielt den Ball zum Koalitionspartner zurück. „Ich hätte mir bei diesem wichtigen gesamtgesellschaftlichen Thema einen fraktionsübergreifenden Antrag gewünscht“, sagte SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl gegenüber dem RND. „Dieser ist leider an der Weigerung der Union gescheitert, gemeinsam mit der Fraktion Die Linke diesen Antrag zustellen und eine einheitliche Haltung aller demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag bei der Bekämpfung von Antiziganismus einzunehmen“, so Högl.

Sinti und Roma leiden bis heute unter Ausgrenzung

Sinti und Roma würden bis heute unter Ablehnung, Ausgrenzung und Benachteiligung leiden. „Die Einsetzung eines Expertengremiums war eine jahrelange Forderung der SPD“, so Högl. „Ich bin sehr froh, dass die Union nun eingelenkt hat und ihre Blockade gegen die Kommission und gegen einen gemeinsamen Antrag im Bundestag aufgegeben hat.“

Die Linken werfen der Koalition hingegen unreifes Verhalten vor. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer, Jan Korte, nennt die Situation in einem persönlichen Brief an SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles („Liebe Andrea“) ein haarsträubendes Ergebnis. Es würde nun abgestimmt über zwei Anträge von Fraktionen, die sich eigentlich im Anliegen einig seien. „Sie werden getrennt von einer Fraktion, die aus antikommunistischer Brauchtumspflege das demokratische Spektrum spaltet und einer Fraktion, die sie dabei unterstützt – und das seid ihr.“

Innenministerium setzt Expertengremium ein

In den Anträgen begrüßen die Fraktionen, dass der Bundesinnenminister nach Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ein Expertengremium einsetzen will, um bis 2021 eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen des Antiziganismus zu erstellen. Aus den Ergbnissen sollen zum Beispiel Handlungsempfehlungen für die historisch-politische Bildungsarbeit gegen den Antiziganismus und die Wirkung von Gedenkstätten abgeleitet werden.

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Von Thoralf Cleven/RND

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