In Gesprächen mit Russland: Baerbock fordert „ganz, ganz viel Geduld und Ausdauer“
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Außenminister-Treffen in Brest (v.l.n.r.): Luigi Di Maio (Italien), Annalena Baerbock (Deutschland) und Jean Asselborn (Luxemburg).
© Quelle: imago images/photothek
Brest. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wirbt ungeachtet der bislang ausgebliebenen Ergebnisse für eine Fortsetzung der Gespräche mit Russland. „Auch wenn es derzeit keine wirklichen Bewegungen gegeben hat, ist es wichtig, dass man endlich wieder an den Dialogtisch zurückkehrt“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag am Rande eines EU-Treffens im französischen Brest. „Das Wichtige ist, dass wir am Tisch sitzen, dass Gespräche jetzt geführt werden. Und zwar - auch wenn es hart ist - mit ganz, ganz viel Geduld und Ausdauer.“
Kollegen wie der Luxemburger Jean Asselborn äußerten sich in der nordwestfranzösischen Hafenstadt ähnlich. „Wir sind da (...), um Kriege zu verhindern, alles zu tun, damit keine Kriege entstehen“, sagte der dienstälteste EU-Außenminister. Es dürfe keine Tür zugeschlagen werden. Vertreter von Ländern wie Dänemark, Schweden, Litauen und Polen forderten zugleich aber dazu auf, Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin klare rote Linien aufzuzeigen und nannten insbesondere die Forderung Moskaus nach einem Stopp der Nato-Erweiterung als Beispiel.
Putin müsse verstehen, dass seine militärischen Drohungen vollkommen inakzeptabel seien, sagte der dänische Außenminister Jeppe Kofod. Der Kremlchef versuche, die dunkelsten Tage des Kalten Krieges wieder aufleben zu lassen.
Zeitplan für weitere Treffen soll ausgelotet werden
Der Rumäne Bogdan Aurescu sprach sich dafür aus, die EU-Sanktionsvorbereitungen für den Fall voranzutreiben, dass Russland die Ukraine angreifen sollte. „Die Möglichkeit der Annahme neuer Sanktionen stellt den Beitrag der EU dar, Russland von weiteren aggressiven Handlungen abzuhalten“, sagte er.
Bei der ersten Sitzung des Nato-Russland-Rats seit rund zweieinhalb Jahren hatten sich am Tag vor dem EU-Treffen Vertreter beider Seiten rund vier Stunden über den Ukraine-Konflikt und andere aktuelle Streitthemen ausgetauscht. Dabei war man sich nach Angaben des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg auch einig, dass ein Zeitplan für weitere Treffen ausgelotet werden soll.
Streitpunkt Ukraine: Treffen zwischen USA und Russland ergebnislos
Bei den Gesprächen zwischen den USA und Russland über die Sicherheitslage in Osteuropa hat sich keine Annäherung abgezeichnet.
© Quelle: Reuters
Russland fordert von der Nato unter unter anderem einen Verzicht auf eine Aufnahme von Ländern wie der Ukraine und Georgien sowie den Rückzug von Streitkräften aus östlichen Bündnisstaaten. Der aktuelle russische Truppenaufmarsch steht damit nach Einschätzung westlicher Geheimdienste in Verbindung. Er soll demnach vor allem Ängste vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine schüren, um die Nato zu Zugeständnissen zu bewegen.
Ob es Kompromisse geben könnte, ist bislang unklar. Zu der Frage, ob aus ihrer Sicht der von Russland geforderte Abzug von US-Atomwaffen aus Ländern wie Deutschland diskutiert werden sollte, wollte sich Baerbock in Brest nicht konkret äußern. „Über Fragen von Abrüstung muss und sollte gesprochen werden. Aber jetzt, wo man sich gerade an den Tisch gesetzt hat, kommentiere ich nicht offen irgendwelche einzelnen Überlegungen“, sagte sie.
Lawrow trifft Baerbock am Dienstag in Moskau
Am kommenden Dienstag wird Baerbock zum Antrittsbesuch beim russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau erwartet. Lawrow ist seit knapp 18 Jahren Chefdiplomat und damit der am längsten amtierende Außenminister in Europa. Für ihn sei es die erste persönliche Begegnung mit der deutschen Grünen-Politikerin, teilte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Donnerstag mit.
Gesprochen wird demnach bei dem Arbeitsbesuch über das gespannte russisch-deutsche Verhältnis. Der 71-jährige Lawrow hatte der 30 Jahre jüngeren Baerbock im Dezember zum Amtsantritt gratuliert und die Hoffnung auf einen regelmäßigen konstruktiven Kontakt geäußert.
Die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin sind infolge zahlreicher Konflikte auf einem Tiefpunkt. Nach dem Mord an einem Georgier im Berliner Tiergarten hatte ein Gericht einen Russen verurteilt und Moskau „Staatsterrorismus“ vorgeworfen. Beide Länder wiesen gegenseitig Diplomaten aus. Deutschland macht Russland zudem für Hackerangriffe auf den Bundestag 2015 verantwortlich und für den Anschlag auf den Kremlgegner Alexej Nawalny mit dem international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Das Gift hatte unter anderem ein Labor der Bundeswehr im vergangenen Jahr nachgewiesen.
Bei dem Treffen sei auch ein Meinungsaustausch zu internationalen Problemen geplant, sagte Sacharowa - vor allem zu den russischen Forderungen nach juristisch verbindlichen Sicherheitsgarantien der USA und der Nato. Russland verlangt, die Nato-Osterweiterung zu beenden und die Ukraine nicht als Bündnispartner aufzunehmen. Die Atommacht sieht sich durch das Voranschreiten der Allianz bedroht und hat für den Fall einer Ablehnung seiner Initiative mit militärischen Gegenmaßnahmen gedroht.
Bei dem Treffen soll es laut Sacharowa auch um die „Perspektiven der russisch-deutschen Beziehungen“ gehen und um praktische Aspekte einer Zusammenarbeit in Handel und Wirtschaft, in kulturell-humanitärer Hinsicht und bei der geschichtlichen Erinnerungsarbeit. Themen seien zudem Kontakte auf Ebene des Bundestages und der Staatsduma sowie der regionalen und zwischengesellschaftlichen Zusammenarbeit. Auch Fragen gemeinsamer Anstrengungen beim Klima- und Umweltschutz und der Nutzung erneuerbarer Energien würden erörtert.
RND/dpa