Geschockte Bauherren: Warum die Förderung für Energieeffizienzhäuser gestoppt wurde
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Fördergelder für Energieeffizienzhäuser waren beliebt bei Bauherren.
© Quelle: Andrea Warnecke/dpa-tmn
Liebe Leserinnen und Leser,
war die zurückliegende Woche eine gute fürs Klima? Mhmm ... Die Frage ist schwer zu beantworten, denn bei zwei Nachrichten sind die Folgen noch unklar.
Neun Jugendliche im Alter von 13 bis 26 Jahren haben am Dienstag Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das Bundesklimaschutzgesetz eingelegt. In Teilen gehören sie zu denjenigen, denen die Verfassungsrichter in einer Entscheidung gegen das seit 2019 geltende Gesetz im Frühjahr 2021 recht gegeben hatten.
Der von der Deutschen Umwelthilfe unterstützte Schritt soll nach den Worten von Beschwerdeführern dazu führen, dass das im vergangenen Sommer von der Großen Koalition novellierte Gesetz noch einmal verschärft wird. Welche Konsequenzen dies nach sich ziehen könnte, hat Thoralf Cleven analysiert.
Die zweite strittige Entscheidung wurde in Berlin getroffen. Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) erwischte am Montag mit dem Förderstopp für Energieeffizenzhäuser manche klima- und kostenbewussten Häuslebauer auf dem falschen Fuß. Begründet wurde die Entscheidung mit einer „Fehlsteuerung“ beim Klimaschutz, intern war sogar von einer „Notbremse“ die Rede.
Was den Förderstopp wirklich auslöst, Ob Bauherren nun im Regen stehen und was mit bereits gestellten Anträgen bei der KfW geschieht, wird von Andreas Niesmann im Faktencheck der Woche aufgedröselt.
Faktencheck der Woche
Kam das Aus für die KfW-Förderprogramme wirklich so überraschend?
Nein, zumindest nicht das Ende der Förderung des Effizienzhauses 55. Das vom Umfang her wichtigste Programm wäre ohnehin Ende des Monats ausgelaufen, das hatte noch die alte Bundesregierung im November beschlossen. Nun ist eine Woche eher als geplant Schluss. Überraschend kam dagegen das Ende des ehrgeizigeren EH40-Programms sowie des Programms zur energetischen Sanierung. Die Zahlen stehen dafür, wieviel Energie ein nach dem jeweiligen Standard gebautes Haus verbraucht. Ein EH50-Haus kommt mit 55 Prozent der Energie eines Standardgebäudes aus, ein EH40-Haus benötigt nur 40 Prozent.
Warum werden alle drei Programme so abrupt beendet?
Einfache Antwort: Weil das Geld alle ist. Nachdem die vorige Bundesregierung ein Auslaufen des EH55-Programms angekündigt hatte, brach unter Bauherrinnen und -herren eine Art Torschlusspanik aus. Was folgte, war ein regelrechter Run auf das Förderprogramm. Allein von November 2021 bis heute sind bei der KfW Anträge mit einem Fördervolumen von mehr als 20 Milliarden Euro eingegangen. Aus Sicht von Energiestaatsekretär Patrick Graichen ist die alte Förderpolitik außerdem überholt. Der EH55-Standard habe sich im Neubau längst durchgesetzt, sei aber trotzdem noch üppig subventioniert worden – allein im vergangenen Jahr mit 6 Milliarden Euro.
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Hannover: Mehrfamilienhäuser werden im Neubaugebiet Kronsrode gebaut. In einen von Norddeutschland größten Neubaugebieten entstehen auf 53 Hektar Fläche im Südosten von Hannover 3500 neue Wohneinheiten.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Was passiert nun mit den bereits gestellten Anträgen?
Das ist noch nicht entschieden. Die im Fördertopf noch vorhandenen Mittel werden auf jeden Fall nicht ausreichen, um alle bereits eingegangenen Anträge zu bewilligen. Das Wirtschaftsministerium will zeitnah entscheiden, wie es in diesen Fällen weitergeht. Derzeit wird geprüft, ob Betroffenen zinsverbilligte Kredite angeboten werden können, damit diese nicht in Liquiditätsschwierigkeiten kommen. Alternativ müssen Häuslebauer, die mit dem Geld fest gerechnet haben, ihre finanzierende Bank um eine Erweiterung des Darlehens bitten.
Gibt es jetzt gar keine Förderung für energieeffizientes Bauen mehr?
Doch. Wer einzelne Sanierungsmaßnahmen vornimmt, um sein Haus klimafreundlicher zu machen, also zum Beispiel die Heizung austauscht, kann beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) weiterhin Förderanträge stellen. Auch das Programm für energetische Sanierung will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) wieder aufnehmen, sobald neue Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Ob das EH40-Programm noch einmal reaktiviert wird, ist derzeit noch unsicher. Das Wirtschaftsministerium hat aber auch in dieser Frage eine schnelle Entscheidung angekündigt.
Hat der Klimaschutzminister mit dem Förderstopp dem Klima geschadet?
Das ist abhängig davon, was Habeck mit dem eingesparten Geld nun anstellt. Dass weniger Förderung nicht zu mehr energieeffizientem Bauen führt, dürfte klar sein. Gleichzeitig gilt aber auch, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Angesichts hoher Energiepreise werden Neubauten auch ohne Fördermittel nach modernen Effizienzstandards errichtet. Anders sieht es im Bestand aus – hier rechnet sich eine energetische Sanierung oftmals nicht. Fördermittel in die Sanierung deutlich klimaschädlicherer Altbauten umzulenken, kann daher mittelfristig für den Klimaschutz einen deutlich größeren Effekt haben – wenn der Minister die Rahmenbedingungen entsprechend setzt.
Infografik der Woche
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland sollen nach Plänen der Bundesregierung defekte Handys oder andere Produkte künftig leichter reparieren lassen können. „Mit dem Recht auf Reparatur werden wir einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gehen“, sagte Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne).
Frankreich ist uns da einen Schritt voraus. Bei unseren Nachbarn wurde Anfang des Jahres ein Reparierbarkeitsindex eingeführt, der anhand verschiedener Kriterien darüber informiert, wie einfach sich Smartphones, Laptops, Fernseher, Rasenmäher oder andere Geräte reparieren lassen.
Der Elektroschrottberg ist gewaltig: 947.067 Tonnen Elektroaltgeräte wurden 2019 – aus dem Jahr stammen die letzten Zahlen – von den Kommunen, Händlern und Herstellern in Deutschland gesammelt, registrierte das Umweltbundesamt (UBA). Gleichzeitig wurden 2,9 Millionen Tonnen neue Geräte gezählt.
Verbrauchertipp der Woche
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Getrocknete Larven eines Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus), auch Buffalowurm genannt, liegen auf einem Tisch.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Insekten enthalten jede Menge Eiweiß, sie benötigen viel weniger Nahrung, Wasser sowie Flächen als klassische Nutztiere wie etwa Schweine oder Rinder. Sie können deshalb eine wichtige Rolle bei der Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit weniger klimaschädlichem Protein spielen.
Das ist auch überhaupt nicht eklig, wie viele meinen. Doch wer bei Heuschrecken und Mehlkäfern zubeißen möchte, sollte ein paar Grundregeln beachten, rät Alena Hecker in ihrem Beitrag über eine Nahrungsquelle der Zukunft.
Der RND-Klima-Podcast – hier hören
China ist der weltgrößte CO₂-Emittent – das Land stößt mehr Kohlendioxidemissionen aus als alle anderen Industriestaaten zusammen. Gleichzeitig setzt sich die Volksrepublik unter Präsident Xi Jinping ambitionierte Ziele: Das bevölkerungsreichste Land der Erde will bis 2060 klimaneutral werden. In dieser Folge berichtet Fabian Kretschmer, China-Korrespondent des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), aus Peking von dicker Luft, Schweinefleisch – und was der Wandel Richtung Nachhaltigkeit für die Menschen im Reich der Mitte bedeutet.
Die gute Nachricht
Im Jahr 2050 könnten mit Flüssigwasserstoff (LH2) betriebene Flugzeuge dazu beitragen, dass bis zu 38 Prozent aller Flugkilometer CO₂-frei durchgeführt werden können. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT). Die Studie untersuchte die Leistung und das Potenzial der Einsparung von CO₂ bei Flugzeugen, die mit flüssigem Wasserstoff betrieben werden und ab 2035 in Dienst gestellt werden könnten.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Flugzeuge, die mit „grünem Wasserstoff“ aus erneuerbaren Energien betrieben werden, eine Reichweite von bis zu 3400 Kilometern erreichen könnten – und das bei geringeren Treibstoffkosten im Vergleich zu synthetisch aus Strom hergestelltem Kerosin.
Der neue RND-Tiktok-Kanal zum Klima
Wo stehen wir aktuell in der Klimapolitik? Welche Klimamaßnahmen plant die Regierung in den nächsten vier Jahren? Und was genau steckt hinter dem Pariser Klimaabkommen? All diese Fragen beantwortet Alisha Mendgen in kurzen Videos auf dem neuen RND-Tiktok-Kanal „Klima und wir“.
Hier geht es zum ersten Clip:
Aktuelle Hintergründe
- Viele Airlines lassen derzeit ihre Flugzeuge leer oder fast ohne Passagiere starten, um Start- und Landerechte für die Zeit nach der Corona-Pandemie zu behalten. Allein bei der Lufthansa betrifft das nach eigenen Angaben in diesem Winter womöglich 18.000 Flüge. Campact, der Verein organisiert Onlinekampagnen, hat den Appell „Sinnlosflüge stoppen, Klima schützen!“ gestartet – und bereits mehr als 110.000 Unterstützende hinter sich versammelt. Der Appell richtet sich an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Sie sollen durch Ausnahmeregelungen dafür sorgen, dass leere Flüge abgesagt werden.
1050 Kilogramm
Jährliche CO₂-Emission eines 30 Kilogramm schweren Hundes – das entspricht etwa einem Economy-Flug von Frankfurt nach Las Palmas.
- Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) hat am 26. Januar einen Entwurf des Flächenentwicklungsplans Offshore (FEP) vorgelegt. Er sieht bis zu 57,5 Gigawatt Offshorewindenergie auf dem Meer vor. Bislang werden lediglich acht Gigawatt auf der deutschen Nord- und Ostsee produziert. Es werde „immer mehr Windenergie in die ohnehin überlastete Nordsee gepresst“, kritisierte der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jörg-Andreas Krüger. Der Nabu stehe zum Ausbau der Windenergie. Ökologische Belastungsgrenzen müssten aber eingehalten werden.
- Klar: Wer Klimaneutralität erreichen will, muss die Verkehrswende vorantreiben. Das weiß Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ziemlich gut. In seinem Ressort gibt es viele Ideen und Lösungsansätze, aber auch jede Menge Baustellen. Alisha Mendgen hat mal einen Blick darauf geworfen.
Bild der Woche
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Moorschutz ist Klimaschutz – das weiß inzwischen fast jedes Kind. In Siedenbollentin (Mecklenburg-Vorpommern) untersuchten in dieser Woche Nina Seifert und Carl Barnick von der Michael Succow Stiftung das Wachstum seltener Pflanzen an einer Wasserfläche im rund 36 Hektar großen Hangquellmoor Binsenberg. Viele Moore in Deutschland sind auf den ersten Blick kaum noch zu erkennen. Entwässert werden sie als Grünland oder Acker genutzt. Wieder vernässte Moore haben wegen der CO₂-Speicherung großes Potenzial beim Klimaschutz.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Termine
Montag, 31.01.2022 – Luxemburg: EU-Rechnungshof veröffentlicht Bericht zu Energiebesteuerung, CO₂-Bepreisung und Energiesubventionen
Mittwoch, 02.02.2022 – Straßburg: Voraussichtlich Entscheidung der EU-Kommission über die Einstufung von Investitionen in moderne Atom- und Gaskraftwerke
Mittwoch, 02.02.2022 – München: Leibniz-Wirtschaftsgipfel: Omikron, Inflation, Klima – Die Herausforderungen für die deutsche Wirtschaftspolitik
Donnerstag, 03.02.2022 – Luxemburg: EuGH-Gutachten zum Braunkohletagebau Turów, Polen (Vertragsverletzungsklage Tschechiens)
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Falls Sie Anregungen oder Kritik haben, melden Sie sich gerne direkt bei unserem Redaktionsteam: klima@rnd.de Wir freuen uns!
Bis nächste Woche nachhaltige Grüße,
Thoralf Cleven
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