Georg Friedrich von Preußen spielt Prince Charming
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Kämpft für die Interessen seiner Familie: Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen.
© Quelle: Ralf Hirschberger/dpa
Berlin. Am 10. Januar 1932 kam Hitler zum Tee. Ex-Kronprinz Wilhelm von Preußen, Sohn des entthronten Kaisers Wilhelm II., hatte den Anführer der NSDAP ins Schloss Cecilienhof in Potsdam geladen. Familienintern hatte Hitler da bereits einen liebevoll-spöttischen Spitznamen bei Preußens bekommen.
„Don Adolfo“, so schrieb Wilhelms Frau Cecilie an ihren Sohn Louis Ferdinand, „macht einen sehr sympathischen, klugen und gebildeten Eindruck. Er fühlte sich anscheinend sehr wohl bei uns. Die Atmosphäre war auch sehr günstig.“ Hitler sagte nach dem Treffen: „Sollte ich zum Reichskanzler ernannt werden, wird es meine erste Aufgabe sein, dem Hause Hohenzollern zur Rehabilitierung zu verhelfen.“
Den Privatbrief hat der Bremer Historiker Lothar Machtan im Privatarchiv der Preußen-Familie auf der Burg Hohenzollern in Hechingen aufgestöbert. Für sein Buch „Der Kronprinz und die Nazis“ (Verlag Duncker und Humblot) hatte er dort freien Zugang, wurde finanziell vom aktuellen Familienoberhaupt Georg Friedrich gefördert, mit dem ihn auch eine Freundschaft verbindet. Dennoch sei das Buch kein Auftragswerk, er habe „ergebnisoffen und eigenverantwortlich“ forschen können, sagte Machtan bei der Buchvorstellung am Mittwochabend im Berliner Kronprinzenpalais.
Hat Georg Friedrich hier ein Werk gefördert, das belastendes Material über seine Familie präsentiert? Es könnte ein schlechtes Geschäft gewesen sein.
Denn die Kaiser-Nachfahren streiten mit dem Bund und den Ländern Brandenburg seit Jahren um Entschädigungen, Kunstschätze, Möbel und Geschmeide. Vorentscheidend ist ein Verfahren um Ausgleich für durch die Sowjets in der Ex-DDR enteignete Immobilien. Von solchen Zahlungen ist laut Gesetz ausgeschlossen, wer der NS-Diktatur „erheblichen Vorschub geleistet“ hat.
Vernichtendes Urteil – und eine Hintertür
Machtans Urteil über Georg Friedrichs Urgroßvater ist vernichtend. Der Frauenheld und Lebemann habe Politik nie verstanden. Sein Traum, die Weimarer Republik zu zerstören und wieder an die Spitze des Staates zu kommen, war nie mehr als ein Luftschloss. „Die meisten seiner Machtoptionen erweisen sich als aussichtslos, wozu er selbst einiges beiträgt – durch Unvorsichtigkeit und Fehlentscheidungen, aber auch mangelnde Integrität“, schreibt Machtan.
„Handlungspolitisch ist er seit Sommer 1932 nicht mehr aus der Deckung gekommen. Schon weil er keine eigene Agenda, keine kalkulierte Strategie in petto hat. Um die Jahreswende steht er auf einmal ‚beziehungsmäßig‘ vor einem Scherbenhaufen. Er hat sich in den Fallstricken seiner Hintertreppenpolitik verheddert. Keiner seiner ‚Angeflirteten‘ schätzt ihn mehr so recht – Hitler, Papen und selbst Schleicher nicht, von Hindenburg ganz zu schweigen. Er wird nicht mehr gebraucht, insbesondere nicht dabei, Hitler die letzte Wegstrecke an die Macht zu ebnen – oder zu verbauen.“
Der Ex-Kronprinz sei kein Politiker gewesen, „nicht einmal ein Prince charming“. Die zweite Rolle kann Georg Friedrich besser ausfüllen. Er plaudert über das Leiden am SV Werder Bremen, lächelt gewinnend und verbringt nach dem offiziellen Teil lange Zeit in freundlichen Gesprächen an den Stehtischen im Garten.
Er spricht nicht über Geld und Geschmeide, sondern über Verantwortung. „Ich sehe mich und meine Familie bei der Aufarbeitung der dunklen Kapitel unserer Geschichte in der Verantwortung“, sagt er. Einiges in Machtans Buch habe ihn „überrascht“, anderes „erschüttert“. Ihm sei unterstellt worden, er wolle „eine unparteiische Bewertung der historischen Persönlichkeit des Kronprinzen aus familiären Rücksichten behindern. Ich kann Ihnen versichern: Nichts liegt mir ferner als das.“
Eine „echte Debatte“ – doch diese läuft bereits
Sowohl Machtan als auch Georg Friedrich betonten, sie wollten eine „echte Debatte“, einen Diskurs über die Anbiederung der Ex-Monarchenfamilie an die Nazis. Doch eine solche Debatte läuft – erhitzt – seit Jahren. Also kann es nur heißen, sie wollen nun stärker an dieser Debatte teilhaben. Die Förderung des Buchs, der Abend in Berlin, samt Empfang mit Bier aus der Familienbrauerei und einem freundlichen Grußwort des „als Privatmann“ anwesenden Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) – sie sind Teil einer Charme- und Öffentlichkeitsoffensive der Familie.
Doch parallel dazu treibt Georg Friedrich eine Reihe von Gerichtsverfahren voran. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam auf Entschädigung für enteignete Schlösser und Immobilien auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ruht zwar. Zurückgezogen wird sie auch nach den für ihn „schockierenden“ Erkenntnissen über den Ex-Kronprinzen nicht.
Wie das Gericht auf Anfrage des RedaktionsNetzwerk Deutschlands (RND) bestätigte, bat Georg Friedrich vor zwei Wochen um eine weitere Fristverlängerung für eine geforderte Stellungnahme um zwölf Monate. Die Preußens spielen also auf Zeit. Am Donnerstag verhandelte zudem das Kammergericht Berlin fünf Berufungsverfahren, in denen Georg Friedrich aus seiner Sicht unrichtige Berichterstattung beklagte.
Eines, gegen die Plattform “Frag den Staat”, gewann er. Ein weiteres, gegen die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und deren Parlamentarischen Geschäftsführer Daniel Wesener, nahm der Kläger nach Erörterung der Rechtslage zurück.
Die Gewerkschaft Verdi wehrte sich dort erfolgreich gegen eine Einstweilige Verfügung, die ihre untersagte zu behaupten, der Prinz von Preußen habe sich als “besonders klagefreudig erwiesen, was die wissenschaftliche und mediale Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie angeht”.
Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in Verdi, Monique Hofmann, begrüßt das Urteil als überfällige Klarstellung, dass die “royalen Rechtsattacken einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellen”. “Das massive juristische Vorgehen gegen Journalisten und Journalistinnen durch Prinz von Preußen ist der Versuch, die öffentliche Debatte über die Familie der Hohenzollern zu ersticken. Dem hat das Gericht nun einen ersten Riegel vorgeschoben”, zeigt sich Hofmann erfreut.
Zu den Verfahren gehört auch eines gegen den Historiker Stephan Malinowski - das haben beide Seiten für erledigt erklärt. Malinowski legt in wenigen Wochen ebenfalls ein Werk zum Thema vor: „Die Hohenzollern und die Nazis“ wird es heißen.
„Nachschub“, nicht jedoch „Vorschub“?
Historiker-Konkurrent Machtan liefert seinem adligen Finanzier eine entlastende Deutung für den politischen Flirt Wilhelms mit Hitler. Dieser habe sich „in der Kulissen der Macht“ abgespielt und keine Außenwirkung erzielt – zudem zerbrachen alle seine Pläne. „Die letzte Wegstrecke zur Machtergreifung haben Hitler andere Leute gespurt.“ Der „eigentliche Sündenfall“ Wilhelms bestehe in der Anbiederung an die neuen Machthaber nach 1933. Das sei aber in Machtans Worten „Nachschub“, nicht jedoch „Vorschub“ nach den Buchstaben des Gesetzes.
Das Gesetz allerdings beschränkt sich mit keinem Wort auf etwaige Hilfe bei der Machtübernahme der Nazis 1933, sondern bezieht sich auf die gesamte NS-Zeit. Die Nachkommen des Kaisers brauchen mehr als ein Buch, um das wegzuwischen.