Wie gegen Rassismus vorgehen? - Personen aus Politik und Religion geben Antworten
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"I cant breathe" (l-r), "Black Lives Matter" und "We are one human race" steht auf Schildern von Teilnehmern geschrieben, die in Stuttgart an einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt teilnehmen.
© Quelle: Christoph Schmidt/dpa
Berlin. Wenn die Diskussionen der vergangenen Wochen eins für jeden endgültig klar gemacht haben, dann: Rassismus ist auch in Deutschland bei weitem kein Einzelfall. Wie also damit umgehen - im Kleinen wie im Großen? Wo fängt Rassismus an, und wie steht es um die Behörden? Menschen mit und ohne Rassismuserfahrungen aus Politik und Religion melden sich zu Wort:
Wo beginnt für Sie Rassismus?
"Bei der scheinbar jovial gemeinten Frage an einen 14-jährigen Schüler mit schwarzer Hautfarbe, der in Deutschland geboren wurde und einen deutschen Pass besitzt: "Ja, woher kommst du denn und wo hast Du so gut Deutsch gelernt?""
(Christine Lüders, ehemalige Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
"Rassismus kann im Alltag beginnen, wenn eine weiße Person sich im Bus nicht neben mich setzen will, über die Ablehnung einer Bewerbung im öffentlichen Dienst, bis zur Gewaltausübung wegen der eigenen Hautfarbe."
(Karamba Diaby, SPD-Bundestagsabgeordneter)
"Rassismus beginnt aus meiner Sicht bereits dort, wo Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe Nachteile erleiden. Der Artikel 3 unseres Grundgesetzes ist eindeutig und kann nicht missverstanden werden."
(Marian Wendt, CDU-Bundestagsabgeordneter)
Wie sollten sich Nicht-Betroffene in rassistischen Situationen verhalten?
“Solidarisch mit den Betroffenen. Zu oft wird einfach weggesehen oder weggehört. Aber nicht reagieren signalisiert Einverständnis und ist eine Bestätigung für denjenigen, der sich rassistisch verhält. Es ist wichtig, rassistische Äußerungen zurückzuweisen. Natürlich sollte man sich nicht selbst in Gefahr bringen. Wenn eine Situation sehr aggressiv oder gewalttätig ist, sollte man die Polizei rufen.”
(Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende Linke im Bundestag)
"Einfach versuchen, sich in den anderen hineinzuversetzen, und wenn das nicht gelingt, mit einem Freund oder einer Freundin - Person of color oder einer Muslima mit Kopftuch eine ganze Stunde in der Innenstadt zusammen gehen und die Blicke, Bemerkungen etc. der anderen Menschen beobachten. Danach wird vieles klarer."
(Aiman Mazyek, Vorsitzender Zentralrat der Muslime)
"Hier kann es nicht darum gehen, übergriffiges Verhalten von Leuten aus eigenen oder anderen "Kulturkreisen" zu decken. Die negativen individuellen wie allgemeinen Erfahrungswerte mit "Ausländer"-Verhalten gehen in den letzten Jahren sozusagen durch die Decke, wobei schon das "Inländer"-Verhalten untereinander zu wünschen übrig lässt. Tritt man Fehlverhalten anderer Leute entgegen, so hat man eben oft auch genau die Leute zu konfrontieren, für die man sich einsetzen möchte."
(Harald Weyel, AfD-Bundestagsabgeordneter)
Was muss sich ändern, um Rassismus in Deutschland einzudämmen und wie kann jeder individuell dazu beitragen?
"Erstens: uns selbstkritisch prüfen, wo wir selbst rassistischen Stereotypen aufsitzen. Zweitens: aktiv Einspruch erheben, wenn Rassismus zum Ausdruck gebracht wird. Drittens: Diskriminierungen aufspüren und politisch bekämpfen. Viertens: überhaupt erst einmal richtig wahrnehmen, wie Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe und unterschiedlicher Hautfarben in unserem Land friedlich zusammenleben und den Reichtum erkennen, der darin liegt."
(Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender Evangelische Kirche Deutschland)
"Der Kampf gegen Rassismus ist mehr als nur Aufgabe jedes Einzelnen. Den größten Erfolg bringen Veränderungen in den Strukturen unserer Gesellschaft. In Wirtschaft, Politik und Verwaltung müssen wir Vielfalt zum Leitprinzip machen. Das heißt, dass all diese Teilbereiche unsere Gesellschaft als Ganzes so gut es geht abbilden sollten. Wir sollten stärker als bisher auf gemischte Teams setzen, die Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Das macht die Arbeit unserer Institutionen besser. Es sorgt dafür, dass wir alle auf allen Ebenen mit Menschen interagieren, die sich von uns unterscheiden. Gelebte Vielfalt wird damit zur Normalität und macht unsere Gesellschaft widerständiger gegen die "Wir gegen die"-Parolen von Populisten und Rassisten."
(Muhterem Aras, Grüne, Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg)
"Wo es zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft im Alltag zu Begegnung und Austausch kommt, wo aus Fremden sogar Freunde werden, hat es der Rassismus schwer. Mit Offenheit, Respekt und Toleranz kann jeder und jede Einzelne dazu beitragen, dass rassistische Ressentiments abgebaut werden. In unseren Kirchengemeinden gibt es zahlreiche Menschen, die genau dies Tag für Tag tun. Neben der unerlässlichen Arbeit an der Basis bedarf es in Gesellschaft und Kirche immer wieder des klaren Signals von oben: Rassismus wird hier nicht geduldet!"
(Georg Bätzing, Vorsitzender Deutsche Bischofskonferenz)
Ist in Behörden wie der Polizei Rassimus weiter verbreitet als in der Gesamtbevölkerung?
“Ich halte nichts von Verallgemeinerungen und Pauschalurteilen, weder gegenüber Hautfarben noch gegenüber Berufsgruppen.”
(Linda Teuteberg, FDP-Generalsekretärin)
"Ich glaube, mit Pauschalurteilen über die Polizei kommen wir nicht weiter. Doch wenn Rassismus, Antisemitismus oder Rechtsextremismus unter Polizisten bekannt wird, muss dies konsequent geahndet werden. Es darf dann vor allem keinen falschen Korpsgeist unter Polizisten geben. Wenn sie solche Kollegen decken, schaden sie vor allem der Polizei selbst, aber auch unserem Rechtsstaat. Alle Bürger sollen der Polizei vertrauen können, egal, welche Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung sie haben."
(Josef Schuster, Vorsitzender Zentralrat der Juden)
RND/dpa