Gastbeitrag einer Geflüchteten

Geflüchtete Ukrainerin: „Ich fühle, dass wir in diesem Kampf nicht allein sind“

Olia Cheryomushkina

Die Ukrainerin Olia Cheryomushkina ist als Flüchtende nach Deutschland gekommen.

Rostock. Ich heiße Olia Cheryomushkina, ich bin Künstlerin. Ich bin Mutter von drei Kindern, sie sind 14, zehn und sieben Jahre alt und ihrem kurzen Leben sind sie schon das zweite Mal auf der Flucht.

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Das erste Mal haben wir unser Haus 2015 verlassen müssen, als Russland zum ersten Mal die ukrainischen Gebiete im Osten okkupiert hat. Damals haben wir in unserem Haus in Mariupol gewohnt. Der Krieg kam uns sehr nah. Die Stadt wurde massiv beschossen, viele Häuser wurden zerstört, viele Menschen getötet.

Wendepunkt für alle Ukrainer

Damals war ich mit dem dritten Kind schwanger, so habe ich mich entschieden, nach Lemberg in den Westen der Ukraine zu fliehen. Ich wollte damals in meinem Land bleiben. Deswegen begannen wir alles von null an. Wir lebten gut in Lemberg, die Kinder wuchsen auf und ich habe meiner Familie eine sichere Existenz aufgebaut.

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Ab dem 24. Februar 2022 wurde das alles wieder umgeworfen. Ich erinnere mich an diesen Morgen, als meine Freundin mich anrief. Sie sagte, Kiew werde jetzt bombardiert. Dieser Morgen war für alle Ukrainer ein Wendepunkt.

Kampf zwischen Gut und Böse

In diesem Moment begann ein Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen. Zwischen meinem Land, das sich gut entwickelt hatte, welches eine Kornkammer der Welt war. Und dem Land, das uns überfallen hat. Dem Land, welches tötet, vergewaltigt, ruiniert, Frauen und Kinder foltert, Mediziner in Gefangenschaft nimmt und gefangene Soldaten misshandelt. Welches ganze Städte in Schutt und Asche legt und die Welt mit der Atombombe erpresst.

Was fühle ich nun sechs Monate später, am 24. August, unserem Nationalfeiertag? Ich bin stolz auf meine Landsleute. Auf alle, die sich wehren und für unser Vaterland kämpfen. Es gibt keinen Ukrainer, den der Krieg gleichgültig lässt. Jeder versucht zu helfen, wo er nur kann.

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Permanenter physischer Schmerz

Ich spüre Schmerz. Einen physischen Schmerz, der permanent da ist. Es schmerzt, wenn ich über den Tod von so vielen Menschen lese. Es schmerzt, wenn ich über die Kämpfer von Azovstal lese und über ihre geplante Hinrichtung.

Ich kriege keine Luft, wenn ich nur daran denke, wie schlimm sie gefoltert werden. Ich kenne viele von ihnen persönlich, ich kenne ihre Frauen, ihre Kinder. Ich kann meine Angst, meinen Schmerz und meine Hilflosigkeit hier nicht beschreiben.

Kinder können in MV friedlich leben

Gleichzeitig spüre ich Dankbarkeit. Ich danke allen Deutschen, die uns hier so großzügig und so tapfer unterstützen. Ich schätze es sehr, dass meine Kinder hier friedlich leben können, sie müssen nicht in den Schutzbunkern wochenlang vegetieren. Wir danken euch Deutschen für eure Gastfreundschaft und die große Empathie, die wir hier erfahren.

Wir danken insbesondere dem Deutsch-Ukrainischen Zentrum und der ukrainischen Diaspora für die tolle Organisation, für das tolle Angebot an Kursen, für die Gespräche, Unterricht, Information, Übersetzung. Dafür, dass wir hier nicht allein sind.

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Hilfe für Verwundete

Wir haben schon viele interessante Projekte ins Leben gerufen. Ich persönlich leite verschiedene Workshops, in denen Gruppen lernen zu malen und zu basteln. Wir versuchen, mit diesen kleinen Kunstwerken etwas Geld zu verdienen. Und dieses Geld sammeln wir für die verwundeten Soldaten, die momentan medizinische Hilfe benötigen.

Ich bin allen Ländern dankbar, die uns im Kampf gegen das Böse unterstützen. An diesem Tag glaube ich an meine Landsleute, an unsere Soldaten, die für ihr Land kämpfen. Ich glaube an unser Land. Wir dürfen diesen Krieg nicht verlieren. Ich glaube an unsere Kinder. Sie werden weiterleben und sie werden diese Welt besser machen. Am Tag der ukrainischen Unabhängigkeit denke ich an mein Land. Und ich fühle, dass wir in diesem Kampf nicht allein sind.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der „Ostsee-Zeitung“.

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