Gaspreise und Stromlücke: Habecks Energiesorgen fürs neue Jahr
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Vorfeld der letzten Kabinettssitzung vor Weihnachten.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Berlin. Es war ein schwieriges Jahr für Robert Habeck. Begonnen hatte der Wirtschafts-, Energie- und Klimaschutzminister Anfang 2022 mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme über den Rückstand der erneuerbaren Energien in Deutschland und ehrgeizigen Ausbauziele, die er in ein österliches Gesetzespaket packte. Zu Ende geht das Jahr nun nach Ängsten um Gasmangel und einer hysterischen Debatte über eine von Habeck verantwortete Gasumlage mit einer Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Atomkraftwerken. Hinzu kommt: Kurz vor Silvester hat der Spitzengrüne nicht einmal bessere Aussichten zu bieten.
So müssen sich die Deutschen noch für ein weiteres Jahr auf hohe Gaspreise einstellen. „Ich hoffe, dass es gegen Ende 2023 schon besser ist, wenn auch nicht auf dem Niveau von 2021“, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. „Das Jahr über werden wir höhere Preise noch aushalten müssen.“ Danach sollte die Infrastruktur so weit ausgebaut sein, dass genügend Ersatz für ausbleibendes russisches Gas ankomme und die Preise sich wieder einpendelten.
Gaspreis an den Großhandelsmärkten bereits gesunken
Immerhin konnte zuletzt dank des günstigen Wetters wieder Gas gespart und eingespeichert werden. An Europas Großhandelsmärkten ist der Gaspreis bereits gesunken, was sich aber wegen langfristiger Verträge nicht auf die Verbraucherrechnungen auswirkt. Laut Habeck ist nicht nur die Versorgung für den aktuellen Winter gesichert. Seien die Speicher Anfang Februar noch zu 40 Prozent gefüllt, sehe es auch für den Winter 2023/2024 gut aus.
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Doch es gibt weitere Sorgen: Das Ziel der Bundesregierung, den Ökoanteil am Stromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern, wankt. 2022 sind nach ersten Berechnungen erst 47 Prozent geschafft. Und am Mittwoch veröffentlichte das „Handelsblatt“ eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln, wonach Habecks Ziel kaum noch zu erreichen sei, bis 2030 eine Windkraftkapazität von 115 Gigawatt zu installieren.
Dafür müsste innerhalb von sieben Jahren noch einmal mehr als die Menge Windkraft zugebaut werden wie in den letzten 20 Jahren zusammen: 59 Gigawatt. Das wären von 2023 bis Ende 2029 täglich 5,8 Windräder mit je 4,2 Megawatt Leistung. Da das kaum zu schaffen ist, drohe eine Lücke in der Stromversorgung.
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An Bord mit dem Kanzler: ein großer Empfang für die „Höegh Esperanza“
Der Flüssiggastanker „Höegh Esperanza“ ist in Wilhelmshaven angekommen. Eine gewaltige Politprominenz hat das LNG-Schiff in Empfang genommen. Das Terminal soll künftig mindestens fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr in das deutsche Gasnetz einspeisen. Umweltschützer sind nicht begeistert und drohen mit rechtlichen Schritten.
„2022 wirklich vorangekommen“
Habecks Ministerium erklärte zu der Studie, dass man zentrale Weichen gestellt habe und weiter alles tue, um den Ausbau weiter zu intensivieren. Der Minister selbst erklärte, man sei 2022 wirklich vorangekommen – auch wenn der Weg noch weit sei. „Ich bin nicht unzufrieden, wie das mit dem Ausbau der Erneuerbaren gerade läuft“, sagte er. „Noch nicht zufrieden, das ist alles noch ein zartes Pflänzchen, und wir kommen hier wirklich aus dem Tal der Tränen. Aber die sind getrocknet und ein erstes Lächeln kann man sich schon wieder zutrauen.“
Der Bundesverband Erneuerbare Energie widerspricht der pessimistischen Prognose: „Den nötigen Zubau bei Wind und Solar zu erreichen ist eine große Aufgabe, aber sie ist machbar“, sagte dessen Präsidentin Simone Peter dem RND. Die Ampel habe 2022 mit ihren Reformpaketen die nötigen Grundsteine gelegt. Mit erweiterten Ausschreibungen, Förderprogrammen und Flächen, schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren und dank Digitalisierung seien die Ziele erreichbar. Und doch: Angesichts dieser Meldungen lassen die Nadelstiche aus der Opposition nicht nach – und auch nicht aus der FDP.
Der CDU-Bundesvize und Energieexperte der Fraktion, Andreas Jung, rief Habeck dazu auf, „durch ein umfassendes Ausschöpfen des Energieangebots Knappheiten abzuwenden und Preise zu begrenzen“. Es sei falsch, mitten in der Krise auf Kohle zu setzen und Kernernergie abzustellen, sagte Jung dem RND. Zudem müsse Habeck Kommunen, Regionen und Bundesländer in ein Gesamtkonzept einbeziehen, das nicht allein auf Sonne und Wind setze.
FDP trägt Maßnahmenvorschläge zusammen
Und Koalitionspartner FDP klingt ganz ähnlich: „Die Bundesregierung muss die Produktionskapazitäten ausweiten, anstatt sie mit dem Ausstieg aus der Kernkraft zu Mitte April 2023 noch zu verknappen“, sagte deren energiepolitischer Sprecher, Michael Kruse, dem RND. Derzeit werde so viel Gas wie lange nicht verstromt, was angesichts drohender Gasknappheit unverantwortlich sei und die Preise explodieren lasse. „Die Ausweitung der heimischen Gasförderung muss also Priorität haben 2023, um unsere Energiesouveränität schnellstmöglich wiederherzustellen.“
Habeck und die Grünen haben innerhalb der Bundesregierung durchgesetzt, dass nach Ostern die drei verbliebenen Atomkraftwerke endgültig vom Netz gehen, und lehnen Fracking in Deutschland ab, weil das erst in vielen Jahren Gas liefern würde.
Und doch muss sich Habeck darauf einstellen, sich im neuen Jahr mit diesen Forderungen auch im Kabinett zu befassen: Dem RND liegt ein internes Papier aus dem Bundesfinanzministerium vor, in dem die Beamten auf Wunsch von Ressort- und FDP-Chef Christian Lindner „eine Sammlung von Maßnahmenvorschlägen“ für „ein ‚Wachstumspaket 2023/2024‘ zur Stärkung der wirtschaftlichen Erholung“ zusammengestellt haben. Neben Produktion und Import „von allen Farben des Wasserstoffs“, synthetischen Kraftstoffen und Flüssiggas wird darin auch für Fracking und Atomkraft plädiert.
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Habeck gegen Lindner: die Gelb-Grün-Schwäche der Regierung
An guten Tagen sind Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner wie Hund und Katze, die schon eine Weile gemeinsam in einem Haushalt leben und gelernt haben, die Irritationen zu ignorieren, die der jeweils andere auslöst. Es gibt aber nicht so viele gute Tage. Ständig geraten die beiden Minister aneinander.
FDP will weitere Aussetzung des CO₂-Preises prüfen
„Das Preisniveau für Energie in Deutschland wird den Status quo ante nicht mehr erreichen“, heißt es in dem Papier. Das BMF sollte sich daher für „alle physikalischen Möglichkeiten“ einsetzen, um Versorgung und Preisniveau zu stabilisieren, schreiben Lindners Fachleute.
Dazu „müssen die heimischen Vorkommen von Öl und Gas erschlossen werden“, wofür das Fracking-Verbot entfallen müsse: „Die Expertenkommission des Deutschen Bundestages hat unterstrichen, dass keine unverantwortbaren Risiken bestehen“, so das Papier – und: „Die Kernenergie kann in Deutschland unverändert einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.“ Das BMF solle „fachlich den Weiterbetrieb über April 2023 hinaus“ befürworten.
Zudem könne man die für 2023 ausgesetzte Erhöhung des CO₂-Preises für die Folgejahre ebenfalls prüfen. Der CO₂-Preis ist eine zentrale Stellschraube für die deutschen Klimaschutzziele. Darauf zu verzichten würde Habeck in neue Probleme bringen: Immerhin ist er auch Klimaschutzminister.