Energiekrise: Die EU‑Kommission will den Gaspreis deckeln, legt die Hürden dafür aber sehr hoch an
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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Brüssel. In der Energiepreiskrise will die EU mithilfe eines Notfallgaspreisdeckels über die kalte Jahreszeit kommen und sich gleichzeitig auf den Winter 2023/2024 vorbereiten. Die EU‑Kommission schlug am Dienstag vor, in „Phasen außerordentlich hoher Gaspreise“ in den Markt einzugreifen, um die Preise zu drücken. EU‑Energiekommissarin Kadri Simson sprach von einem „ausbalancierten Vorschlag“, dem sich die Mitgliedsstaaten anschließen sollten. Ob das geschieht, ist allerdings noch unklar.
Die Brüsseler EU‑Behörde vermeidet den Begriff Gaspreisdeckel und spricht von einem Marktkorrekturmechanismus. Bevor dieser zum Einsatz kommt, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Der Preis für Erdgas an der wichtigsten Gashandelsbörse TTF in den Niederlanden muss zwei Wochen lang über 275 Euro pro Megawattstunde liegen. Zugleich muss die Megawattstunde Erdgas für die Dauer von zehn Handelstagen um 58 Euro teurer sein als der Referenzpreis für Flüssiggas (LNG).
EU‑Kommission will auf mögliche neue Preissprünge reagieren
Zudem müsse zu jedem Zeitpunkt sichergestellt sein, dass die Versorgung mit Gas nicht gefährdet sei, sagte EU‑Kommissarin Simson. Um Engpässe bei der Versorgung zu vermeiden, soll der Preisdeckel regelmäßig überprüft und jederzeit außer Kraft gesetzt werden können.
Die Bedingungen für den „Gaspreisdeckel light“ wären in diesem Jahr möglicherweise im August erfüllt gewesen. Damals schoss der Preis für Erdgas auf fast 350 Euro nach oben. Derzeit liegt er bei etwa 116 Euro, was aber immer noch um ein Vielfaches höher ist als im Jahr 2021.
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Die EU‑Kommission will mit den neuen Regeln, die vom 1. Januar gelten sollen, auf mögliche neue Preissprünge reagieren. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Preis wieder anziehe, wenn die Mitgliedsstaaten am Ende des Winters abermals damit beginnen, ihre Gasspeicher zu befüllen – dann allerdings ohne russisches Gas, das zumindest bis zum Sommer dieses Jahres geliefert wurde.
Ob die Vorstellungen der Kommission umgesetzt werden, wird sich schon am Donnerstag zeigen. Dann kommen die EU‑Energieminister und ‑ministerinnen zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen. Im Ministerrat gehen die Meinungen zu dem sogenannten Marktkorrekturmechanismus derzeit noch weit auseinander.
Frankreich, Italien und viele andere Länder wollten einen fixen Preisdeckel
Weit mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten, darunter die Schwergewichte Frankreich und Italien, wollten einen fixen Preisdeckel festlegen. Eine Staatengruppe um Deutschland und die Niederlande war dagegen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte davor gewarnt, dass ein EU‑weiter Preisdeckel dazu führen könnte, dass Produzenten ihr Gas nicht mehr in Europa verkauften. Dadurch könnte das Gegenteil des Gewünschten eintreten – die EU bekäme weniger und nicht mehr Gas.
Es war am Dienstag noch unklar, ob die Vorschläge der Kommission beide Gruppen zufrieden stellten. Mit einer Entscheidung des EU‑Energieministerrates wird nicht vor dem 19. Dezember gerechnet.
EU‑Kommissarin Simson rief die Mitgliedsstaaten dazu auf, in der Debatte die anderen Möglichkeiten zur Eindämmung der Energiekrise nicht zu vergessen. Dazu gehören der gemeinsame Gaseinkauf und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Ausbau der erneuerbaren Energie.
Der Klimaexperte der Europa-Grünen, Michael Bloss, kritisierte den Vorschlag der EU‑Kommission. „Dieses Instrument wird die Energiekrise nicht lösen. Im Gegenteil: Es gibt dadurch weniger Gründe, Gas einzusparen“, sagte Bloss dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Um wirklich etwas gegen die hohen Preise zu tun, brauchen wir verbindliche Einsparziele für den Gasverbrauch“, sagte Bloss weiter.
Bislang gibt es in der EU nur ein freiwilliges Einsparziel von 15 Prozent. Einige Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, haben in den vergangenen Monaten jedoch Einsparungen von mehr als 20 Prozent erreicht. Sie drängen nach Angaben von EU‑Diplomatinnen und ‑Diplomaten darauf, ein Einsparziel von 25 Prozent verbindlich festzuschreiben.