Kommentar

Wir dürfen uns durch Putins Gas­drohungen nicht erpressen lassen

Lettland, Riga: Ein groß­flächiges Plakat mit einem als Toten­kopf stilisierten Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin hängt an der Fassade des Museums für Medizin­geschichte in Lettlands Hauptstadt Riga. (Archivbild)

Lettland, Riga: Ein groß­flächiges Plakat mit einem als Toten­kopf stilisierten Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin hängt an der Fassade des Museums für Medizin­geschichte in Lettlands Hauptstadt Riga. (Archivbild)

Wladimir Putin lässt einmal mehr seine Muskeln spielen. Der stärkste Muskel Russlands im Konflikt mit Deutschland ist derzeit die Gas­pipeline Nord Stream 1. Nach zehn­tägigen Wartungs­arbeiten soll die Gas­versorgung durch die in Lubmin bei Greifswald mündende Röhre nun wieder aufgenommen werden, wie Putin am Dienstag in der iranischen Haupt­stadt Teheran verkündete. Nur um kurz darauf mit einer weiteren drastischen Kürzung der Gas­lieferungen zu drohen.

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Bei Putins Drohungen geht es höchstens vorder­gründig um technische Fragen wie die Lieferung einer in Kanada reparierten Turbine für die Pipeline. Sie sind in erster Linie ein weiterer Versuch, Deutschland und die EU zu erpressen: Steht ihr weiterhin fest an der Seite der Ukraine, dann wird der Winter kalt und teuer. Ein vollständiger Gas­liefer­stopp steht immer im Raum. Das sorgt in Deutschland zu Recht für große Nervosität.

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Die Drohungen des Autokraten Putin dürfen nicht verfangen

Doch die Drohungen des Moskauer Autokraten dürfen keines­wegs zur Aufweichung der westlichen Sanktionen führen. Und sie dürfen Deutschland und die EU erst recht nicht davon abbringen, die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen den völkerrechts­widrigen Angriff durch das russische Militär zu unterstützen – auch und gerade mit schweren Waffen.

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Mit Blick auf die Gas­versorgung im Herbst und Winter klingt es verlockend, jetzt einen milderen Ton gegenüber Russland einzulegen, die Ukraine zu „Verhandlungen“ mit dem Aggressor und Besatzer zu drängen. Der sächsische Minister­präsident Michael Kretschmer (CDU) forderte gar, dass sich Deutschland dafür einsetzt, „dass dieser Krieg eingefroren wird“. Er beklagte eine Einseitigkeit in der aktuellen Diskussion über den Krieg in der Ukraine. Es sind Äußerungen wie die Kretschmers, aber auch anderer Politikerinnen und Politiker vor allem von AfD und Links­partei, über die man sich in Moskau freut. Ein bisschen Druck auf beide Seiten, ein paar Verhandlungen, dann wird das schon – so ihre Devise. Und Russland bloß nicht „provozieren“. Aber was genau wird denn dann?

Die Ukraine müsste sich aus einer Position der Schwäche heraus dem imperialen Größen­wahn Putins beugen. Das Ergebnis könnte nur ein schmerzlicher Diktat­frieden sein, der das Leid und die Unfreiheit von Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern auf absehbare Zeit zum kaum noch änderbaren Status Quo zementiert. Deutschland würde sich zum Erfüllungs­gehilfen Putins machen und die Ukraine verraten.

Appeasement nach Kretschmers Vorstellung wäre fatal

Eine Appeasement­politik nach der Vorstellung Michael Kretschmers hätte noch einen weiteren Effekt. Deutschland würde Putin zeigen, wie leicht es erpressbar ist. Die Signal­wirkung wäre fatal. Denn wer sich einmal erpressen lässt, der lädt sein Gegenüber dazu ein, es auch ein weiteres Mal zu versuchen. Das schafft garantiert keine Sicherheit. Deutschland und andere westliche Staaten haben der russischen Regierung bereits in den vergangenen Jahren zu vieles durch­gehen lassen, ob aus Naivität oder falschem Kalkül. Diese Politik hat mit dazu beigetragen, dass sich Putin immer mehr und mehr getraut hat. Bis hin zum Überfall auf die Ukraine.

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EU stellt Notfall­plan für mögliche Gaskrise vor

Der EU-Gas­notfall­plan sieht vor, dass die einzelnen Länder bis zum Frühjahr 15 Prozent Gas einsparen sollen.

Die Konsequenz aus Putins jüngsten Drohungen kann deshalb nur sein, den Weg hinaus aus der Abhängigkeit von russischen Energie­trägern mit dem größt­möglichen Tempo weiter zu beschreiten. Dieser Weg wird schwer, er wird teuer. Und er wird besonders für jene bitter, die bereits jetzt Probleme haben, ihre Gas­rechnung zu bezahlen. Die Bundes­regierung wird diese Folgen zumindest umfassender als bisher abfedern müssen. Putin länger als notwendig die Macht zu geben über die Energieversorgung Deutschlands zu bestimmen kann aber keine Alternative sein. Auch in unserem eigenen Interesse.

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