Die Solidarität bröckelt: Im Süden Europas regt sich Widerstand
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Wenn Russland kein Gas mehr in die EU liefert, würde es Deutschland härter als andere EU‑Staaten treffen.
© Quelle: Stefan Sauer/dpa
Brüssel. Kurz vor Beginn eines Sondertreffens der EU‑Energieminister zur Gaskrise bröckelt die europäische Solidarität. Obwohl zunächst unklar war, ob die EU-Staaten zu einer Einigung kommen, verständigten sich die Vertreter und Vertreterinnen in der Nacht zu Dienstag auf den Gasnotfallenplan der EU-Kommission – wenn auch mit einigen Einschränkungen.
Dieser sieht vor, dass die EU‑Mitgliedsländer zwischen August 2022 und März 2023 15 Prozent Gas einsparen und sich im Notfall untereinander mit Energie versorgen. Vor allem im Süden der EU regte sich Widerstand. Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind.
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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen appellierte an die Solidarität innerhalb der EU. Es gehe darum, sich schon heute auf einen möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland vorzubereiten. „Auch Mitgliedsstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen“, sagte von der Leyen der Nachrichtenagentur dpa. Die Volkswirtschaften in der EU seien eng miteinander verwoben. Eine Gaskrise beträfe in der einen oder anderen Form jeden Mitgliedsstaat.
„Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitgliedsstaaten die Nachfrage drosseln, dass alle mehr speichern und mit denjenigen Mitgliedern teilen, die stärker betroffen sind“, sagte von der Leyen. Energiesolidarität sei ein Grundprinzip der europäischen Verträge. Sie sei sicher, dass sich die Energieminister ihrer Verantwortung bewusst seien, sagte von der Leyen. Es gehe darum, ein Sicherheitsnetz für alle zu knüpfen, damit man es sicher durch die beiden nächsten Winter schaffe.
Portugal, Zypern, Spanien und Griechenland gegen die Pläne
Das sahen einige EU‑Staaten bis zuletzt anders. Die Regierungen von Portugal, Spanien, Zypern und Griechenland wandten sich gegen die Pläne der EU‑Kommission. Auch Polen war skeptisch. Diese Länder beziehen vergleichsweise wenig Gas aus Russland.
EU-Staaten verständigen sich auf Notfallplan zum Gassparen
Vertreterinnen und Vertreter von EU-Staaten haben sich auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt.
© Quelle: dpa
Für eine Verabschiedung des Gasnotfallplans braucht es nach den EU‑Regeln eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat. Das sind 15 Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU‑Bevölkerung repräsentieren. Wenn es keine Mehrheit geben sollte, könnte es passieren, dass Deutschland im Notfall nicht auf Gaslieferungen aus anderen EU‑Ländern setzen kann.
Denn in zahlreichen Hauptstädten wird es kritisch gesehen, dass sich Deutschland in der Vergangenheit stark von russischem Gas abhängig gemacht hat. In der Debatte werden offenbar auch alte Rechnungen beglichen. „Anders als andere Länder haben wir Spanier energetisch nicht über unsere Verhältnisse gelebt“, sagte etwa die spanische Klimaministerin Teresa Ribero in einem Interview mit der Zeitung „El Pais“.
Das wurde in Brüssel als eine Anspielung auf die harte Haltung der Bundesregierung in der Euro-Krise vor mehr als zehn Jahren verstanden. Damals hatte Deutschland die Staaten der Euro-Zone im Süden der EU, die besonders unter der Währungskrise litten, zu harten Sparmaßnahmen gedrängt.
Erst freiwillig Gasverbrauch senken
Konkret sieht der Plan der EU‑Kommission vor, dass alle EU‑Staaten ihren Gasverbrauch freiwillig zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 um mindestens 15 Prozent verringern. Vergleichswert ist der Durchschnittskonsum im gleichen Zeitraum der vergangenen fünf Jahre.
Sollte es zu einem echten Gasnotstand kommen, dann will die EU‑Kommission die Drosselung des Konsums auch anordnen können. Eine unzureichende Vorbereitung auf einen russischen Lieferstopp könnte nach Einschätzung der Brüsseler Behörde zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 0,9 bis 1,5 Prozent führen.
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