Frust über Karriere-Aus ihres Manns: Kieler Ex-OB Gaschke verlässt SPD

Ex-Genossin Susanne Gaschke: "inzwischen alles egal."

Ex-Genossin Susanne Gaschke: "inzwischen alles egal."

Berlin. Es ist das vorläufige Ende eines langen Entfremdungsprozesses: Die frühere Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke verlässt die SPD. Was unter normalen Umständen bestenfalls eine Randnotiz in den Meldungsspalten der Tageszeitungen gewesen wäre, entfaltete am Mittwoch durch zwei Begleitumstände eine gewisse Wucht.

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Erstens ist Gaschke verheiratet mit dem bisherigen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels. Dieser hatte vergebens auf die Nominierung für eine weitere Amtszeit durch die SPD-Bundestagsfraktion gewartet und fühlt sich nun um seinen Job betrogen. Zweitens nutzte Gaschke ihren aktuellen Beruf - sie arbeitet als Journalistin - um lautstark mit ihrer nun früheren Partei abzurechnen.

Auf dem Online-Portal der Zeitung “Die Welt” veröffentlichte die 53-Jährige am Mittwochmorgen einen offenen Brief an die “Liebe(n) Genossinnen und Genossen”. Das Schreiben ist gespickt mit Anschuldigungen und Vorwürfen - es ist eine schonungslose Abrechnung.

Grundtenor: Gaschke, die vor 33 Jahren wegen der sozialdemokratischen Aufstiegs- und Gerechtigskeitsversprechen in die SPD eingetreten war, sei sich treu geblieben, die Partei aber habe sich verändert. “Aus einer Aufstiegspartei, die Menschen solidarisch dabei hilft, sich selbst zu helfen, habt Ihr – in mehrfacher Hinsicht – eine Versorgungspartei gemacht”, schreibt die Ex-Genossin. Der SPD sei es irgendwann nur noch um Jobs, Ämter und Dienstwagen gegangen, die sozialdemokratische Binnenlogik habe alles überlagert “Als junge migrantische Frau konnte man alles werden, egal, was man tatsächlich konnte", schreibt Gaschke. “Als dicke Frau aus Nordrhein-Westfalen ebenso.”

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Schlammschlacht an der Waterkant

Auch auf ihre Zeit als Kieler Bürgermeisterin blickt die Journalistin in dem Text zurück und erhebt, ohne seinen Namen zu nennen, schwere Vorwürfe gegen den damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig. Der habe erst ihre Wahl verhindern wollen und nach ihrem Wahlerfolg alles dafür getan, damit sie ihr Amt wieder verliere.

Gaschke, die bis dahin für die Wochenzeitung “Die Zeit” gearbeitet hatte, war 2012 zur Oberbürgermeisterin von Kiel gewählt worden, nachdem Amtsvorgänger Albig Ministerpräsident geworden war. Die Quereinsteigerin war angetreten einen “neuen Politikstil” zu prägen, verhedderte sich aber schon nach wenigen Monaten heillos in einer Affäre, in deren Mittelpunkt der von ihr selbst per Eilentscheid genehmigte Erlass der Steuerschulden eines Kieler Augenarztes stand.

Mit Schaudern erinnern sich die Genossen an der Küste noch heute an die öffentliche Schlammschlacht zwischen Gaschke, Albig, dem schleswig-holsteinischen Innenminister Andreas Breitner, ihrem Ehemann Hans-Peter Bartels und dem damaligen SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner, an deren Ende es nur Verlierer gab.

Ebenfalls bis heute im kollektiven Bewusstsein der Nord-SPD ist ein tränenreicher Auftritt Gaschkes vor der Kieler Ratsversammlung, der vielen als Beleg dafür galt, dass sie dem hohen Druck der Politik nicht gewachsen war. Im Oktober 2013 trat Gaschke als Bürgermeisterin zurück und heuerte wenig später beim Springer-Verlag an.

Sie schreibt dort unter anderem über die SPD. “Schließlich verstehe ich was davon”, heißt es in ihrem Abschiedsbrief. Dass sie die Partei gut kennt, stimmt zweifellos. Allerdings lesen sich Gaschkes SPD-Texte bisweilen, als seien sie Teil einer persönlichen Trauma-Bewältigung.

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Stegner ist immer Schuld

Mit großem Eifer und noch größerem Furor arbeitete sie sich in den vergangenen Jahren an ihren Damals-noch-Genossen ab. In der SPD machten sie sich mitunter einen Spaß daraus, in Gaschke-Texten jene Stellen zu suchen, in denen Ralf Stegner einen auf den Deckel bekommt. Es gibt unzählige davon.

Stegner legte Gaschke schon 2017 den Parteiaustritt nahe, nun vollzieht sie den Schritt - wenn auch aus anderen Gründen. Wie die SPD mit dem Wehrbeauftragten Bartels, ihrem Ehemann, umgegangen sei, gehe ihr zu weit, schreibt Gaschke. “Mir ist es nicht egal, wie ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe. Da bin ich anders als Ihr. Euch ist inzwischen alles egal.”

In den sozialen Medien schlug der Text hohe Wellen - vor allem in der sozialdemokratischen Filterblase. Einige Kommentatoren äußerten Verständnis, andere beklagten den Stil. Die brandenburgische Bildungsministerin Manja Schüle etwa nannte die Abrechnung “unwürdig”.

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Wieder andere wiesen auf eine gewisse Widersprüchlichkeit hin: Einerseits beklage Gaschke die Posten-Fixierung in der SPD, andererseits kehre sie der Partei nun ausgerecht deshalb den Rücken, weil ihr Mann bei dem Geschacher nicht zum Zuge gekommen sei.

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Durchaus bemerkenswert ist auch der stilistische Unterschied der beiden Eheleute. Bartels hatte in einem Brief an seine früheren Fraktionskollegen in der vergangenen Woche formuliert, dass ihn die Art der Entscheidungsfindung “ein bisschen unfroh" mache. Gaschke wählte nun deutlich weniger vornehme Worte.

Ein langjähriger Sozialdemokrat hatte eine solche Reaktion bereits nach Bekanntwerden der Bartels-Entscheidung in der vergangenen Woche befürchtet. “Ich denke, jetzt wird es übel", hatte der Mann prophezeit. Er sollte Recht behalten.


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