Frühere Kurdenrebellin und Parlamentarierin

Amineh Kakabaveh: Wer ist die Schlüsselfigur im Streit um Schwedens Nato-Beitritt?

13.06.22: Die Flaggen der Nato und Schwedens bei einem Besuch des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg bei der Schwedischen Premierministerin Magdalena Andersson in Harpsund, Schweden.

13.06.22: Die Flaggen der Nato und Schwedens bei einem Besuch des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg bei der Schwedischen Premierministerin Magdalena Andersson in Harpsund, Schweden.

Stockholm. Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan über „Terroristen“ im schwedischen Parlament wettert, ist sich Amineh Kakabaveh sicher, dass er sie meint. Die frühere kurdische Rebellenkämpferin und jetzige schwedische Parlamentarierin ist zu einer zentralen Figur im Tauziehen um Schwedens und Finnlands Antrag auf einen Nato-Beitritt geworden, gegen den die Türkei opponiert. Die Regierung in Ankara wirft den nordischen Staaten vor, militante Kurden zu beherbergen.

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Die parteilose Kakabaveh, eine starke Verfechterin kurdischer Selbstbestimmung im Nahen Osten und vehemente Erdogan-Kritikerin, verfügt über enormen Einfluss in Schwedens Politik: Die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Stockholm ist auf ihre Stimme angewiesen, um ihre Mehrheit von einem Sitz im Parlament zu halten. „Er kann nicht über uns entscheiden“, sagt die 48-Jährige über Erdogan. „Ich verfechte Schwedens Werte und Schwedens Souveränität.“

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Schweden und Finnland hatten aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine im Mai offiziell die Aufnahme in die Nato beantragt - nach einer langen Geschichte der Neutralität. Den Beitritten müssen jedoch alle Mitglieder der Allianz zustimmen und die Türkei hat ihre Zustimmung an die Forderung geknüpft, dass die beiden Länder Waffenembargos gegen sie aufheben, mutmaßliche kurdische Terroristen ausliefern und ihre Unterstützung für kurdische Kämpfer in Syrien einstellen.

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Erdogan argumentiert, dass diese Kämpfer eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden seien, einer Kurdengruppe in der Türkei, die von Ankara und westlichen Ländern als Terrororganisation eingestuft wird.

Nato-Generalsekretär: Schweden kommt Türkei in zwei Punkten entgegen

Schweden und Finnland haben die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragt, doch die Türkei blockiert derzeit als einziges Nato-Mitglied den Prozess.

Erdogans Forderungen nachzugeben wäre für Schweden und Finnland schon an sich schwierig gewesen, aber angesichts der Abhängigkeit der Stockholmer Regierung von Kakabavehs Unterstützung im Parlament gibt es nur geringen Spielraum für einen Kompromiss. „Wir sind es nicht gewohnt, dass einzelne Mitglieder im Parlament einen derartigen Einfluss haben“, sagt Svante Cornell vom Stockholmer Institut für Sicherheits- und Entwicklungspolitik. „Man könnte von maximalem Pech für die Regierungsseite sprechen.“

Kakabavehs Unterstützung hatte es im vergangenen Jahr der Sozialdemokratin Magdalena Andersson ermöglicht, Schwedens erste Ministerpräsidentin zu werden. Im Gegenzug erklärten sich die Sozialdemokraten dazu bereit, die Zusammenarbeit mit autonomen kurdischen Stellen im Norden Syriens zu vertiefen.

Kakabaveh konnte politisches Profil schärfen

In der vergangenen Woche überlebte die Minderheitsregierung dank Kakabaveh ein Misstrauensvotum, aber es war zunächst offen, ob es ihr gelingt, ihren jüngsten Haushaltsplan im Parlament durchzubringen: Kakabaveh hatte sich im Vorfeld nicht auf eine Zustimmung festgelegt. Sie warte auf Pläne der Regierung in Fragen, die ihr am Herzen lägen, sagte sie und nannte als Beispiele Maßnahmen gegen Verbrechen in Immigranten-Gemeinden und den Umgang mit den türkischen Forderungen.

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Die ungewöhnliche Situation hat Kakabavehs politisches Profil geschärft, in Schweden und auch international, aber sie auch Kritik ausgesetzt, dass sie Schwedens Nato-Beitrittsantrag als eine Art Geisel benutze, um ihre eigene Agenda voranzutreiben. Wie sie schildert, hat sie Drohungen sowohl von türkischen Nationalisten als auch von schwedischen Rechtsextremisten erhalten. „Es ist eine schreckliche Situation“, sagt Kakabaveh. Aber sie wolle nicht angstvoll in einer Ecke sitzen, denn „ich habe meine Familie, meine Kindheit, alles, was ich hatte, zurückgelassen, um für das einzutreten, an das ich glaube.“

Kakabaveh wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Westen Irans auf. Nach eigenen Angaben schloss sie sich im Alter von nur 14 Jahren den Peschmerga an, die gegen die islamische Herrschaft von Ajatollah Ruhollah Chomeini und gegen den irakischen Präsidenten Saddam Hussein kämpften, der chemische Waffen gegen kurdische Dörfer einsetzte. Viele ihrer Kameraden und Kameradinnen und einige Verwandte seien getötet worden, schildert Kakabaveh.

Als Sozialistin setzte Kakabaveh in Schweden ihren politischen Aktivismus fort und schloss sich dann der Linkspartei an, die sie aber nach Jahren inhaltlicher Spannungen 2019 wieder verließ. Seitdem dient sie als Unabhängige im 349-köpfigen Parlament.

Erdogan spricht von „Terroristen im Parlament“ Schwedens

Die regierenden Sozialdemokraten sicherten ihr in einer Vereinbarung im vergangenen November zu, enger mit autonomen kurdischen Stellen im Norden Syriens zusammenzuarbeiten, die von der politischen Partei PYD geführt werden. Deren militärischer Arm YPG spielte mit Unterstützung der USA eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.

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Die Türkei unterscheidet aber nicht zwischen den kurdischen Gruppen in Syrien und der PKK, die seit 1984 einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führt. Zehntausende Menschen sind im Zuge des Konflikts getötet worden. Die Türkei, die EU und die USA haben sie auf ihre Listen von Terrororganisationen gesetzt, und Kakabaveh hat dazu aufgerufen, das rückgängig zu machen - was Erdogan anscheinend nicht entgangen ist.

„Wie Sie wissen, ist Schweden derzeit ein Land, das Terrororganisationen wie die PKK, PYD und YPG als eine Spielwiese betrachten“, sagte er kürzlich. „Tatsächlich sind Terroristen sogar im Parlament des Landes.“ Er nannte Kakabaveh nicht beim Namen, doch sie ist überzeugt, dass er sie meinte. Sie sei nie ein PKK-Mitglied gewesen, habe diese sogar kritisiert, betont sie. „Aber auf der anderen Seite denke ich, dass sie (PKK) einen Preis gezahlt hat.“

Kakabaveh glaubt nach eigenen Angaben auch, dass die derzeitigen Probleme rund um den schwedischen Nato-Beitrittswunsch durch einen Deal hinter den Kulissen zwischen der Türkei und den USA gelöst werden könnten. Wenn Schweden ihretwegen nicht Mitglied werden kann, täte ihr das aber nicht leid. Sie ist ohnehin gegen einen Beitritt und glaubt, dass er Schwedens Fähigkeit untergraben würde, global eine Stimme des Friedens zu sein. „Ich bin für Abrüstung“ sagt sie. „Die Welt braucht mehr Frieden und Diplomatie.“

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RND/AP

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