(K)ein Friedensgipfel für die Ukraine? „Vorstellungen von Kuleba nicht realistisch“
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Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert einen Friedensgipfel.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Die Ukraine will auf einem internationalen Friedensgipfel bis Ende Februar über das Ende des Krieges beraten. Laut dem Vorstoß des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba könnte die Konferenz in der UN-Zentrale in New York stattfinden, mit UN-Generalsekretär António Guterres als Vermittler. Allerdings machte Kuleba deutlich, dass Russland an dem Gipfel nur teilnehmen dürfe, wenn sich die russische Führung für die Kriegsverbrechen in der Ukraine verantworte. Kremlsprecher Dmitri Peskow lehnte dies ab. Russland folge niemals den Bedingungen, die andere festgelegt hätten, zitiert ihn die russische Staatsagentur Ria Nowosti. Zurückhaltend äußerten sich auch die Vereinten Nationen. Guterres könne nur vermitteln, wenn beide Seiten dies wollten, sagte eine UN-Sprecherin.
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„Der Friedensgipfel ist nach den Vorstellungen von Außenminister Kuleba nicht realistisch“, so die Einschätzung von Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Kuleba suche die Legitimation durch die Vereinten Nationen, macht er im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) den entscheidenden Unterschied zu anderen Gipfeltreffen deutlich. Dass Guterres auf den Vorschlag aus der Ukraine eingehen wird, halte er aber für ausgeschlossen. Denn Guterres habe schon in der Vergangenheit mehrfach große Rücksicht auf russische Positionen genommen. Ein Beispiel dafür sei, dass der UN-Generalsekretär die Untersuchung der russischen Drohnenangriffe auf die Ukraine abgelehnt hatte.
Ich halte es für ausgeschlossen, dass Guterres auf diesen Vorschlag eingehen wird.
Thomas Jäger,
Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln
Unklar war zunächst, ob ein Waffenstillstand Voraussetzung für die Verhandlungen sein soll. „Dieser würde aktuell vor allem Russland nützen, das auf Zeit spielen, Kriegsverbrechen vertuschen und sich auf die Fortsetzung der Angriffe bei einem Scheitern vorbereiten könnte“, warnte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Voraussetzung jeglicher Verhandlungen sei deshalb, die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen. „Russland muss so geschwächt sein, dass es Verhandlungen nicht ausnutzt, um sich militärisch neu zu sortieren“, sagte Kiesewetter dem RND. Doch danach sieht es nicht aus. Im Gegenteil, meint der Oberst a.D. Russland setze auf Krieg, die Zermürbung der regelbasierten Ordnung und den Zerfall der Ukraine verbunden mit einer Abnutzung der öffentlichen Aufmerksamkeit im Westen. Kiesewetter sieht in Kulebas Verhandlungslösung deshalb „eher den verzweifelten Versuch, Russland vom Einlenken zu überzeugen und das internationale Signal der Verhandlungsbereitschaft zu setzen“. Gleichzeitig sei der Ruf nach einem Friedensgipfel auch als Botschaft an die Kräfte im Westen zu verstehen, welche die Ukraine „in einen Waffenstillstand zwingen wollen“. Russland müsse verlieren lernen, ansonsten werde es seine Kriegsziele nicht so einfach aufgeben.
Russland muss verlieren lernen, ansonsten wird es seine Kriegsziele nicht so einfach aufgeben.
Roderich Kiesewetter,
CDU-Außenpolitiker
Der Kreml hatte zuletzt zwar verbreitet, Russland stehe für Verhandlungen bereit, doch Experten haben große Zweifel, dass diese Bereitschaft ernst gemeint ist. „Ein Friedensgipfel wird nur erfolgreich sein, wenn beide, Russland und die Ukraine, ehrliches Interesse daran haben“, betont Claudia Major, Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Bislang hält Putin daran fest, dass der Krieg gerechtfertigt ist und erfolgreich zu Ende geführt werden soll“, sagte sie dem RND. Russland müsse bereit sein, den Krieg zu beenden. Daher werde es ohne Moskaus Beteiligung keine Waffenruhe geben und erst recht keinen dauerhaften Frieden, der mehr als die Abwesenheit von Krieg sei.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon länger einen Gipfel gefordert, um dort der internationalen Gemeinschaft seine Friedensformel näher zu erläutern. Der Zehn-Punkte-Plan sieht neben dem vollständigen Rückzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine unter anderem einen sicheren Getreideexport, die Freilassung ukrainischer Kriegsgefangener und die Einrichtung eines internationalen Kriegsverbrechertribunals vor.
Russlands Vetorecht im UN-Sicherheitsrat
„Einem internationalen Kriegsverbrechertribunal wird Russland niemals zustimmen“, ist Experte Jäger überzeugt. Moskaus Vertreter im UN-Sicherheitsrat könnten ein Tribunal mit ihrem Vetorecht verhindern. Aus diesem Grund versucht das ukrainische Außenministerium nun, Russlands Legitimität in dem Gremium infrage zu stellen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion habe die Russische Föderation nicht den Aufnahmeprozess durchlaufen, wie etwa Tschechien und die Slowakei, so die Begründung. Laut Experte Jäger ist dieser Vorstoß jedoch nicht erfolgversprechend, da Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion in den Vereinten Nationen über Jahrzehnte anerkannt wurde. Ohnehin ändere ein Tribunal am Kriegsverlauf wohl nichts: „Die russische Armee ist so stark auf Befehl und Gehorsam aufgebaut, dass sich kein Soldat von einem drohenden Tribunal abschrecken lässt und Anweisungen verweigert“, sagt Jäger und fügt hinzu: „Das wäre sein persönliches Todesurteil.“
Rund neun Millionen Menschen in der Ukraine ohne Stromversorgung
Das Stromnetz der Ukraine ist immer noch schwer angeschlagen. Selenskyj und sein Energieminister befürchten weitere russische Angriffe auf die Infrastruktur.
© Quelle: dpa
Erstmals hatte Selenskyj beim G20-Gipfel auf Bali seinen Zehn-Punkte-Plan für den Frieden vorgestellt. Einige Aspekte, wie der Export von Getreide, sind immer wieder Gegenstand von Verhandlungen. Bei anderen Punkten, wie dem Abzug aller Soldaten, sind die Interessen so konträr, sagt Experte Jäger, dass Verhandlungen aussichtslos sind. „Hier entscheidet nicht die Diplomatie, sondern das Ergebnis auf dem Schlachtfeld.“