Jetzt kommt das harte Stück des Wegs für die Klimabewegung
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Klimaschützerin Luisa Neubauer von Fridays for Future fordert bei der Demonstration im Rahmen eines internationalen Klimaprotesttages mehr Tempo im Kampf gegen die Klimakrise.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Es hatte schon etwas von Ironie des Schicksals, dass pünktlich zum Klimastreiktag von Fridays for Future der erste kühle Herbstregen durch Deutschland zog. Als müssten diese streikenden jungen Leute richtig beweisen, dass sie keine Schönwetterbewegung sind. Vor einem Jahr brachten sie bundesweit eine Million auf die Straße. In Berlin war es so voll, dass die Organisatoren von den Massen überfordert waren, die sie gerufen hatten. Dann kam die zweite Krise, die die erste überlagerte: Corona. Das Modell der wöchentlichen Schulstreiks war schon vorher tot. Große Aktionen waren nicht mehr möglich, die Nachrichten beherrschte nicht mehr der Klimawandel. Doch er macht keine Pause, wie der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf am Freitag auf der Berliner Demo sagte. Als hätte es dieser Erinnerung bedurft, nach all den Schreckensnachrichten von weltweiten Waldbränden und arktischer Hitze.
Die Rückkehr des globalen Klimastreiks
Weltweit haben am Freitag Menschen für mehr Maßnahmen gegen die Erderwärmung demonstriert.
© Quelle: Reuters
Nun sind sie also wieder da, ein Jahr nach dem Kabinettsbeschluss zum Klimapaket. Mit Abstand, mit Masken, mit allem, was nach Corona-Regeln geht. Fahrraddemos zum Beispiel. In vielen Orten auch mit Enttäuschung, dass die Teilnehmerzahlen deutlich unter den Erwartungen blieben. Aber auch mit einer großen Portion Selbstvergewisserung. Darum ging es hauptsächlich. Vor einem Jahr sagte Luisa Neubauer, schon damals Deutschlands wichtigste Politikerin ohne Amt, auf der Bühne am Brandenburger Tor: “Krass, sind wir viele!” Jetzt sagte sie: “Sie wollen unsere Resignation, aber die kriegen sie nicht.”
Greta an Merkel: Müssen Klimakrise als echte Krise sehen
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel nach echter Führung in der Klimakrise verlangt.
© Quelle: Reuters
Es war fast schon eine Durchhalterede, die die prominenteste deutsche Vertreterin von Fridays for Future hielt, gerichtet nicht auf den Moment, sondern auf das nächste Jahr. “Menschen wollen uns scheitern sehen, aber wir bleiben hier.” In genau einem Jahr ist Bundestagswahl, und die Klimabewegung will mitmischen. Mit eigenen Kandidaten, mit klaren Forderungen, als unüberhörbare Interessengruppe. “Das wird hart und unbequem”, ruft Neubauer von der Bühne. Sie hat so gar nichts von Winston Churchill, aber das war die “Blut, Schweiß und Tränen”-Rede der Klimabewegung.
“Irgendwoher haben wir noch Hoffnung”
“Irgendwoher haben wir noch Hoffnung”, sagte eine ihrer jungen Vorrednerinnen. Die Generation Fridays hat noch nicht komplett resigniert. Das zeigte dieser Freitag, und er zeigte auch noch einmal sehr klar, wie professionell vernetzt die “Klimagerechtigkeitsbewegung” seit Langem ist. Seien es die radikalen Grenzüberschreitungen im Tagebau, die Ende Gelände am Wochenende wieder im Rheinischen Braunkohlerevier plant, seien es die Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr, die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am kommenden Dienstag ausgerufen werden – beide berufen sich auf ihre Partnerschaft mit Fridays for Future.
In höchstwahrscheinlich vier Parteien werden Klimaaktivisten zur Bundestagswahl kandidieren und versuchen, den Spagat zwischen Straße und Parlament zu halten. Das ist alles sehr riskant und wackelig – und zusätzlich bricht die alte Debatte wieder hervor, wie radikal die Bewegung werden muss, um gehört zu werden. Die ersten Forderungen nach einem Klimageneralstreik werden publiziert. Das sind entweder nur provokante Träume – oder es ist das Ende des Schulterschlusses mit den bürgerlichen Kreisen.
Immer noch, wie bereits in den vergangenen zwei Jahren, kann sich die Bewegung aufs Fordern zurückziehen. Kann hoffen, sich noch weiter vernetzen und endlich glaubwürdig die Verbindung mit dem globalen Süden herstellen. Verhandeln, Kompromisse schließen, das müssen andere. Jedes Zehntelgrad Erderwärmung über den immer illusorischer werdenden 1,5 Grad von Paris gelten nicht nur den Hardlinern, sondern gilt der Mehrheit der Bewegung als Verrat an Wissenschaft und Zukunft. Je breiter die Allianzen werden, desto klarer müssen aber Spielräume und rote Linien werden – sowohl gegenüber radikalen Rändern also auch gegenüber noch möglichen Kompromissen. Das nächste Jahr wird für vieles entscheidend.
Fridays for Future ist wieder da. “Aber so was von”, sagt Luisa Neubauer selbstbewusst. Doch sie weiß: Jetzt erst kommt der harte Teil.