Der Schatten der Gelbwesten liegt drohend über Frankreich
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Nachdem Emmanuel Macron im Frühjahr 2022 erneut zum Präsidenten gewählt wurde, versammelten sich Hunderte Demonstrierende in den Straßen von Paris.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Paris. Warum ist es in Frankreich so schwierig, Reformen anzugehen, die in allen Nachbarländern längst umgesetzt sind? Diese Frage stellte eine Radiohörerin in dieser Woche der französischen Premierministerin Élisabeth Borne, die darauf entweder nicht antworten konnte oder nicht wollte. Stattdessen verlor sie sich in Erklärungen über die geplante Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters, das derzeit bei 62 Jahren liegt.
Tatsächlich gehen die Französinnen und Franzosen im europäischen Vergleich verhältnismäßig früh in den Ruhestand, während Rentner im Durchschnitt einen besseren Lebensstandard haben als die aktive Bevölkerung. Dennoch erregt jeder Reformversuch seit Jahrzehnten heftigsten Widerstand. Auch das Argument, mit Rücksicht auf die kommenden Generationen und die steigenden Zinsen, die das hoch verschuldete Land besonders treffen, müssten Milliardenlöcher gestopft werden, wird oft einfach weggewischt. Viele begegnen dem Staat mit einer großen Erwartungshaltung und zugleich enormem Misstrauen.
Das macht das Projekt zu einem riskanten Unternehmen für Präsident Emmanuel Macron, der dennoch keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit lässt: Darauf zu verzichten hieße, alle strittigen Reformbestrebungen aufzugeben, solange ihm die absolute Mehrheit im Parlament fehlt. Da er laut Verfassung bei der nächsten Wahl 2027 nicht mehr antreten darf, hat er politisch wenig zu verlieren. Doch es bleibt die Gefahr sozialer Unruhen, gerade in Zeiten großer Unsicherheit und hoher Inflation. Auch sie fällt in Frankreich geringer aus als anderswo. Aber zu wissen, dass es anderen noch schlechter geht, ist im Zweifelsfall ein schwacher Trost. Der Schatten der Gelbwesten liegt drohend über dem Land.