EU-Kommission drängt: Polen soll wegen Belarus-Migrationskrise Hilfe annehmen
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Ein Fernsehbildschirm zeigt Migranten, die einen Weg entlanggehen, der zur belarussisch-polnischen Grenze führt.
© Quelle: Polish Ministry Of National Defe
Angesichts der zugespitzten Lage an der EU-Ostgrenze zu Belarus drängt die EU-Kommission Polen, bei der Bewältigung der Migration aus dem Nachbarland Hilfe anzunehmen. Eine gemeinsame Grenze könne am besten gemeinsam gemanagt werden, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag in Brüssel. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Asylbehörde Easo und die Polizeibehörde Europol stünden bereit, bei der Registrierung von Migranten, Bearbeitung von Asylgesuchen und dem Kampf gegen Schmuggel zu helfen. Polen müsse diese Hilfe jedoch anfordern. Man habe die Regierung bereits mehrfach dazu ermuntert.
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Nach Angaben der Behörden in Belarus machten sich am Montag Hunderte Migranten auf den Weg zur Grenze nach Polen. Der Sprecher der EU-Kommission sagte, seinen Informationen zufolge hätten sich dort bereits mehrere Hundert Menschen versammelt. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte vor einigen Monaten als Reaktion auf EU-Sanktionen erklärt, Menschen auf dem Weg in die EU nicht mehr aufzuhalten. Die EU wirft ihm vor, Migranten in organisierter Form aus Krisengebieten einzufliegen, um sie dann in die EU zu schleusen.
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Die EU befindet sich in einem Dilemma. Einerseits fürchtet sie, dass Lukaschenkos Menschenschmuggel die Union destabilisieren könnte. Andererseits sieht sie die polnische Reaktion auf die Migrationsbewegung skeptisch.
Die Behörde von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weist Forderungen aus Warschau zurück, dass ein mit Stacheldraht besetzter Zaun an der Grenze zu Belarus auch mit EU-Geld bezahlt werden soll.
Zudem sorgt sich die EU-Kommission, weil das polnische Parlament ein Gesetz erlassen hat, das die Abschiebung von Migranten ohne vorherige Asylverfahren in Richtung Belarus ermöglicht. Das könnte mit EU-Recht unvereinbar sein. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte vor Kurzem: „Pushbacks dürfen nie legalisiert werden.“
Das Problem: Die polnische Regierung liegt mit der EU im Streit wegen der umstrittenen Justizreformen im Land. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Warschau auch in der Migrationspolitik erklärt, dass nationales Recht über EU-Recht steht.
Auch die Einwirkungsmöglichkeiten der EU auf das Regime des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko sind begrenzt. Zwar wurden bislang in vier Sanktionsrunden 166 Personen und 15 Organisationen aus Belarus mit Strafen wie dem Einfrieren von Konten und Einreiseverboten belegt. Doch hat das Lukaschenko bislang nicht beeindruckt.
Menschenrechtler kritisieren Warschau
Derzeit arbeiten EU-Diplomaten an einem fünften Sanktionspaket, das in wenigen Wochen verabschiedet werden könnte.
Der Sprecher der Kommission betonte, die Grenzen müssten auf Grundlage der europäischen Werte sowie der Grundrechte gemanagt werden. Migranten müssten die notwendige Hilfe bekommen. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung in Warschau vor, mit einem neuen Gesetz seit Kurzem das Recht auf Asyl auszusetzen. Die EU-Kommission zeigte sich deshalb auch schon besorgt.
„Die polnische Regierung schafft es weder, die Grenze zu schützen, noch den Menschen zu helfen“, kritisiert Franek Sterczewski, Abgeordneter der oppositionellen Bürgerkoalition im polnischen Parlament, gegenüber dem RND. Er forderte, dass Morawiecki sofort den Nationalen Sicherheitsrat einberuft, dem auch Vertreter der Opposition angehören. Hilfsorganisationen und Beobachter müssten sofort Zugang zur Grenze haben. „Wir brauchen große Hilfsorganisationen hier, sonst werden noch viel mehr Menschen sterben.“ In den vergangenen Wochen sind nach offiziellen Angaben zehn Menschen in der Grenzzone an Entkräftung, Unterkühlung und Verletzungen gestorben. Mehrere Hundert kamen in Krankenhäuser auf der polnischen Seite. „Wenn wir nichts tun, werden wir im Frühjahr auf Hunderte Tote zurückblicken und uns fragen, warum wir es nicht verhindert haben“, sagt Sterczewski.
„Die EU muss einsehen, dass Polen mit der Situation überfordert ist, und sofort für Hilfe sorgen“, fordert der Abgeordnete und Aktivist, der bereits selbst versucht hat, im Grenzgebiet festsitzenden Migranten Verpflegung zu bringen.
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Ein Bus der Organisationen «Seebrücke Deutschland» und «LeaveNoOneBehind» wird vor dem Brandenburger Tor mit Hilfsgütern beladen. Mit dem Bus sollen auf der Hinfahrt Materialien an die polnisch-belarussischen Außengrenze gebracht werden.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
In Berlin fuhr ein Bus der Initiativen „Seebrücke Deutschland“ und „LeaveNoOneBehind“ ins Grenzgebiet ab. Er soll Hilfsgüter wie Winterschuhe, Socken, Rettungsdecken und Stirnlampen nach Polen bringen. Ursprünglich hatten die Aktivisten geplant, auf dem Rückweg Migranten nach Deutschland zu bringen. Dies sei allerdings nur mit einer Aufnahmezusage des Innenministeriums möglich, teilte die Initiative mit. Eine entsprechende Anfrage sei bislang nicht beantwortet worden.
Ein Ministeriumssprecher hatte bereits am Freitag mitgeteilt, dass „eine unautorisierte Beförderung und eine etwaige unerlaubte Einreise“ strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne. Auf die Frage, ob sich die aktuelle Bundesregierung zuständig fühle, sagte er am Montag: „Die geschäftsführende Regierung kümmert sich um die Belange, die keinen Aufschub dulden. Sie setzt aber keine neuen politischen Impulse.“
RND/fra/dpa/jps