Gefahr für Polizisten?

Sollten Gerichtsprozesse gefilmt werden? Gewerkschaft der Polizei warnt vor Gesetzentwurf

Ein Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main.

Ein Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main. Wenn es nach dem Bundesjustizministerium geht, würden Verhandlungen hier künftig standardmäßig gefilmt.

Berlin. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wendet sich gegen einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, mit dem verpflichtende Videoaufzeichnungen von Strafverfahren an Land- und Oberlandesgerichten eingeführt werden sollen. Die Gewerkschaft sieht in der geplanten Aufzeichnung von Zeugenaussagen eine Gefahr für Polizisten, die gegen die organisierte Kriminalität ermitteln.

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„Der Wille unbedingter Digitalität heiligt nicht den Zweck der Mittel. Dieser Gesetzentwurf blendet die Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsbedenken Verfahrensbeteiligter komplett aus“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dem Gesetzentwurf fehle jeglicher Bezug zum polizeilichen Alltag.

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Das Bundesjustizministerium hatte im November 2022 einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur digitalen Dokumentation in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung“ (DokHVG) veröffentlicht. Bislang würden in erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten häufig nur die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens schriftlich protokolliert. Dadurch gebe es keine objektive Dokumentation des Prozesses. Künftig sollen diese Verhandlungen deshalb nach dem Willen des Ministeriums in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Mit einer Transkriptionssoftware sollen die Audioaufzeichnungen außerdem automatisch in Textdokumente umgewandelt werden.

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GdP befürchtet Gefahr für die Sicherheit von Polizisten

Zu dem Referentenentwurf des Ministeriums konnten betroffene Verbände nun schriftlich Stellung nehmen. Die Stellungnahme der GdP liegt dem RND exklusiv vor. Darin warnt die Gewerkschaft vor einer Missbrauchsgefahr der Ton- und Videoaufzeichnung. Die Aufzeichnungen könnten in die falschen Hände geraten und dazu beitragen, Polizisten zu identifizieren, die als Zeugen aussagen. Sorgen bereiten der Gewerkschaft dabei vor allem Akteure aus der organisierten Kriminalität wie Clans und Rockergruppen, die es auf Polizisten abgesehen hätten.

„Die GdP befürchtet unmittelbare Folgen für das Privatleben und die Sicherheit von Polizeibeschäftigten“, sagte GdP-Chef Kopelke dem RND. „Dabei reden wir beispielsweise von Sachbeschädigungen an privaten Gegenständen oder Liegenschaften, von Nachstellungen, vom Aufsuchen an der Wohnadresse, von konkreten Einschüchterungsversuchen sowie manipulierten Radmuttern an privaten Pkw.“ „Wir stellen eine völlig unzureichende, höchst vage Zielerklärung für den Persönlichkeitsschutz Betroffener fest“, sagte Kopelke über den Gesetzentwurf. „Nirgendwo sind von den Ländern einzuhaltende Mindeststandards bei der audiovisuellen Dokumentation erkennbar.“

In ihrer Stellungnahme macht die GdP mehrere Vorschläge, wie der Gesetzentwurf angepasst werden könnte. So schlägt die Gewerkschaft etwa technische Maßnahmen vor, um zu verhindern, dass die Aufzeichnungen in die falschen Hände gelangen. Es sei jedoch nicht erkennbar, wie solche Standards mit einem vertretbaren Aufwand umgesetzt werden können. Deshalb spricht sich die GdP dafür aus, zumindest auf die Videoaufzeichnungen gänzlich zu verzichten und ausschließlich auf Tonaufnahmen mit automatischer Transkription zu setzen.

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