Die spektakulärsten Spionagefälle in der deutschen Geschichte
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Bundeskanzler Willy Brandt – neben ihm mit Sonnenbrille der DDR-Spion Günter Guillaume.
© Quelle: imago
Berlin/Bonn. Sie agieren im Schatten der großen historischen Ereignisse und politischen Verwicklungen – und beeinflussen deren Verlauf. Spioninnen und Spione haben in Deutschland zum Teil jahrelang geheime Informationen weitergegeben, das Kriegsgeschehen beeinflusst und einen Kanzler zu Fall gebracht.
Erst am Donnerstag wurde ein weiterer Verdacht bekannt: Mitten im Krieg gegen die Ukraine ist ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Untersuchungshaft genommen worden. Ihm wird vorgeworfen, Geheimnisse an Russland weitergegeben zu haben.
Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, lässt sich der Fall in eine Reihe mit den bedeutendsten Spionageskandalen in der deutschen Geschichte stellen. Eine Chronik der spektakulärsten und skurrilsten Fälle.
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Nackttänzerin und Doppelagentin
Als Nackttänzerin und Kurtisane kam Mata Hari den Mächtigen besonders nahe. Die Niederländerin, die im Jahr 1876 als Margaretha Geertruida Zelle zur Welt kam, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ganz Europa berüchtigt. Während des Ersten Weltkriegs hatte die Verführerin mit zahlreichen Militärs und Politikern aus Deutschland und Frankreich Affären. Das soll erst die Deutschen und schließlich die Franzosen dazu verleitet haben, sie als Spionin anzuheuern. Ob sie ihren Liebhabern tatsächlich als Doppelagentin brisante Informationen entlockte und sie an die gegnerische Kriegspartei verriet, ist bis heute umstritten.
Ein mögliches Motiv könnte die Geldnot der alternden Künstlerin gewesen sein. Deutsche, französische und britische Geheimdienste hatten sie schon lange im Visier, bis sie schließlich in Frankreich verhaftet wurde. Ein Pariser Gericht verurteilte sie zum Tode. Mit diesem Urteil sollte wohl auch ein Exempel an ihr statuiert werden. Im Oktober 1917 wurde sie von einem Erschießungskommando hingerichtet.
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Auf diesem undatierten Aktenfoto posiert die Tänzerin „Mata Hari“, die als Margaretha Geertruida Zelle geboren wurde, an einem unbekannten Ort.
© Quelle: picture alliance/AP Photo
Stalins Mann in Japan
Er soll als Spion des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Wende zugunsten der Alliierten herbeigeführt haben: Offiziell arbeitete Richard Sorge in Tokio als Journalist für verschiedene deutsche Zeitungen, doch vor allem versorgte er Stalin mit wichtigen Informationen.
Das Netzwerk des deutsch-russischen Kommunisten reichte bis in die höchsten Regierungskreise Japans. Mehrmals versuchte er Stalin vor dem bevorstehenden Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 zu warnen – allerdings zunächst erfolglos. Aus Frust darüber, dass Russland seine Informationen zu Beginn nicht ernst nahm, begann sich der Spion laut einem „Spiegel“-Bericht immer auffälliger zu verhalten. Trotzdem informierte er Stalin auch darüber, dass Japan die Sowjetunion nicht angreifen werde. Daraufhin verlegte Stalin seine Truppen von Sibirien weiter nach Westen, sodass die Rote Armee die deutschen Truppen bei ihrem Vormarsch auf Moskau stoppen konnte und somit den deutschen Blitzkrieg gegen die Sowjetunion endgültig scheitern ließ.
Sorge selbst nutzte dieser Triumph allerdings nicht viel. Nachdem ein japanisches Gericht ihn zum Tode verurteilte, bot Japan der Sowjetunion mehrmals einen Austausch mit dem prominenten Gefangenen an. Doch Stalin verleugnete seinen Spion. Am 7. November 1944 wurde Sorge hingerichtet.
DDR-Spitzel im Zentrum der westdeutschen Macht
Es ist wohl einer der bedeutendsten Spionageskandale der deutschen Geschichte und brachte schlussendlich Kanzler Willy Brandt zu Fall. Als persönlicher Referent von Brandt schanzte der DDR-Spion Günter Guillaume der Stasi geheime Dokumente direkt aus dem Kanzleramt zu. Guillaume kam 1956 mit seiner Frau Christel nach Westdeutschland. Die beiden gaben sich als Flüchtlinge aus, tatsächlich hatte sie das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) geschickt. Guillaume trat der SPD bei und arbeitete sich bis ins Zentrum der Macht vor.
18 Jahre lang versorgte er die DDR über Funk und tote Briefkästen mit Geheiminformationen. Dass dies möglich war, lag auch am Scheitern der deutschen Sicherheitsbehörden. Trotz verschiedener Hinweise auf mögliche Agententätigkeiten kamen sie ihm nicht auf die Schliche. Ein entschlüsselter Geburtstagsgruß an den Spitzel der Stasi bestätigte schließlich den Verdacht. Nach der Verhaftung Guillaumes im April 1974 wurde der Fall zu Staatskrise. Zwei Wochen später trat Brandt wegen des öffentlichen Drucks zurück.
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Der Mann, über den Willy Brand stolperte: Im Spionageprozess gegen Günter Guillaume und Ehefrau Christel verhängte das OLG Düsseldorf lange Haftstrafen.
© Quelle: Archiv/dpa
Verliebte Spionin
Im Jahr 1973 gelang es der DDR, seine Agentin Gabriele Gast in den Bundesnachrichtendienst (BND) einzuschleusen. 17 Jahre lang spionierte sie unter dem Decknamen „Gisela“ die Behörde von innen aus und schaffte es in dem Sowjetunion-Referat bis zur Regierungsdirektorin. Angeworben wurde sie 1968 von einem sogenannten „Romeo“, der von der Stasi auf sie angesetzt wurde. Der Stasi-Offizier Karl-Heinz Schneider näherte sich der damaligen Doktorandin auf einer Recherchereise für ihre Dissertation in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz).
Auch nach dem Ende der Beziehung setzte die überzeugte Kommunistin ihre Spionage fort. Enttarnt wurde sie erst nach der Wende durch die Aussage eines ehemaligen Stasi-Offiziers. Das Bayrische Oberste Landgericht verurteilte sie wegen geheimdienstlicher Tätigkeit zu knapp sieben Jahren Haft, davon saß sie dreieinhalb Jahre ab. Nach der Entlassung versuchte Gast zu ihrem Anwerber, ihrem früheren Chef bei dem Auslandsgeheimdienst HVA der Stasi sowie zu dem ehemaligen Stasi-Offizier, der sie verriet, Kontakt aufzunehmen. Ihre Erfahrungen hat sie in einer Autobiografie veröffentlicht.
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„Reichsbürger“ treffen sich in Theater in Hannover – Inhaber fiel schon in Pandemie auf
In einem Theater in Hannover treffen sich offenbar Anhänger der „Reichsbürger“-Szene. Allein im Dezember soll es zwei Zusammenkünfte gegeben haben. Hat sich der Inhaber radikalisiert? Künstler in der Stadt gehen auf Distanz und beenden die Zusammenarbeit.
Russische Agenten in der Vorstadt
2011 wurde ein älteres Ehepaar in einem kleinen Vorort von Marburg verhaftet. Heidrun und Andreas Anschlag, wie sich die beiden in Deutschland nannten, führten vordergründig ein bürgerliches Leben: Sie kümmerte sich als Hausfrau um das gemeinsame Kind, er arbeitete bei einem Automobilzulieferer. Doch hinter der Fassade verbarg sich eine Operation des russischen Geheimnachrichtendienstes SWR. Mehr als 20 Jahre lang lebten die russischen Spione in Deutschland. In dieser Zeit sollen sie mehrere hunderte EU- und Nato-Dokumente geliefert haben.
Die Verbindung nach Russland bildete ein Satellitenfunkgerät, ihre Informationen bekamen sie überwiegend von einem hochrangigen niederländischen Beamten mit Schulden. Nach einem Hinweis aus Österreich kamen die deutschen Behörden dem Agentenpaar auf die Schliche. Der russische Geheimdienst warnte die beiden, dass sie kurz vor der Enttarnung stehen würden. Doch der Zugriff der Polizei kam, bevor sie fliehen konnten. 2013 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart sie zu mehrjährigen Haftstrafen. Mittlerweile sind beide wieder auf freiem Fuß und wurden in ihre Heimat abgeschoben.
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Das russisches Agentenehepaar Heidrun (v.r.) und Andreas Anschlag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. Das Paar hatte geheime Dokumente zu Nato und EU an den russischen Geheimdienst SWR geliefert.
© Quelle: dpa
Initiativbewerbung als Spion
Mehr als 200 teils streng geheime und brisante Dokumente gab der ehemalige Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes Markus R. zwischen 2008 und 2014 an die CIA weiter. Insgesamt 90.000 Euro soll er dafür kassiert haben. Für die Arbeit als Spion hatte er sich initiativ mit einer Mail an die US-Botschaft in Berlin beworben – mit Erfolg. Zur Übermittlung der geheimen Dokumente kopierte Markus R. die Papiere mit dem Dienstkopierer und nahm sie mit nach Hause, wie die „taz“ berichtete. Demnach scannte er die vertraulichen Informationen in seinen eigenen vier Wänden ein, schickte sie per Mail an seinen amerikanischen Verbindungsmann und vernichtete sie anschließend.
2014 wollte er der russischen Botschaft ein ähnliches Angebot machen. Diesmal wurde die Mail allerdings vom BND abgefangen. Vor Gericht argumentiere R. laut der „taz“, dass er sich in seinem Job unterfordert gefühlt und den Nervenkitzel gesucht habe. Das Oberlandgericht München sah aber eher finanzielle Beweggründe und verurteilte R. zu acht Jahren Haft.