FDP und Grüne geiern darauf: Wie mächtig ist das Finanzministerium?
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Robert Habeck (links), Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP, haben beide ein Auge aufs Finanzministerium geworfen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
SPD, FDP und Grüne wollen in wenigen Tagen mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Dabei geht es auch um die Frage, wer der nächste Finanzminister wird. FDP-Chef Christian Lindner hatte schon früh klargemacht, dass er sich auf dem Posten sieht. Doch auch Robert Habeck, Co-Parteichef der Grünen, gilt als Anwärter für das Amt des Finanzministers.
Mitglieder beider Parteien sprachen sich in den vergangenen Tagen für ihre jeweiligen Parteichefs aus: Wolfgang Kubicki (FDP) erklärte, dass FDP-Chef Lindner als Finanzminister die angekündigten Investitionen unter Wahrung der finanziellen Leitplanken umsetzen könne. Bei den Grünen erklärte die Co‑Vorsitzende Ricarda Lang, dass ihre Partei das Finanzministerium selbst übernehmen müsse, weil es zentral bei Entscheidungen über Zukunftsinvestitionen sei. Auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Die Grünen) sagte, er könne sich niemand besseren als Habeck vorstellen. Warum ist das Finanzministerium so wichtig?
Wie mächtig ist das Finanzministerium?
Das Finanzministerium gilt als Schlüsselressort. Der Politikwissenschaftler Uwe Jun (Universität Trier) erklärt: „Das Finanzministerium ist nach dem Kanzleramt die zweitwirkmächtigste politische Einrichtung innerhalb der Bundesregierung.“ Denn Politik lasse sich in vielen Fällen nicht ohne Geld gestalten, die finanziellen Mittel seien daher zentral, um die Regierungsgeschäfte ausführen zu können. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagt Jun: „Jedes andere Ministerium ist von den zugewiesenen Mitteln des Finanzministeriums abhängig.“
Hintergrund ist, dass die Haushaltsplanung dem Finanzministerium unterliegt. „Ihm obliegt es, den Haushaltsplan zu entwerfen, der später vom Bundestag verabschiedet wird.“ Dieser Haushaltsplan werde zwar vom Bundestag noch verändert, räumt der Politikwissenschaftler ein. „Aber der Finanzminister gibt den Finanzrahmen vor, und deshalb ist dieser Posten auch besonders wichtig.“
Wer bekommt das Finanzministerium?
Die FDP hat schon sehr früh ihren Anspruch auf das Finanzministerium verdeutlicht. Jun erklärt: „Die Finanz- und Wirtschaftspolitik ist der FDP besonders wichtig, hier hat sie ihren identitären Kern.“ Die Parteien müssten bei den Koalitionsverhandlungen darauf achten, dass sie das aufgebaute Vertrauen nicht aufs Spiel setzen. „Wenn die FDP das Finanzministerium nicht bekommen sollte, könnte das bei ihr zu viel Frustration führen“, so der Politikwissenschaftler.
Kernbereiche hat jede Partei: Bei den Grünen ist es der Umwelt- und Klimaschutz, bei der SPD sind es soziale Fragen, und die FDP hat ihren Fokus auf der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Robert Habeck scheint als Grünen-Co-Chef daher weniger Chancen auf den Posten zu haben. „Es mutet immer etwas seltsam an, wenn eine Partei in den Kernbereich einer anderen Partei eindringen möchte“, meint Jun. Er betont, dass sich die Sondierungsparteien in ihren Kernbereichen Autonomie zugesichert haben. „Um das neu aufgebaute Vertrauen nicht zu zerstören, sollte diese Autonomie auch bei der Ministerienvergabe berücksichtigt werden.“
Was steckt hinter den Forderungen?
Politikwissenschaftler Jun macht deutlich, dass es sich in der aktuellen Debatte um das Finanzministerium bisher nur um Forderungen handelt. „Und Forderungen kann man auch aufstellen, um später im Gegenzug für Zugeständnisse davon wiederum abzulassen.“
Wie dies aussehen könnte, zeichnete sich am Sonntagabend im ARD-Interview ab. Lindner kündigte an, dass es ein Klimaministerium geben werde. Dies hatten die Grünen während des Wahlkampfes immer wieder gefordert und wollten es mit einem Vetorecht für alle Entscheidungen der Regierung ausstatten. Unklar ist zwar noch, ob es tatsächlich ein Klimaschutzministerium geben wird. Es hätte dann jedoch ebenso ein Vetorecht wie auch das Kanzleramt und das Finanzministerium. Erhält jede Regierungspartei eines der Ministerien, würde demnach ein Machtgleichgewicht herrschen.
Konkret sagte FDP-Chef Lindner am Sonntag: „Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken.“
Mit dieser Äußerung versucht Lindner klarzumachen: Die Grünen müssten sich entscheiden – zwischen einem Finanzministerium und einem Klimaschutzministerium. Doch ob es tatsächlich auf eine solche Entscheidung hinausläuft, wie Lindner sie den Grünen präsentiert, werden die Koalitionsverhandlungen und das Verhandlungsgeschick beider Parteien zeigen.