USA bestätigen Lieferung an die Ukraine

Was ist Streumunition und wie funktioniert sie?

Das Foto zeigt Bomblets für Streumunition der Bundeswehr.

Das Foto zeigt Bomblets für Streumunition der Bundeswehr.

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Die USA wollen in einem neuen militärischen Hilfspaket für die Ukraine Streumunition liefern – das bestätigte die US-Regierung am Freitagabend offiziell. Seit 2010 gibt es eigentlich ein Abkommen, dass den Einsatz solcher Waffen in Konflikten verbietet. Doch nur etwa 120 Länder gehören zu den Unterzeichnern des sogenannten Abkommens. Die USA, Russland und die Ukraine gehören nicht dazu.

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Was ist die Gefahr, die von Streumunition ausgeht? Die Deutsche Presse-Agentur berichtete 2010 nach der Unterzeichnung des Abkommens der ersten Staaten, darunter Deutschland. „Jedes Mal, wenn diese Waffen eingesetzt werden, fordern sie mehr Opfer nach dem als während des Konflikts“, erklärte damals schon Peter Herby, zu dem Zeitpunkt Leiter der Anti-Waffen-Abteilung beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Kinder seien besonders gefährdet, wenn sie auf die oft bunt lackierten „Relikte des Kalten Krieges“ stoßen.

Warum ist Streumunition so gefährlich für die Zivilbevölkerung?

Die Hilfsorganisation Handicap International informiert, dass zwischen Mitte der 1960er-Jahre und 2022 weltweit 23.768 zivile Opfer von Streumunition registriert worden seien – allerdings lägen die Schätzungen mit 56.500 bis 100.000 Opfern weit höher. Hauptbetroffene von Streuwaffen sei langfristig die Zivilbevölkerung. Grund dafür sind Blindgänger. Ähnlich wie bei Landminen, die auch durch ein internationales Abkommen geächtet sind, explodieren beim Aufkommen der Streubomben nicht alle Sprengsätze. Eine Streubombe besteht in der Regel aus mehreren kleineren Bomben – Submunition genannt. Die Trägerbombe kann je nach Modell zwischen drei und 1000 Einheiten solcher Submunition enthalten. Bei dem von der USA zuletzt produzierten Modell, einer M864-Artilleriegranate, enthält die Trägerbombe laut „Washington Post“ 72 kleinere Bomben.

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Wie funktioniert eine Streubombe?

Streumunition wird durch Artillerie, Raketen, Flugkörper oder Flugzeuge verschossen. Durch die Drehung in der Luft zerbricht die große Bombe, Trägerbombe genannt, in viele kleine Einheiten. Diese fallen auf ein größeres Gebiet. Dieser Effekt ist in etwa so, wie wenn man eine offene Wasserflasche dreht. Dadurch wird eine große Streuweite erreicht. Die Submunition landet auf einem möglichst großen Gebiet. Bei dem Modell der USA soll es sich laut „Washington Post“ um eine Fläche von der Größe von etwa 22.500 Quadratmetern handeln, also etwa dreieinhalb Fußballfelder.

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Dazu, wie hoch diese Blindgängerquote ist, gibt es unterschiedliche Angaben. Handicap International beispielsweise gibt eine Blindgängerquote bei älteren Waffen von 40 Prozent an. Vor 20 Jahren hat das Pentagon die eigenen Streubomben, die M864-Artilleriegranate, untersucht – und festgestellt, dass etwa 6 Prozent der Munition in einer Trägerbombe nicht explodieren. Das wären mindestens vier Einheiten der Submunition. Heutzutage sagt das Pentagon, dass neuere Tests – zuletzt 2020 – eine Abgängerquote von 2,35 Prozent hätten. Das würde bedeuten, dass ein bis zwei Einheiten der Submunition auf einer Fläche von dreieinhalb Fußballfeldern nicht explodieren würden. Wenn starker Wind weht oder die Trägerbombe nicht richtig abgeworfen wird, könnte die Submunition auch außerhalb der anvisierten Fläche landen.

So funktioniert Streumunition.

So funktioniert Streumunition.

Der Militärexperte Marc Garlasco, der zeitweise als Ermittler für Kriegsverbrechen bei der UN gearbeitet hat, kritisiert, dass diese Tests in „perfekten“ und unrealistischen Umständen stattfinden würden. Er komme bei seinen Untersuchungen auf zuvor umkämpften Gebieten auf eine Quote von etwa 20 Prozent. Die USA haben sich eigentlich selbst verboten, Streubomben zu produzieren oder einzusetzen, die eine Blindgängerquote von mehr als einem Prozent haben. Wie viele Trägerbomben die USA an die Ukraine liefert, ist bisher noch nicht bekannt.

Handicap International schreibt in seinem letzten Report, dass 2021 etwa 60 Prozent der Opfer von Streumunitionunfällen Kinder waren. Demnach sei die Ukraine das einzige Land, in dem Streumunition derzeit eingesetzt werde.

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Deutschland zeigt Verständnis für Streumunitionlieferung

Deutschland, das das Abkommen ratifiziert hat, signalisierte Verständnis für eine Lieferung durch die Vereinigten Staaten, die wie die Ukraine den Vertrag nicht unterzeichnet haben. „Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Die Streumunition würde von der Ukraine in „einer besonderen Konstellation“ verwendet. „Die Ukraine setzt eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. Es geht um einen Einsatz durch die eigene Regierung zur Befreiung des eigenen Territoriums“, sagte Hebestreit. „Wir sollten uns also auch noch mal vergegenwärtigen, dass Russland in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits in großem Umfang Streumunition eingesetzt hat.“

Russia Putin SCO Heads of State Council 8472001 04.07.2023 Russian President Vladimir Putin attends a meeting of the Shanghai Cooperation Organisation SCO Heads of State Council via a video conference at the Kremlin in Moscow, Russia. Alexander Kazakov / Sputnik Moscow Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxESTxLTUxLATxNORxSWExDENxNEDxPOLxUKxONLY Copyright: xAlexanderxKazakovx

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Auch die Nato zeigte sich verständnisvoll. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verwies am Freitag in Brüssel darauf, dass auch Russland Streumunition einsetze. Das Land nutze sie allerdings nicht im Rahmen der Selbstverteidigung, sondern um in die Ukraine einzudringen. „Wir sind mit einem brutalen Krieg konfrontiert“, unterstrich der Norweger.

Stoltenberg machte zugleich deutlich, dass die Nato als Organisation keine gemeinsame Position zum Thema Streumunition habe. Dies ist nach seinen Angaben der Fall, weil ein Teil der Nato-Staaten einen Vertrag zur Ächtung von Streumunition unterschrieben hat, ein anderer Teil aber nicht. „Es ist Sache der einzelnen Verbündeten, Beschlüsse über die Lieferung von Waffen und militärischen Gütern in die Ukraine zu fassen“, sagte er. Die Entscheidungen müssten Regierungen treffen und nicht die Nato als Bündnis.

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mit dpa

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