Faeser über Aktionsplan gegen Rechtsextremismus: „Unsere Demokratie ist wachsam und wehrhaft“
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Archivbild)
© Quelle: imago images/photothek
Berlin. Mit einem Zehn-Punkte-Plan will Innenministerin Nancy Faeser Rechtsextremismus in Deutschland stärker bekämpfen. Am Dienstag stellte sie den Aktionsplan in Berlin vor. Faeser betonte bei einer Pressekonferenz, dass der Aktionsplan ein erster Schritt des Handelns sei.
„Wir handeln gegen Rechtsextremismus und das hat hohe Priorität für mich. Unsere Demokratie ist wachsam und wehrhaft“, sagte die Innenministerin und zog Verbindungen zur russischen Invasion in der Ukraine. Besonders in der aktuellen Situation müsse der Frieden im Inneren gestärkt werden, erläuterte Faeser.
„Ich bin mir sicher, dass der Zusammenhalt in unserem Land aktuell sehr stark ist“, so Faeser. Das zeige auch die große Solidarität mit Flüchtlingen aus der Ukraine, die aktuell zu beobachten sei. „Den Extremisten wird es auch dieses Mal nicht gelingen, mit ihrem Hass durchzudringen“, sagte die Bundesinnenministerin.
Nancy Faeser: Die erste Bundesinnenministerin
Nancy Faeser, eine der Öffentlichkeit bislang kaum bekannte SPD-Politikerin aus Hessen, soll als erste Frau an die Spitze des Bundesinnenministeriums treten.
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Haldenwang: „Rechtsextremisten haben keinen Platz im öffentlichen Dienst“
Bei der Pressekonferenz anwesend waren auch Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Verfassungsschutz-Chef Haldenwang: „Wenn man sich vor Augen hält, dass seit 1990 rund 200 Menschen durch Rechtsextremismus ums Leben gekommen sind, dann spricht das eine eindeutige Sprache.“ Er berichtete, dass immer mehr Netzwerke zu beobachten seien, in der sich Rechtsextreme zusammenfänden - darunter auch Angehörige von Behörden und Streitkräften. „Hier gilt es gegenzuhalten“, sagte Haldenwang. „Rechtsextremisten haben keinen Platz im öffentlichen Dienst.“
BKA-Chef Holger Münch berichtete, dass seine Behörde ihre Ermittlungskapazitäten erweitert habe, um rechte Netzwerke frühzeitig zu erkennen. Beim BKA gebe es nun auch eine Taskforce, die gegen Straftaten auf der Plattform Telegram vorgehe: „Im besten Fall mit, aber auch ohne Unterstützung der Plattform Telegram“, sagte Münch. Zudem sollen die Opfer mehr in den Fokus rücken und besser nach Straftaten oder Anschlägen betreut werden.
Thomas Krüger unterstrich die Bedeutung der politischen Bildung für den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Besonders an Schulen solle diese gestärkt werden - einer der Schwerpunkte sei dabei die Stärkung von Medienkompetenz und Aufklärung im Bereich der Sozialen Medien.
Zehn Punkte gegen Rechtsextremismus
Mit dem Aktionsplan soll Rechtsextremismus ganzheitlich bekämpft werden. Wie das RedaktionsnetzwerkDeutschland (RND) bereits im Vorfeld erfuhr, gehört zu den zehn Punkten des Plans unter anderem, dass rechtsextreme Netzwerke zerschlagen und Rechtsextreme entwaffnet werden. Zudem sieht der Aktionsplan vor, dass Hetze im Internet stärker bekämpft, Verfassungsfeinde aus Beamtenpositionen entfernt und Verschwörungsideologien mit Hilfe von Beratungs- und Aussteigerprogrammen entkräftet werden.
Lob und Kritik für Faeser Aktionsplan
Die politischen Reaktionen auf Faesers Pläne fielen am Dienstag gemischt aus. „Der Aktionsplan Rechtsextremismus enthält einige wichtige Vorhaben. Vor allem die Austrocknung der Finanzströme der rechtsextremen Szene und ein stärkerer Fokus auf die Überschneidung von Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus gehen in die richtige Richtung“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, dem RND.
„Das Bundesinnenministerium überschätzt im vorliegenden Plan aber die Rolle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“, kritisierte er. „Seit der Einführung des Gesetzes sind Hass und Hetze im Internet nicht spürbar zurück gegangen. Gleichzeitig erledigen private Unternehmen mit der Verfolgung von Straftaten eine Aufgabe, die eigentlich der Justiz obliegt“, sagte Kuhle. Im Aktionsplan der Ministerin heißt es, das BKA werde „seine nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) eingerichtete zentrale Meldestelle für unterschiedliche Partner […] ausbauen und anpassen und die Bundesländer aktiv unterstützen“.
Zudem seien wesentliche Vorhaben der Koalition im Aktionsplan nicht enthalten, kritisierte Kuhle. „Die Ampel-Parteien haben beispielsweise vereinbart, dass das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) von Bund und Ländern auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird“, erklärte er. „Auf diese Weise würde die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus verbindlicher ausgestaltet. Es darf nie wieder zu der organisierten Verantwortungslosigkeit kommen, die der Staat im Zusammenhang mit dem so genannten Nationalsozialistischen Untergrund an den Tag gelegt hat“, sagte der FDP-Innenpolitiker.
Deutlichere Kritik kam aus der Unionsfraktion: „Der Aktionsplan von Frau Faeser ist alles andere als der großer Wurf. Einige Maßnahmen wurden schon von der Vorgänger-Regierung geplant, bei anderen dürfte die Wirksamkeit gering sein. Vor allem aber fehlt das klare Bekenntnis zu ausreichenden Befugnissen für unsere Sicherheitsbehörden, um rechtsextremistische Netzwerke erkennen und beobachten zu können“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm (CDU). Faeser bleibe damit deutlich hinter den großen Ankündigungen zu Beginn ihrer Amtszeit zurück, kritisierte Throm.
Opferberatungsstellen beklagen Leerstellen
„Täglich ereignen sich mindestens zwei bis drei rechts motivierten Gewalttaten, rassistisch oder antisemitisch motivierte Gewalttaten in Ost- und Westdeutschland“, sagte Olivia Sarma vom Vorstand des VBRG e.V., in dem die spezialisierten Opferberatungsstellen für Opfer rechter Gewalt organisiert sind. „Umso mehr überraschen uns die Leerstellen im Aktionsprogramm des BMI: Rassismus und Antisemitismus als zentrale Ideologien und Tatmotive rechtsextremer Gewalt und Attentate werden nicht benannt,“ kritisierte Sarma. „Wir erwarten, dass ein vom Bundesinnenministerium als ganzheitlich bezeichneter Aktionsplan dezidiert die Stärkung der Rechte von Verletzten und Hinterbliebenen in Straf- und Ermittlungsverfahren nach rassistisch, antisemitisch und rechts motivierten Angriffen und Attentaten beinhaltet. Aus der Praxis wissen wir, dass es gerade hier großen Nachholbedarf gibt: allzu oft scheitert eine erfolgreiche Bekämpfung von gewalttätigen rechtsextremen Netzwerken an verschleppter und blockierter Strafverfolgung, wie etwa im Fall der verschleppten Strafverfolgung gegen ein bundesweites Neonazinetzwerk nach den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz 2018“, so Sarma.
RND/ag/feh