Exil-Iranerinnen protestieren weiter: „Schade, dass Deutschland mit so einem Land handelt“
Die Exil-Iranerin Parisa Khayamdar protestiert vor der Zentrale der Grünen in Berlin für die Umsetzung der von Annalena Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik.
© Quelle: Judith von Plato
Parisa Khayamdars Protest gegen das iranische Regime fing lange vor dem Tod von Mahsa Amini an. „2011 bin ich aus dem Iran geflüchtet“, erzählt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sie sei in der Opposition gewesen und habe sich für Frauenrechte und Gleichberechtigung eingesetzt – bis zu dem Tag, an dem sie zu einer Anhörung beim Geheimdienst geladen wurde. „Das war zu krass für mich“, sagt die 35-Jährige. „Es kann sein, dass man von da nicht mehr zurückkommt.“ Sie sei illegal aus dem Land ausgereist und konnte bis heute nicht zurückkehren.
Doch ihr Kampf für die Rechte von Frauen in ihrer Heimat geht auch in Deutschland weiter. Mit anderen Exil-Iranerinnen hat Khayamdar sich in der Gruppe Feminista.Berlin zusammengetan. Seit dem 9. Oktober, rund drei Wochen nach dem Tod der Iranerin Mahsa Amini in Haft der iranischen Sittenpolizei, der eine riesige Protestwelle in dem Land auslöste, halten sie eine Mahnwache vor der Grünen-Zentrale in Berlin ab.
Mehrfache Angriffe auf Mahnwache
Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem sie dort nicht standen, trotz mehrfacher Angriffe, erzählt Khayamdar. Auch heute, 100 Tage nach dem Tod von Amini, am ersten Weihnachtstag, wollen die Aktivistinnen vor Ort an dem Protestcamp sein und fordern von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne), die sich feministische Außenpolitik auf die Fahne geschrieben hat, eine Verschärfung der diplomatischen Sanktionen. In einer Petition drängen sie ebenfalls darauf.
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Weil Khayamdar dort in den vergangenen Wochen auch stundenlang bei Minustemperaturen stand, erkältete sie sich stark. „Viele wurden krank“, sagt die Frau, deren ganze Familie noch im Iran lebt. Dennoch seien immer acht bis zehn Personen dort gewesen, tagsüber oft mehr. Wie lange sie das noch durchhalten wollen? „Ich kann nicht sagen, ob wir noch monatelang die Mahnwache beibehalten“, sagt sie. Doch der Protest gehe definitiv weiter. „Wenn wir dort nicht mehr sind, heißt es nicht, dass wir aufgehört haben zu kämpfen, sondern dass wir eine andere Art des Protests gefunden haben.“
„Terrorregime, das eigene Menschen auf der Straße tötet“
Wenn die Frau mit den lockigen, braunen Haaren über die Ziele der Gruppe redet, spricht sie schneller, eindringlicher. „Wir fordern von Frau Baerbock, den iranischen Botschafter und die Diplomaten aus Deutschland auszuweisen“, sagt sie. Das sei eine klare Nachricht an das „Terrorregime, das eigene Menschen auf der Straße tötet, die für ihre Basisrechte protestieren“. Beim iranischen Regime müssten echte Konsequenzen zu spüren sein – was bisher nicht der Fall sei.
Die bisherigen beschlossenen Sanktionspakete von Deutschland reichen laut der Aktivistin lange nicht aus. Sie nennt sie „symbolisch“ und fordert echt Maßnahmen, die das Land wirklich treffen. „Die Sanktionen bisher ändern eigentlich nichts“, sagt sie. „Iran ist eines der meistsanktionierten Länder und das Regime weiß, wie es mit solchen Sanktionen umgehen muss.“ Auch was innerhalb der EU gegen den Iran beschlossen worden sei, kritisiert die Feminista.Berlin-Aktivistin: „Es ist lächerlich, dass sich alle Länder versammeln, große Reden halten und am Ende keine Entscheidungen treffen.“
Feminista.Berlin fordern Ausweisung des iranischen Botschafters
Die Ausweisung des iranischen Botschafters aus Deutschland hingegen könne etwas bewirken, glaubt sie. „Dann kann man etwa nicht mehr über Atomabkommen sprechen.“ Denn das passiere trotz all der Gewalt gegen Protestierende und der immer neuen Hinrichtungen immer noch. „Daran sehen wir, dass die bisherigen Sanktionen keine Bedeutung haben“, schlussfolgert Khayamdar.
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© Quelle: Reuters
Dass die Gewalt des Regimes seinen Arm bis nach Deutschland ausstreckt, sieht die 35-Jährige an den Angriffen auf die Mahnwache. Bei einer Attacke wurde etwa ein Schild der Aktivistinnen zerstört und ein Angreifer zog sogar ein Messer und bedrohte sie, wie etwa die „taz“ berichtet. „Das war sehr beängstigend“, sagt Khayamdar. Doch noch mehr Angst als die akute Situation machte ihr, „dass das iranische Regime sogar in einem freien, demokratischen Land wie Deutschland Zensur ausüben will“. Was sie zu ihrer Wut auf die deutsche Politik zurückbringt: „Schade, dass Deutschland mit so einem Land handelt.“
Mahnwache wahrscheinlich auch über die Weihnachtstage
Khayamdar will auch über Weihnachten an der Mahnwache vor der Grünen-Zentrale in Berlin sein, gemeinsam mit anderen Aktivistinnen. Ob sie in diesen Tagen Kontakt mit ihrer Familie in der Heimat haben wird, ist unklar. „Der Kontakt ist schwierig“, sagt sie. „Es gibt dort oft kein Internet, über Dienste wie Whatsapp oder Telegram geht es eigentlich gar nicht mehr.“ Sie griffen mittlerweile auf andere Apps zurück, die nicht besonders sicher seien. Aber es sei die einzige Möglichkeit.